Opel Diplomat V8 Coupé vs. Pontiac GTO: Muscle-Car-Duell
Bluts-Brüder Diplomat und GTO
Unter der langen Motorhaube tragen sie jeweils einen fetten GM-V8, durch dessen Vierfach-Vergaser der Sprit gurgelt. Ansonsten sind die großen Coupés Opel Diplomat V8 Coupe und Pontiac GTO von eigenständigem Charakter, wie der Vergleich beweist!
Kleine Einzelhubräume sind bekanntlich durch nichts zu ersetzen – außer durch noch kleinere. Zumindest dann, wenn es darum geht, aus Saugmotoren extreme Literleistungen herauszukitzeln. Das ist eine Konstruktionsphilosophie, die in der Geschichte des Motorenbaus bis heute wahre Drehzahlwunder hervorbrachte. Bei Motorrädern sowieso, aber auch bei Autos. Man denke nur an den Honda S800 selig, der es mit seinem Vierzylinder in den 1960er-Jahren auf 67 PS (49 kW) bei 7750 Touren aus nur 791 Kubik Hubraum brachte.
Die Drehzahlfestigkeit war enorm, mehr als 10.000 Umdrehungen waren völlig unproblematisch, und so verwunderte es nicht, dass der kleine Honda bisweilen herzhaft getunt im Motorsport zum Einsatz kam. Mit dieser Art, Fahrdynamik zu generieren, können Sie eingefleischten US-Car-Fans freilich gepflegt langweilen. Sie werden Stirnrunzeln und Kopfschütteln ernten, und man wird sich mit verständnislosem Gesichtsausdruck von Ihnen abwenden. Die Frage nach dem Warum ist dabei recht schnell beantwortet: Weil große Einzelhubräume durch nichts zu ersetzen sind – außer durch noch größere. Jedenfalls dann, wenn niedriges Drehzahlniveau und wuchtiges Drehmoment wichtiger sind als schiere Spitzenleistung (Unterschied zwischen Leistung und Drehmoment).
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Opel Diplomat V8 Coupe & Pontiac GTO im Duell der Muscle-Cars
Das Ergebnis dieser Philosophie exerzieren die US-Autobauer seit Beginn der Motorisierung vor. Zylinder so groß wie Maßkrüge auf dem Oktoberfest, Kolben so groß wie Kaffeehumpen, und all das vorzugsweise achtfach im 90-Grad-V-Winkel angeordnet. Drehzahlen, die beim eingangs erwähntem Honda gerade mal besseres Standgas bedeuten, genügen bei solchen V8-Monstern bereits, um für kraftvollen Vortrieb zu sorgen, begleitet von einem Sound, der sich im Vergleich zum rasenden Reiskocher in etwa wie ein grollender Grizzly zur quietschenden Spitzmaus ausnimmt. Hektik ist einem großvolumigen V8 von Hause aus fremd, und dank reichlich Drehmoment bietet sich ein Automatikgetriebe zur Kraftübertragung an. Beste Voraussetzungen also für ein luxuriöses Reiseautomobil, und das nicht nur aus den USA: Das Opel Diplomat A V8 Coupé kam im Februar 1965 mit einem 5,4 l großen V8 auf den Markt, der Konzernmutter GM sei Dank.
Opel Diplomat V8 Coupé ist das deutsche US-Car schlechthin
Der Opel Diplomat A war als Topmodell im Opel-Programm positioniert und wurde im Juni 1964 eingeführt. Basierend auf Kapitän und Admiral, bot er eine noch hochwertigere Ausstattung und zusammen mit den Anfangsbuchstaben von Kapitän und Admiral vollendete der Diplomat A die sogenannte "KAD"-Baureihe (Kaufberatung zur KAD-Baureihe), die bis in den November 1968 hinein produziert wurde. Darin stellte das beim Karosseriebauer Karmann gefertigte Diplomat A V8 Coupé das absolute Spitzenmodell dar und war von Opel als Imageträger positioniert. Stramme 230 PS (169 kW) trafen auf 1630 kg Leergewicht und sorgten mit 206 km/h für eine ansehnliche Höchstgeschwindigkeit.
Dennoch war dem Opel Diplomat V8 Coupe nur geringer Erfolg beschieden: Nach exakt 347 Einheiten wurde die Herstellung im Juli 1967 eingestellt. Allein das ist ein guter Grund, sich näher mit dem Luxus-Coupé zu befassen, wenngleich nicht der einzige. Denn wer sich grundsätzlich zu einem großvolumigen V8 in einem großen Wagen hingezogen fühlte, brauchte nicht zwangsläufig zu US-Ware zu greifen, erst recht dann, wenn sich die deutsche Alternative zum Ami-Schlitten derart exklusiv präsentierte wie der Opel. Es bedurfte schon eines starken US-Straßenkreuzers, um dem exklusiven Diplomat Paroli zu bieten. Und warum nicht in einer konträren konzeptionellen Form: Sportlich, stark, ja ein wenig brutal. Und dann am besten noch mit Schaltgetriebe, damit das unbändige V8-Drehmoment rücksichtslos über die schmalen wehrlosen Hinterreifen herfallen kann. Voilà, da kommt ein Hardtop-Coupé wie der Pontiac GTO gerade recht. Eigentlich bedeutet GTO ja "Gran Turismo Omologato".
Der Pontiac-Name "GTO" stammt von Ferrari
Weil es so schön sportlich klingt, hat Pontiac das Kürzel GTO einfach bei Ferrari abgeschaut. Mit einer GT-Homologation hatte das indes nichts zu tun. Der Pontiac GTO war ohnehin in einer Phase entstanden, in der die Konzernmutter General Motors im Nachgang des fürchterlichen Le-Mans-Rennunfalls 1955 den sogenannten "Racing Ban" und damit ein Rennsportverbot für sämtliche Konzernmarken verhängt hatte. Pontiac-Boss John Zachary DeLorean stellte mit der GTO-Version des Pontiac Tempest Le Mans 1964 ein sportliches Coupé vor, das anschließend als eigenständiges Modell die Pontiac-Palette bereicherte. Motorisiert war der GTO stets mit dem größten V8 aus der GM-Midsize-Palette, der im jeweiligen Jahr gerade verfügbar war. Anfangs waren das 389 cui oder 6,4 l Hubraum und 325 respektive 348 PS (239 bzw. 256 kW) Leistung, 1967 schließlich 400 cui (6,6 l) und Leistungen von 255 in der Sparvariante sowie 335 und 360 PS (188, 246 und 265 kW).
Gerne wurde der Pontiac GTO von seiner Kundschaft aber nicht in der Automatik-Version (Alles zu Automatikgetrieben), sondern mit dem Muncie-Viergang-Schaltgetriebe geordert. Immerhin versprach der GTO Power und Sportlichkeit – da passte ein Schaltgetriebe dann doch viel besser, so wie auch bei unserem Testfahrzeug, das uns freundlicherweise von Oldschool Custom Works, einem auf Restaurierung und Service von US-Cars spezialisierten Fachbetrieb in Weinstadt bei Stuttgart, zur Verfügung gestellt wurde. So verschieden der Pontiac GTO und das Opel Diplomat A V8 Coupé allein schon in puncto Konzeption sind, so unterschiedlich sind denn auch die Fahrimpressionen, die wir mit ihnen auf der Schwäbischen Alb sammelten. Absolute Wohlfühlatmosphäre verströmt der Opel mit seiner gediegenen, luxuriösen Ausstattung und Sitzen, die in Sachen Komfort jedem britischen Clubsessel das Wasser reichen können.
Tolle Laufkultur trifft auf Power ohne Präzision
Und dann ist da noch sein V8-Triebwerk, das in Sachen Laufkultur zum Besten zählt, was wir an fossilen Treibsätzen aus jenen Tagen je pilotieren durften - mit tollem Ansprechverhalten, absolut ausreichendem Bums und einem wohlerzogenen, sehr dezenten V8-Wummern. Mit diesem Wagen nach Sizilien zum Baden fahren? Kein Problem. Fahrkomfort, Geräuschniveau und Sitzposition sind so, wie wir es von einem luxuriösen Langstreckenauto erwarten. Hinzu kommen ein bemerkenswert präzises Lenkgefühl und Bremsen, die ihre Wirkung nicht schuldig bleiben. Von gänzlich anderem Geblüt ist dagegen der Pontiac GTO.
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Allein der Startvorgang beweist, dass wir es mit einem brachialen US-Sportgerät zu tun haben. Mit voller Wucht schmeißt sich das Starterritzel ins Zeug, und Sekundenbruchteile später bebt die Erde. Dabei erfüllen kurze Gasstöße den Innenraum mit einem unvergleichlichen Ansauggeräusch, gerade so, als schlürfe jemand mit schneller Zunge einen Suppenteller leer. Beim GTO bekommt das Wort Gemischaufbereitung eine hörbare Qualität, und auch Schaulustige in der näheren Umgebung des GTO dürfen am furiosen V8-Konzert teilhaben – dafür sorgen die beiden dezent unter die Chromstoßstange geführten Endrohre.
Fahrdynamisch betrachtet ist beim Umgang mit dem amerikanischen Heavy Metal indes ein gewisser Respekt geboten. Einmal eingekuppelt und beherzt aufs Gas getreten, schnalzen die gut 1,6 t des Pontiac GTO nämlich sehr beherzt voran und fordern nur wenig später den zweiten Gang, der sich im durchaus präzise zu schaltenden Viergang-Getriebe mühelos einlegen lässt. Auch im Zweiten wird das Drehmomentgebirge abgeritten, dass es eine wahre Freude ist, und die Tachonadel des GTO eilt flugs über die Skala. Einen Drehzahlmesser gibt es nicht. Weniger gefällig ist die leidlich präzise Lenkung, die wie bei vielen US-Cars ordentlich Spiel aufweist und eine gewisse Eingewöhnung braucht. Gleiches gilt für die Bremsen, die den Pontiac vergleichsweise mäßig verzögern und eine vorausschauende Fahrweise einfordern. Aber so diplomatisch sind wir beim GTO ohnehin.
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Technische Daten von Opel Diplomat V8 Coupe & Pontiac GTO
Classic Cars 01/2015 | Opel Diplomat V8 Coupé | Pontiac GTO |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 8/2 | 8/2 |
Hubraum | 5354 cm³ | 6554 cm³ |
Leistung | 169 kW/230 PS 4700/min | 246 kW/335 PS 5000/min |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 427 Nm 3100/min | 598 Nm 3400/min |
Getriebe/Antrieb | 2-Stufen-Automatik/Hinterrad | 4-Gang-Getriebe/Hinterrad |
L/B/H | 4948/1902/1432 mm | 5248/1897/1351 mm |
Leergewicht | 1610 kg | 1656 kg |
Bauzeit | 1965-1967 | 19765-1967 |
Stückzahl | 347 | 65.176 (Hardtop-Coupé) |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 9,5 s | ca. 7 s |
Höchstgeschwindigkeit | 206 km/h | über 200 km/h |
Verbrauch auf 100 km | ca. 20 l S | ca. 20 l S |
Grundpreis (Jahr) | 25.500 Mark (1965) | 2871 US-Dollar (1967) |
Welcher der beiden V8-Boliden mir besser gefallen hat, für welchen ich mich entscheiden würde, möchten Sie wissen? Als eingefleischter V8-Fan würde ich mir glatt beide auf den Hof stellen: Das edle Opel Diplomat A V8 Coupé für stilvolle Lustreisen in toskanische Weingüter und den Pontiac GTO, um hin und wieder mit kindlicher Begeisterung den Asphalt vor dem Supermarkt meines geringsten Misstrauens in Falten zu legen. Samt fetter gepflegter Donuts, versteht sich. Während ich das Diplomat A V8 Coupé in perfektem Zustand gerade so direkt von Opel Classic übernehmen könnte, müsste Oldschool Custom Works bei meinem GTO indes schon noch etwas Hand anlegen: Große Scheibenbremsanlage rundum, knackiges Fahrwerk, dazu eine gelinde Motorüberarbeitung auf, sagen wir mal, 500 PS (368 kW) und, bitte, eine schöne, spielfreie Lenkung dazu.