Auf der Route der Industriekultur durchs Ruhrgebiet erfährt man Geschichte – am besten mit einem Opel Manta B, der bis 1988 in Bochum mitten im Revier vom Band lief.
Es gibt wohl nur wenige Regionen in Deutschland, die mit so vielen Klischees belegt sind wie das Ruhrgebiet: trist, grau, stinkende Schlote und staubige Halden. Ja, auch die gab es. Aber selbst als noch tief unter der Erde Kohle aus den Flözen gehauen und Übertage in den Hochöfen Stahl gekocht wurde, war es für die Leute im Pott bereits der schönste Ort der Welt. Das Revier war der eiserne Pulsschlag der Republik. Der unermüdliche Motor nach dem Krieg, der das Wirtschaftswunder möglich gemacht hat. Sich selbst dafür auf die Schulter geklopft hat man sich zwischen Duisburg und Hamm allerdings nicht. Man packte die Dinge an, pragmatisch mit Leidenschaft für die Heimat. Was zu tun war, wurde gemacht. Auch jetzt, nachdem die letzte Schicht ausgefahren ist und der Strukturwandel sich als schwierig und zäh erweist, blickt man gemeinsam nach vorn. Auf der Route der Industriekultur kann man die Geschichte erfahren und lernt die Zukunft kennen. Der Pott ist immer eine Reise wert. Und welcher Wagen könnte für unsere kleine Deutschland-Tour besser geeignet sein, als ein Opel Manta B? Er ist einer von hier. Er kommt aus Bochum. Über 1.000.000 Manta liefen zwischen 1970 und 1988 mitten im Revier vom Band. Die meisten davon sind wohl auch hiergeblieben. Damals kam er zu zweifelhaftem Ruhm und wurde in Filmen lächerlich gemacht. Heute stiehlt er auf der A40 jedem Ferrari die Show. Wer am Ende lacht …
Deutschland-Tour: Mit dem Opel Manta B durch das Ruhrgebiet
Auch wenn das Ruhrgebiet so heißt, erzählt eigentlich die Emscher die schmutzige Geschichte der Region viel besser. Unweit des Phönixsees auf dem Gelände des ehemaligen Stahlwerksareals Phönix-Ost, an dessen Ufer sich heute Villen in Hanglage um den besten Sonnenplatz streiten und Touristen am Ufer flanieren, liegt ihre Quelle. Sie wird hier Köttelbecke genannt, weil sie jahrzehntelang als Abwasserkanal ihren Job gemacht hat. Heute plätschert sie wieder klar und wild am Phönixsee vorbei. Das Symbol für den stattfindenden Strukturwandel und der perfekte Ausgangspunkt für unsere Tour. Ein Mann im besten Alter nähert sich dem Manta. Er fuhr auch einen, Anfang der Achtziger. Heute fährt er einen Opel Grandland. Man bleibt sich treu im Revier. Auch an der Waschstraße in der Nähe des Dortmunder Union- Brauerei-Hauses, das heute das Zentrum für Kunst und Kreativität beherbergt, kennt man den Flitzer aus Bochum. Die Jungs von der Fahrzeugaufbereitung haben früher bei Opel am Band gestanden, die erfolgreichen Zeiten miterlebt – und den Untergang. Den Opel Manta lieben sie immer noch, doch mit der Marke haben sie heute ihre Probleme. Mit frisch gewaschenem Lack brummen wir weiter auf der A40 Richtung Westen. Wir wollen bei unserer kleinen Deutschland-Tour sehen, was vom Werk in Bochum übrig geblieben ist. Viel ist nicht mehr zu sehen. Nur das Verwaltungsgebäude steht noch stolz da und wird gerade in einen Industrie-, Technologie- und Wissens-Campus umfunktioniert. Auch hier formt der Wandel neue Möglichkeiten und schafft Räume für Kreativität.
Zurück zur Manta-Geburtsstätte Bochum
Selbst wenn die Route der Industriekultur unseren Weg diktiert, sind kleine Schlenker erlaubt. So wie der Abstecher nach Süden an die Ruhr bei Hattingen mit seiner malerischen Altstadt. Enge Gassen mit netten Cafés, eingerahmt von restaurierten Fachwerkhäusern, laden zu einem kleinen Stopp. Unweit von hier zeigt sich die Ruhr von ihrer schönsten Seite. Am Fuß der Isenburg schlängelt sich der Fluss in sanften Bögen entlang. Grüne Auen auf der einen Seite, bewaldete Hänge auf der anderen, dazwischen begleitet die Ruhr die Straße wie aus dem Bilderbuch. Der Manta genießt die freie Fahrt, während die engen Serpentinen für herrliche Taktwechsel im kernigen Vierzylinder des Opel Manta B sorgen. Durch tiefgrüne Wälder geht es hinauf zur Nierenhofer Straße, der L427 in Velbert, einem der höchsten Punkte im Süden der Industrieregion. Von hier aus blickt man über den Pott. Keine Spur von grau- er Betontristesse und rauchenden Schloten unten im Tal. Sattes Grün reicht bis zur 40 Kilometer entfernten Halde Hoheward der Zeche Ewald – mit dem einst tiefsten Schacht im Land. Hinter der nächsten Kurve beginnt Essen, die heimliche Hauptstadt der Metropole Ruhr. Im Süden der Stadt rauschen wir am Baldeneysee vorbei. An seiner Nordseite thront die Villa Hügel – das Wahrzeichen der Schwerindustrie und Familiensitz der Krupp-Dynastie. Wir folgen der Route unserer Deutschland-Tour ins Zentrum. Dort wartet das UNESCO-Welterbe Zeche und Kokerei Zollverein, bekannt als die "schönste Zeche der Welt", auf unsere Visite. Sie war mal die größte und leistungsstärkste Steinkohlenzeche der Welt und die größte Zentralkokerei Europas. Heute ist sie eine Art Freizeitpark mit Lerninhalt und Biotop für die zurückkehrende Tierwelt. Intensiver als hier kann man die Geschichte und den Wandel der Region nicht erleben. Wem der Trubel auf Zollverein zu groß ist, sollte die deutlich gemütlichere Zeche Zollern mit ihrem großen Jugendstilportal im Dortmunder Norden in den Roadtrip einplanen.
Das Opel-Museum in Herne ist ein Muss
Apropos planen: Mit einem Tag ist die Route der Industriekultur nicht zu schaffen. Zu viel Sehenswertes steht bei unserer kleinen Deutschland-Tour im Opel Manta B noch auf dem Programm. So wie das kleine Opel-Museum in Herne: Hilmar Born entdeckte schon als Kind seine Leidenschaft für diese Fahrzeuge. Im Lauf der Zeit hat sich einiges angesammelt. Das private Museum befindet sich in einer alten Halle mit zahlreichen Schätzen der Marke. Nicht nur Kapitän, Corsa GSi, Kadett oder Calibra haben hier Unterschlupf gefunden, sondern auch alles andere, was Opel produziert hat – vom Fahrrad bis zur Seifenkiste. Man muss sich allerdings vorher anmelden, dafür wird man dann herzlich empfangen. Gefremdelt wird im Ruhrgebiet nicht. Dortmund, Bochum, Hattingen, Essen – wir haben erst die Hälfte gesehen. Gelsenkirchen steht noch auf dem Programm. In der Stadt der Tausend Feuer ist es ruhig geworden. Nur noch ein paar ehemalige Fördertürme ragen als Kulturgut in den Himmel. Dafür findet man bedeutende Architektur. Das Hans-Sachs-Haus zum Beispiel gilt als eines der bedeutendsten Bauwerke der Moderne im Ruhrgebiet. Einen Steinwurf entfernt erstrahlt die gläserne Fassade des Musiktheaters im Revier, das zu den wichtigsten Theaterbauten der Nachkriegszeit gezählt wird. Ein kurzer Abstecher zur alten Kampfbahn auf Schalke lohnt sich immer. Etwas weiter am Kanal entstand in den letzten Jahren eine Marina und sorgt für einen auch Saint Tropez im Pott. Auf dem Weg zur Mündung der Ruhr in den Rhein bei Duisburg mit imposantem Binnenhafen, dem Landschaftspark und dem Magic Mountain – einer begehbaren, wild geschwungenen, einer Achterbahn nachempfundenen und nachts von 880 LED beleuchteten Skulptur – liegen unendliche viele weitere Ziele. Wie gesagt, das Ruhrgebiet ist keine Region für einen Tagesausflug. Einfache Hotels finden sich überall. Spannender ist es aber zum Beispiel im Parkhotel Bernepark Bottrop. Hier ruht man sich in ehemaligen Kanalrohren von der Tagesetappe aus – selbstverständlich mit allem Komfort. Oder einfach mitten im Grünen, etwa im urigen Bauwagenhotel am Kettwiger Ruhrufer. Das Ruhrgebiet macht jeden glücklich. Hier darf jeder machen, was er will – und das machen alle zusammen.
Das Auto für die Deutschland-Tour durchs Ruhrgebiet: der Opel Manta B
Der Opel Manta ist ein Stück Industriekultur. Manta A und B wurden in Bochum gebaut. Zusammen waren es in 18 Jahren 1.056.436 Fahrzeuge. Damit führt an ihm als Begleiter für unseren Roadtrip durchs Revier kein Weg vorbei. Unser Manta B ist ein GSi Exklusiv Baujahr 1987. Ein Highlight
der Baureihe, das zum Ende seiner Karriere von Irmscher veredelt wurde. Ausgewählte Farbtöne, passend darauf abgestimmte Stoffe für die Recaro- Sitze, ein dreispeichiges Sportlenkrad, Doppelscheinwerfer und neu gestaltete Schürzen sowie ein lackierter, dreiteiliger Spoiler machten ihn damals – wie heute – zu etwas ganz Besonderem. Der Bochumer Junge macht alles mit. Sein Zweiliter-Vierzylinder ist ein Drehmomentochse, der für eine Tour durchs Ruhrgebiet genau der richtige Partner ist. Seine 110 PS gibt er aber nur widerwillig ab, Drehzahlen sind nicht sein Metier. Tempo 100 schaff t er trotzdem in nur 10,5 Sekunden. Und wenn es sein muss, peitscht er sogar mit 192 km/h Spitze über die Bahn. Sein rustikales Fahrwerk mit hinterer Starrachse wurde ihm nie übel genommen. Die richtige Bereifung, wie die von Michelin für den Manta B angebotenen Michelin XDX-B, steigert den Komfort und sorgt für zeitgemäßen Grip. 24.550 Mark kostete der Sportwagen 1987. Heute muss man deutlich über 10.000 Euro für ein ordentliches Exemplar ausgeben – vorausgesetzt, man findet überhaupt ein gut erhaltenes Exemplar.