Opel CD/Bitter CD: Classic Cars
Die Legende CD lebt
Für viele ist der CD eines der schönsten Classic Cars von Opel. Nach dem Auftritt zur IAA 1969 verschwand die Studie im Museumskeller. Wir präsentieren die Design-Ikone und ihr Serienpendant Bitter CD sowie Hintergründe der Entstehung.
Verträumt, ja etwas wehmütig blinzelt George Gallion durch die Jalousien des Präsentationsraums. Draußen, in der März-Kälte 2013, wird im Hof des Opel-Designcenters in Rüsselsheim die Studie Opel CD fotografiert. Das in Metallic-Rot lackierte Schau-Objekt steht da wie aus dem Ei gepellt. Ein Traumwagen aus Rüsselsheim – vor 50 Jahren erschien das keineswegs undenkbar. Der ehemalige Opel-Designer George A. Gallion erinnert sich an den Sommer 1969. "Es war für uns Designer eine tolle Zeit. Wir konnten unsere Fantasien ausleben, daraus Formen gestalten." Eine davon führte zum Opel CD. Im Nachhall der großen Resonanz auf die GT-Designstudie zur IAA 1965 bekam die Designmannschaft unter dem damaligen Leiter Charles "Chuck" Jordan den Auftrag, für die IAA 1969 ein Fahrzeug zu entwerfen, dass die Massen begeistern und das Opel-Image noch mehr aufwerten sollte.
Die Designer David R. Holls, Herbert Killmer, Hideo Kodama, Studioleiter Erhard Schnell und George A. Gallion begannen Ende 1968 mit Entwürfen und Arbeiten für den CD. In weniger als neun Monaten entstand die auch heute noch atemberaubende, 4,57 Meter kurze und nur 1,11 Meter hohe Studie eines zweisitzigen Sportcoupés mit der Technik des Opel Diplomat: 5,4-Liter-V8-Zylinder mit 230 PS (169 kW), DeDion-Hinterachse, um 30 Zentimeter verkürzter Radstand, gläsernes Heck. Wenige Tage vor der IAA stand der CD wie bei unserem Fototermin im Innenhof des Opel-Designcenters. Und damals wie heute war George A. Gallion begeistert von der Arbeit seines Designteams. "Wenn heute eine Firma wie Tesla mit dieser Karosserie auf dem Markt käme, wäre das eine Sensation." Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
So eine Oldtimer-Rallye organiseren (Video):
Opel und Bitter CD: Classic Cars
Tatsächlich ist der Opel CD auch nach so vielen Jahren eine Design-Ikone erster Güte. Nicht nur die Gesamtform und das technische Konzept, auch die Details sind atemberaubend. So lässt sich die riesige Komplettverglasung aus Front- und Seitenscheiben inklusive Dach und Türen zum Einsteigen hydraulisch nach vorne schwenken. Dabei klappt auch die Lenksäule nach oben. Opel O-Ton 1969: "In den Opel CD kann daher auch eine Dame im Abendkleid lässig und mit Anmut einsteigen." Relativ spät fiel den Macher:innen des CD ein, dass die Fahrfähigkeit des Konzepts zu beweisen war. Unter der aus Glasfiber und Plexiglas gefertigten und zunächst in Silbermetallic lackierten Studie wäre die Technik nicht sichtbar und nur schwer zu installieren gewesen. Also baute man ein zweites Fahrzeug auf, in dem die Technik des Opel Diplomat und das komplett neu entworfene Interieur mit allen Bedienfunktionen auf der Mittelkonsole präsentiert wurden.
"Chuck wollte unbedingt ein Telefon installiert sehen. Aber so etwas war damals praktisch nicht zu bekommen. Also haben wir einfach einen Hörer eingebaut“, schmunzelt Gallion. Aus Zeitgründen war eine Karosserie für das auch "Sitting buck" (Sitzbock) genannte, fahrtüchtige Modell nicht mehr machbar. Also beließ man es bei einem filigranen Gitterrohrgerüst als spartanischer Andeutung der Außenhaut. Opel-Statement zum CD am 21. August 1969: "Bei der Gestaltung des Äußeren zeigten die Rüsselsheimer 'Automobil-Couturiers' ihr Können: Im Opel CD verbinden sich Kraft, Eleganz und Rasse." Doch nach dem Aufsehen erregenden Debüt auf der IAA 1969 und kurzzeitigem Schaulaufen auf den Autobühnen der Welt verschwand die Studie, die damals noch in Rotmetallic umlackiert wurde, unter dicken Filzmatten in den Katakomben der Opel-Zentrale.
Jens Cooper, seit vielen Jahren designbegeisterter Mitarbeiter im Team von Opel Classic, bearbeitete die Verantwortlichen so lange, bis Ende 2010 das OK für eine Restaurierung der – von Handwerker:innen reichlich ramponierten – CD-Studie kam. Nach zeitraubenden Vorarbeiten an der Karosserie wurde der Farbton "candy apple" von Glasurit "detektivisch" ermittelt und von Lackkünstler:innen im Werk perfekt aufgetragen. Eine Spezialfirma für Helikopterscheiben fertigte nach einer maßgenauen Schaumform eine neue Plexiglasverkleidung für den Innenraum – eine mehrere Versuche dauernde Prozedur. Akribisch wurde das Interieur von Jens Cooper und seinen Kolleg:innen aufgearbeitet und mit teilweise neu angefertigten Schaltern versehen. 2012 war es dann soweit, beide CD-Studien erstrahltem in neuen Glanz: Die Legenden waren auferstanden. Und heute sind sie die Highlights des Opel-Classic-Parade in Rüsselsheim.
Dem Opel CD folgte 1973 der Bitter CD
"Gegenwärtig hat Opel nicht die Absicht, den Opel CD in Produktion zu nehmen“, verkündete Rüsselsheim 1969. Doch da hatten die GM-Verantwortlichen die Rechnung ohne eine Männerfreundschaft gemacht. 1968 lernten sich der Rennfahrer Erich Bitter und Opel-Verkaufschef Bob Lutz in Hockenheim kennen, wo Bitter mit der legendären "Schwarzen Witwe", einem Rennwagen auf Rekord C-Basis, für Furore sorgte. Lutz hatte die imagefördernde Wirkung eines Sportwagens im Stile der CD-Studie erkannt. Erste Gehversuche mit dem Intermeccanica Indra, einem Sportwagen mit Opel-Mechanik, scheiterten an der Qualität. Im Anschluss fertigte Karosserieschneider Frua für Opel zwei fahrtüchtige Exemplare einer neuen Coupé-Studie. Die Umsetzung scheiterte jedoch an den Schwierigkeiten, den Entwurf in Großserie zu fertigen. Bob Lutz erinnerte sich an Erich Bitter, der als Importeur des Indra längst auf die Idee gekommen war, ein eigenes Auto auf die Beine zu stellen.
Nach vier Jahren Vertragspoker, unzähligen Meetings und Designbesprechungen folgte das Einverständnis von GM und Opel: Der Sportwagen mit Namen Bitter Diplomat CD wurde gebaut. Bob Lutz schlug die Karosseriefirma Baur in Stuttgart als Produktionspartner vor, und Bitter kam mit den renommierten Karosseriebauer:innen ins Geschäft. "Es gab nie einen Prototyp des CD. Die Opel-Designer formten bei Baur in Stuttgart ein 1:1-Modell, und daraus entstanden dann die Werkzeuge für die Produktion", erzählt Bitter und betont, dass es ohne Bob Lutz und das fachkundige Baur-Team den Bitter CD nie gegeben hätte. Erich Bitter, der "selbst ganz gut mit dem Zeichenstift umgehen" kann, setzte beim CD auf einen 2+2-Sitzer.
Aus dem Indra-Debakel hatte er die Lehre gezogen, dass robuste GM-Technik zwar in italienisch anmutendes Design passte, aber nur in Verbindung mit deutscher Qualitätsfertigung ein Erfolg werden konnte. Im Bitter CD brachte er erstmals alles unter einen Hut. 1973 begann die Serienfertigung des 230 PS starken Sportcoupés. Selbstbewusst hieß es damals vom Bitter-Team: "Unsere beste Werbung ist der Opel-Service. Schicken Sie doch mal einen Bitter und einen Ferrari in die Werkstatt. Sie werden schon sehen." Fazit im Test der AUTO ZEITUNG 10/1975: "Am Ende ist der Bitter CD also ein ganz normaler Exote, ein vernünftiger Traumwagen. Doch das weiß nur, wer ihn besitzt, nicht wer ihn sieht und ihn bewundert."
Auch interessant:
Technische Daten Bitter CD
BITTER CD: Technische Daten |
Antrieb V8-Zyl., 2-Ventiler, Rochester-Vergaser, Hubraum: 5354 cm³; Leistung: 169 kW/230 PS bei 4700/min; max. Drehm.: 427 Nm bei 3000/min; Dreistufen-Automatik; Hinterradantrieb |
Aufbau und Fahrwerk Zweitürige Stahlblechkarosserie, zwei Türen; Radaufhängung: vorn Doppel-Querlenker; hinten: DeDion-Achse, Längs-/Querlenker; v./h.Schraubenfedern, Gasdruckstoßdämpfer; Bremsen: v/h. innenbelüftete Scheiben; Reifen:215/70 R 14, Räder: 7 x 14 |
Eckdaten L/B/H: 4860/1845/1269 mm; Radstand: 2680 mm; Leergewicht: 1760 kg; Beschleunigung: 0 auf 100 km/h in 9,7 s¹; Höchstgeschwindigkeit: 209 km/h¹; Stückzahl: 395; Preis (1975): 59.875Mark ¹ Messwerte aus AUTO ZEITUNG 10/1975 |