Als kleiner Freund fuhr sich der Renault 5 Supercinq in die Herzen der meist weiblichen Fans – kann er auch heute noch überzeugen?
Eine Prise Revoluzzertum, dazu ein handfester Familienkrach und sportliche Attitüden sowie ein glamouröser Designer – die DNA der französischen Kleinwagenikone Renault Super 5, der zweiten Generation des Renault 5, wird von einer gehörigen Portion Drama bestimmt. Und kann ohne die Genese des Vorgängers nur unzureichend erklärt werden. Begeben wir uns daher auf eine Reise zurück in die späten Sechziger-Jahre, in denen die Zeichen auf Umbruch stehen. Ausgehend von den USA über den Prager Frühling bis zu den studentischen Protesten in Paris 1968 stellen soziale Bewegungen tradierte Werte infrage. Ein Mann hat den Riecher am Puls der Zeit: Bernard Hanon. Der Marketingmanager erkennt während seiner Lehrtätigkeit in den USA, dass die Jungen auf die konservativen Werte ihrer Eltern pfeifen und ein frischer Zeitgeist anbricht.
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Der Renault Rafale (2024) im Fahrbericht (Video):
Ratgeber: So einen Renault 5 Supercinq kaufen
1967 skizziert Hanon seinem neuen Arbeitgeber Renault France die Idee eines nonkonformistischen Autos – noch bevor die große Revoltewelle durch Europa rollt. Zwei aufkommende Phänomene stützen Hanons Vorschlag: Zweitwagen sowie die Zunahme junger und vor allem weiblicher Besitzerinnen. Renault-Chef Dreyfus gibt grünes Licht für das Projekt 122, den späteren Renault 5. Aufbauend auf der Technik des Renault 4 – doch viel hübscher. Der R5 fällt mit 3,50 m Länge derart kurz aus, dass Mademoiselle selbst in den engen Gassen von Paris nirgendwo aneckt. Frontmotor und üppiger Radstand ermöglichen ein erstaunlich luftiges Interieur sowie ein sicheres Fahrverhalten. Weiche Formen prägen den 1972 erscheinenden R5, für die sein Designer Michel Boué die üblichen Blechstoßstangen durch integrierte Kunststoff-Pendants ersetzt. Dass diese zudem kleine Parkrempler sorglos verkraften, ist ein gern genommenes Zubrot.
Die praktische Fünftürvariante verhindert anfangs ausgerechnet der Kooperationspartner Peugeot – aus Sorge um den geplanten 104 mit vier seitlichen Portalen. Dreyfus gibt nach und kann dafür eine große Heckklappe beim Konkurrenten aus Sochaux vereiteln. Ein kluger Schachzug, bietet der R5 doch mit seinem Fond-Portal und umlegbarer Rückbank mehr als andere Kleinwagen. Der Neue von Renault avanciert zum Bestseller, mehr als 5,5 Mio. Einheiten werden verkauft. Doch in den 1980ern nimmt der Gegenwind von Peugeot 205, Ford Fiesta, VW Polo & Co. zu, die Zeit ist reif für einen Nachfolger: den Renault Super 5, der 1984 an den Start geht. Bildhübsch gezeichnet nimmt er Anleihen am Urmodell, wirkt dabei aber moderner und dynamischer. Kein Geringerer als Marcello Gandini, bekannt durch Ikonen vom Schlag eines Lamborghini Miura oder Countach, zeigt sich für die Linienführung verantwortlich.
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Neue Motoren, neues Fahrwerk und mehr Platz
Innen bietet der Renault 5 Supercinq deutlich mehr Raum als bisher. Länge und Breite wachsen dafür um sechs Zentimeter, der Motor wurde von Längs- auf Quereinbau umgestellt. Die R4-Technik kommt zum Altenteil, der neue R5 baut auf der R11-Plattform auf – mit McPherson-Federbeinen und Scheibenbremsen vorn. Das Motorenportfolio macht die Zeitenwende des kleinen Freunds besonders deutlich: Neben den Cléon-Fonte-Motoren (OHV) mit 1,0 bis 1,5 l Hubraum und 42 PS (31 kW) bis 72 PS (53 kW), die schon beim R4 zum Einsatz kamen und bis zur Dauphine zurückreichen, sind ab 1986 auch moderne OHC-Fonte-Motoren mit 1,7 l Hubraum und 73 PS (54 kW) oder 89 PS (65 kW) verfügbar. Die Zahnriemen-Aggregate werden abgewandelt bis heute eingebaut. Darüber positioniert Renault die Sportmodelle GTE (1,7 l; 94PS/69 kW, 96 PS/71 kW) ) und GT Turbo (1,4 l; 115 PS/85 kW,120 PS/88 kW) mit unter anderem sportlich abgeschmecktem Fahrwerk und einem entsprechenden Karosseriekit. Der Vollständigkeit halber sei auch der Diesel erwähnt, der heute aber keine Rolle mehr spielt.
Wie schon der Vorgänger wird auch der Supercinq anfangs als Dreitürer gefertigt und der sechs Zentimeter längere Fünftürer im Sommer 1985 nachgereicht. 1996 fällt der Vorhang für die Renault 5-Baureihe nach 3,5 Mio. gebauten Supercinq – um nun von einem elektrischen R5 wieder hochgezogen zu werden. Doch das ist eine andere Geschichte. Heute kann die Supercinq-Familie in zwei Lager geteilt werden: die Brot-und-Butter-Modelle, die brav und leidenschaftslos ihren Dienst verrichteten und ohne größere Zuwendung gnadenlos verbraucht wurden, und die Dynamiker. Bereits in der 70-PS-Klasse kann der R5 aufgrund seines geringen Gewichts unterhaltsame Fahrmomente servieren. Zudem erfuhren die potenteren Versionen in der Regel mehr Pflege als die Einstiegsmodelle und sind erstaunlich günstig in Anschaffung sowie Unterhalt. Mehr davon? Bitteschön: Ganz oben locken GTE und GT Turbo mit Fahrspaß der Extraklasse, sie sind für den Motorsport geradezu prädestiniert.
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Rost ist nur ein kleines Problem des R5
Der Supercinq hat das Zeug zum Einstiegs-Klassiker. Citypraktisch kompakt bietet er Platz für Kind und Kegel, serviert ein freudvoll-sicheres Fahrverhalten, zeigt rundrum gute Manieren. Sein Motorenportfolio? So abwechslungsreich wie empfehlenswert: rudimentär, souverän oder sportlich – hier ist für jeden etwas dabei. Rost hat weniger Chancen als beim Ur-R5. Günstig bei Anschaffung, Unterhalt und Ersatzteilen ist er dazu – vom GT Turbo einmal abgesehen. Dazu gibt es eine schrauberfreundliche Technik, die auch Noviz:innen nicht verschreckt. Was will man mehr?
Gilt die erste R5-Generation als übler Roster, so zeigt sich der Supercinq beim Thema Korrosion eher unauffällig. Zumindest bis 1989, danach wurden auch Bleche minderer Qualität verarbeitet. Überprüfen sollte man die Scheibenrahmen vorn und hinten, Hauben, Schweller, Wagenheberaufnahmen, Einstiege und Seitenteile. Und den Renault-Klassiker: die Hinterachsaufnahme. Die gute Nachricht: Alle Motoren gelten als langlebig und robust, erreichen mit ein wenig Pflege 200.000 km und mehr. Das gilt insbesondere für die OHV-Triebwerke mit Steuerkette.
Die Preise halten sich auf E-Bike-Niveau
Lediglich der Turbo ist systembedingt etwas sensibler, aber immer noch händelbar. Diesel und 1.1 bieten wenig Temperament, die 1.4 und 1.7 mit Einfachvergaser sind solide Dauerläufer. Registervergaser bringen bei beiden Motoren Fahrspaß, sind in der Einstellung aber diffiziler und neigen zum Verzug. Beim 1.7 mit 73 PS (54 kW) und Zentraleinspritzung ärgert das AGR-Ventil. Keine Probleme gibt es auf Seiten der Handschaltboxen, die Automatik-Getriebe aber sind wenig standfest. Fensterheber sind immer ein Thema – ganz gleich ob manuell oder elektrisch. Auch das Heizungsbedienteil ist ein typischer Schwachpunkt, die Kunststoffaufnahmen der Züge brechen.
Verschleißteile sind oft kein Problem, bei der Innenausstattung sieht es jedoch mau aus. Generell gilt: Die Verfügbarkeit ist für starke Renault 5 besser als für die Basis-Motorisierungen. Was die Kosten anbelangt, sieht die Situation wie folgt aus: Kleinwagen sind weniger gefragt, viele haben den Renault 5 Supercinq nicht auf dem Schirm. Das führt zu Preisen, die mit denen von E-Bikes konkurrieren: Los geht es für Exemplare mit mindestens einem Jahr TÜV bei rund 2000 Euro, selbst gute und stärkere Modelle liegen im Bereich zwischen 5000 und 8000 Euro. Nur der GT Turbo kostet fünfstellig.
Technische Daten des Renault 5 Supercinq
Classic Cars 09/2024 | Renault 5 Campus | Renault 5 GTE | Renault 5 Turbo |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 4/2 | 4/2 | 4/2; Turbo |
Hubraum | 1397 cm³ | 1721 cm³ | 1397 cm³ |
Leistung | 43 kW/58 PS | 69 kW/94 PS | 85 kW/115 PS |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 100 Nm 3000/min | 140 Nm 3000/min | 165 Nm 3000/min |
Getriebe/Antrieb | 5-Gang-Getriebe/Vorderrad | 5-Gang-Getriebe/Vorderrad | 5-Gang-Getriebe/Vorderrad |
L/B/H | 3592/1596/1397 mm | 3592/1596/1367 mm | 3592/1596/1367 mm |
Leergewicht | 800 kg | 835 kg | 830 kg |
Bauzeit | 1988-1991 | 1986-1991 | 1985-1989 |
Stückzahl | 3.464.217 (ges.) | 3.464.217 (ges.) | 3.464.217 (ges.) |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 14 s | 9,3 s | 8 s |
Höchstgeschwindigkeit | 158 km/h | 183 km/h | 204 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 6,8 l S | 7,9 l S | 7,3 l S |
Grundpreis (Jahr) | 14.990 Mark (1989) | 21.490 Mark (1987) | 21.490 Mark (1987) |
Kaum zu glauben: Auch die letzten Renault 5 kommen mittlerweile ins H-Kennzeichen-fähige Alter. Der Supercinq darf die Nebenrolle, die Kleinwagen in der Klassikerszene spielen, getrost infrage stellen, lockt er doch mit überzeugenden Argumenten: Sparsamkeit und Praktikabilität im Alltag treffen hier auf Reparaturfreundlichkeit und robuste Technik. Selbst im Korrosionskapitel leistet sich der Franzose keine übermäßigen Patzer. Den Brot-und-Butter-Varianten wird eher der Laissez-faire der Vorbesitzer:innen zum Verhängnis. Die Sportmodelle sind in der Regel kundiger gewartet und servieren selbst nach heutigen Maßstäben reichlich Fahrspaß. Der GTE ist robuster, sparsamer und günstiger als der GT Turbo – und unsere Empfehlung.