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Geht auch ganz einfach:

50 Jahre Bitter CD: Auf Erichs Spuren

Eine Zeitreise mit dem Bitter CD

Christian Steiger Freier Mitarbeiter
Inhalt
  1. Promis und der
Bitter CD gehören zusammen
  2. Die Story von Bob und Erich
  3. Porsche machten den Bitter zum Bitter
  4. Der Bitter Vero sollte die Marke flottmachen
  5. Bitter hatte gute Ideen, doch zu wenig Kapital
  6. Technische Daten des Bitter CD

"Ich will ein schönes und schnelles Auto", sagt Erich Bitter. "Aber ich will auch einsteigen und losfahren können." Genau das machen wir zum 50-jährigen Jubiläum des famosen Bitter CD.

Wir könnten in einem Rutsch nach Rom fahren, dem Bitter CD wäre es recht. Nach Paris, nach Monaco oder Madrid, überall dahin, wo sie ihn vor 50 Jahren für einen Maserati Indy halten, gar kein Problem. Aber die wahre Geschichte des Bitter CD spielt in der deutschen Provinz. Dort, wo er auf die Leute damals tatsächlich wirkt wie ein Ding aus einer anderen Welt. Wer ihn, seinen Erbauer und ihre gemeinsame Geschichte verstehen will, muss sich auf ein Roadmovie der alten Bundesrepublik einlassen. Und Ortsschilder lesen, auf denen Rüsselsheim, Schwelm oder Kamen steht.
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Promis und der
Bitter CD gehören zusammen

Ein langer Sommertag auf der Piste wird deshalb reichen, um ihm zum 50sten zu gratulieren. Selbst dann, wenn die Reise im tiefsten Niedersachsen beginnt. Der Bitter CD mit der Seriennummer 292 ist kein Museumsstück, obwohl er dem PS.Speicher in Einbeck gehört, sondern ein gut eingefahrenes Exemplar, mit dem Freund:innen der riesigen Sammlung auch bei der hauseigenen Oldtimer-Rallye an den Start gehen dürfen. Wie viele Bitter hat er einen prominenten Erstbesitzer, nämlich Mal "Em-Ej-El" Sondock, den legendären WDR-Discjockey, der auch den Schlagersänger Michael Holm entdeckt. Im Lauf unserer Spurensuche erfahren wir, warum in den Siebzigern so viele Stars und Sternchen im CD sitzen. Ein Zufall ist das nicht, obwohl Zufälle in der Geschichte von Bitter keine geringe Rolle spielen.

Ein goldgelber Abend auf der A1, der Tank ist voll, wir cruisen in moosgrünen Velourssitzen nach Süden. Eine Schlagerkassette von Arcade oder K-Tel, die sich in den Schacht des originalen Becker Marburg schieben ließe, ist leider nicht zur Hand, obwohl sie gut zur Geschichte des silbernen Coupés passen würde. Den Sound macht das ferne Rauschen des Small-Block-V8, dessen Kurbelwelle sich bei Tempo 130 mit 3000 Umdrehungen in ihren Lagern wälzt. Windgeräusche gibt es dagegen fast keine, auch die Karosserie lässt in ihren Tiefen kein Knirschen oder Knacksen vernehmen. Für Kenner:innen hochpreisiger Kleinserien-Autos ist das 1974 so erstaunlich wie für Klassikerfans von heute, denn so viel gepflegte Ruhe sind sie von ihren Manufakturmodellen nicht gewohnt. Auch die ebenmäßigen Karosseriefugen des Bitter fallen den Feinwagen-Kaufenden damals ins Auge.

Bitter CD mit Auto Christian Steiger im Innenraum
Foto: Hardy Mutschler

Und natürlich das dicke, weiche Leder, das der Newcomer verwendet, um das Opel-Cockpit standesgemäß zu verpacken und das Gepäck im Kofferraum vor den Blicken der Gaffer zu verbergen. Ja, es gibt tatsächlich ein rindsledernes Rollo. Und Edelholz-Intarsien, tief glänzend wie im Rolls-Royce. Allein der schwere Metall-Aschenbecher auf der belederten Mittelkonsole des CD verschlingt 15.000 Mark Entwicklungskosten. Erich Bitter hat einen sicheren Sinn für edle Materialien, auch das gehört zum Geheimnis seines Autos. Als deutscher Alleinimporteur der italienischen Sportwagenmarke Intermeccanica ist er in den Sechzigern oft genug von Schwelm nach Turin gefahren, "nur um die Schrauben richtig anzuziehen", wie er später sagen wird.

 

Die Story von Bob und Erich

Die ganze Wahrheit ist viel schlimmer: "Wenn es bei einem Intermeccanica reinregnete, sagten die nur: Bohr halt ein Loch rein", erinnert sich Erich Bitter später. Auch verlorene Vorderachsen kommen vor – und thermische Probleme des amerikanischen Ford-V8. Der Jungunternehmer ruft deshalb bei Bob Lutz an, dem damaligen Opel-Verkaufsvorstand. "Bob, kannst du mir einen Motor verkaufen? Und eine Vorderachse?", fragt Bitter. Beide sind fast gleichaltrig, sie teilen sich ihre Leidenschaft für den Motorsport. Es dauert nicht lange, und sie entwickeln die Pläne eines Gran Turismo mit der Technik des Opel Diplomat V8. Ein exklusiver Image-Beschleuniger hat Opel gerade noch gefehlt. Mit dem GT, dem Manta und dem Commodore gibt die Marke um 1970 richtig Gas. Der Bitter CD passt perfekt zur neuen, frischen Philosophie der Marke, deshalb steht er auf der IAA 1973 gleich neben dem nagelneuen Kadett C
Coupé und dem Rallye-Ascona, mit dem der junge Walter Röhrl die ersten Siege abräumt.

Es ist die erste IAA der Siebziger, denn der große Autozirkus auf dem Frankfurter Messegelände hat 1971 pausiert. Und jetzt schieben sich fast 800.000 ausgehungerte Autofans durch die Hallen. Noch im Frankfurt von heute ist der Bitter CD ein Blickfänger, obgleich er etwas fragil wirkt zwischen den vielen schwarzen AMG und den Zweieinhalb-Tonnen-SUV. Auch die runde Festhalle von 1909 sieht zwischen den Wolkenkratzern der jüngeren Geschichte nicht mehr nach Monumentalbau aus. Aber sie steht noch, anders als die alte Halle 5, in denen sich die Massen damals um den metallicroten CD drängeln. Am Ende der Messe ist sein Erbauer nicht weniger als der jugendliche Held der IAA: Mit 176 Kaufverträgen in der Tasche kann er bei Baur in Stuttgart die Kleinserie anlaufen lassen. Die Geschichte ist typisch für Erich Bitter, seine kleine Marke und ihre Achterbahnfahrt durch die Autogeschichte. Denn kurz nach der IAA sind die meisten Bestellungen wieder storniert: Die Ölkrise verdirbt selbst den Schönen und Reichen den Appetit auf einen neuen Achtzylinder. Erich Bitter setzt sich in den CD und klappert wie ein Vertreter die Promis ab.

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Porsche machten den Bitter zum Bitter

Mit einem trickreichen Finanzierungsmodell macht er ihnen sein Auto schmackhaft: Neuwagen gegen Bankbürgschaft. Wer unzufrieden ist, kann das Coupé gegen Zahlung von 1000 Mark zurückgeben. "Aber alle behielten ihn", sagt Erich Bitter später im Rückblick. Heino und Howard Carpendale fahren Bitter, Rosi Mittermaier und Ireen Sheer, Paul Breitner und Bernd Hölzenbein. Je nach Quelle sind es 76, 95 oder über 100 Autos, die Erich Bitter auf diese Weise loswird. Dass er gut mit den VIP kann, liegt nicht an seiner Herkunft – die ist eher bürgerlich. Doch als junger Rennfahrer bewegt er sich unter den Großen. Carlo Abarth ist ein enger Freund, er feiert mit Jo Siffert und Jochen Rindt. Und seinen eigenen Namen traut sich Bitter erst auf den CD zu schreiben, als ihn Ferry Porsche dazu ermutigt. "Porsche", sagt Herr Porsche, "klingt doch auch nicht besser."

Auch der Nürburgring spielt deshalb eine Rolle in der Bitter-Geschichte. Für den Menschen von heute ist es außerdem vergnüglich, mit welcher Leichtigkeit der silberne CD die Hügel der Eifel plättet. Damals fliegt sein Erbauer zweimal auf der Nordschleife ab, um sich danach auf seine kaufmännische Karriere zu konzentrieren. Im Abarth 1300 OT überschlägt sich Bitter 1967 im Bereich Ex-Mühle, ist dann eingeklemmt und wartet ewig auf den ratlosen Streckenposten, der ihm ein banges "Ist da wer?" entgegenruft. Zwei Jahre später kachelt er im Abarth 2000 beim Brünnchen in den Wald und schafft es in letzter Minute, den Gurt des brennenden Autos zu lösen. Bitterböse Pointe: Eigentlich will Erich Bitter nach dem Rennen eine Werbeveranstaltung für die feuerfesten Overalls abhalten, die er in seiner Firma vertreibt.

Copyright: Bitter
 

Der Bitter Vero sollte die Marke flottmachen

Natürlich kennt Martin Wilhelm die Geschichte. "Es gab auch böse Zungen, die behaupteten, er hätte den Crash selbst verursacht. Wegen der Reklame." Den passenden Overall bewahrt der Kfz-Sachverständige aus Kamen in seiner Garage auf – mit Unterschrift von Erich Bitter. Vieles im Leben von Martin Wilhelm dreht sich um den Autobauer. Im Flur seines Hauses hängen sogar Landschaftsbilder, die Erich Bitter gemalt hat. "Der Erich ist ein bisschen wie ein Familienmitglied", sagt Martin Wilhelm. Eines, um das er und seine Freunde vom Bitter-Club International trauern. Gemeinsam mit Erich Bitter wollen sie im August 2023 dessen 90. Geburtstag feiern. Der alte Herr gibt kurz zuvor noch Interviews, er spricht druckreif und erinnert sich bis in kleinste Details. Doch dann, am 10. Juli 2023, bricht Erich Bitter ganz unerwartet zu seiner letzten Reise auf.

Martin Wilhelms Garagen enthalten die Werkschau seines Schaffens. Natürlich gehört seit fast 30 Jahren ein CD dazu. Daneben parkt ein SC, der Nachfolger, dessen Produktion 1989 endet, als Bitters Geschäftsführer das Unternehmen im betrügerischen Konkurs versenkt. Eines von vier Type 3 Cabriolets berichtet von Erich Bitters vergeblichem Versuch, einen Roadster auf Basis des Omega A zu bauen. Und dann gibt es auch den Vero von 2008, einen veredelten Holden Statesman aus Australien, der letzte Versuch Bitters, seine Marke noch einmal flottzumachen. Mit dem CD hat das nicht mehr viel zu tun.

Copyright: Hardy Mutschler
 

Bitter hatte gute Ideen, doch zu wenig Kapital

Doch eine Gemeinsamkeit gibt es, deshalb führt die Spurensuche zurück nach Süden. In Rüsselsheim wartet ein fröhlicher Mann mit weißen Haaren, der die gesamte Bitter-Geschichte begleitet hat. Vollgas, auch wenn es nicht wirklich zum kultivierten Wesen des CD passt. Doch George Gallion hat nicht nur den Schatz seiner Anekdoten dabei, sondern auch eine Ledertasche voller Designskizzen. "Ich bin nicht gut im Wegwerfen", lächelt der 86-jährige Gestalter des CD. Und dann zeigt er nicht nur, was die Marke Bitter war, sondern auch, was sie hätte werden können. Große Cruiser, kleine Roadster, eine elegante Limousine ohne B-Säule: Über all das hat der langjährige Opel-Designer mit seinem Freund Bitter nachgedacht. "Er hatte immer gute Ideen", sagt Gallion, "aber leider nie genug Kapital."

Copyright: Hardy Mutschler

Noch in den Nullerjahren sitzen sie zusammen und wollen die Corvette zum luxuriösen Gran Turismo machen, einem würdigen Nachfolger des CD. Auch Bob Lutz ist wieder dabei, er sitzt damals im GM-Vorstand und gibt der Idee grünes Licht. "Gutes Heck! Einfach zu produzieren. EB", notiert Erich Bitter an den Rand einer Gallion-Skizze. Und das Datum: 13. Juli 2006. Dann steht Gallion auf, um seine Lieblings-Details des CD zu zeigen. "Wir wollten eckige Linien, keine runden Flächen. Die große Heckscheibe und eine breite Spur waren gesetzt. Am meisten haben wir über die Form der Radausschnitte diskutiert, einig waren wir uns über das glatte Heck: Es sollten viele Heckleuchten-Varianten möglich sein." 50 Jahre sind ein Tag, wenn George Gallion von damals erzählt. Am Ende ist es leicht, den Bitter CD zu verstehen. Er muss nicht nach Rom fahren, nach Paris oder Madrid. Es reicht, wenn er als Skulptur in einer Rüsselsheimer Werkhalle steht. Das letzte Wort hat deshalb der Designer: "Er ist eines der schönsten Autos aller Zeiten. Weil er so einfach und doch so perfekt ist."

 

Technische Daten des Bitter CD

Classic Cars 08/2024Bitter CD (Nr. 289)
Zylinder/Ventile pro Zylin.8/2
Hubraum5354 cm³
Leistung169 kW/230 PS
Max. Gesamtdrehmoment bei419 Nm 3100/min
Getriebe/Antrieb3-Gang-Getriebe/Hinterrad
L/B/H4855/1845/1285 mm
Leergewicht1745 kg
Bauzeit1974-1980
Stückzahl395
Beschleunigung
null auf 100 km/h
10 s
Höchstgeschwindigkeit215 km/h
Verbrauch auf 100 kmk.A.
Grundpreis (Jahr)58.400 Mark (1974)

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