Volvo: Das Erfolgsgeheimnis der Marke erklärt
Höhenflug mit Hindernissen
Volvo erzielt einen neuen Absatzrekord und fährt stabile Gewinne ein. Auch der Umstieg zur Elektromobilität gelingt der Marke schneller als den deutschen Herstellern. Liegt es am chinesischen Eigentümer Geely? Eine Analyse.
Premiummarken aus dem übrigen Europa haben es nicht leicht: Seit Jahrzehnten stehen sie weltweit im Schatten der drei großen deutschen Hersteller Audi, BMW und Mercedes. So konnte Alfa Romeo 2023 global nur 68.000 Neuwagen absetzen, Jaguar 64.000. Lediglich Volvo hat es bisher geschafft, gegenüber der starken deutschen Konkurrenz nicht unterzugehen. Ganz im Gegenteil: Die Marke verbuchte im Vorjahr mit 708.716 Verkäufen einen neuen weltweiten Absatzrekord. In Deutschland wuchs Volvo 2023 mit einem Plus von 22 Prozent sogar dreimal so stark wie der Neuwagenmarkt. Damit lässt Volvo die Verkaufseinbrüche der Corona-Jahre hinter sich und setzt seinen Wachstumskurs fort. So steigerte Volvo seine globalen Verkäufe seit 2010 um 90 Prozent.
In jenem Jahr wurde die Traditionsmarke vom chinesischen Geely-Konzern übernommen. Damals stand Volvo am Abgrund: Der Autobauer schrieb Verluste, Eigentümer Ford wollte seine ungeliebte Tochter möglichst schnell loswerden. Da trat die völlig unbekannte chinesische Billigmarke Geely auf den Plan und übernahm Volvo für umgerechnet rund 1,3 Mrd. Euro. Was viele Expert:innen nicht für möglich hielten: Das ungleiche Duo ergänzte sich optimal. Und so erwirtschaftet Volvo seit Jahren solide Gewinne und erzielte 2023 unterm Strich ein Plus von 1,79 Mrd. Euro. Selbst in den schwierigen Corona-Jahren konnte sich Geely über die Volvo-Überschüsse freuen.
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Den Erfolg erklärt: Volvo deutlich weniger von China abhängig
Überraschend: Im Gegensatz zu den deutschen Premiummarken ist Volvo weniger stark vom chinesischen Automarkt abhängig. Während Audi, BMW und Co. über ein Drittel ihrer Neuwagen in der Volksrepublik verkaufen, sind es bei Volvo nur 24 Prozent. Zudem hat Volvo in der zurückliegenden Dekade an der Globalisierung ihrer Produktion gearbeitet. Heute kommen Volvo nicht mehr nur aus Skandinavien, sondern ebenfalls aus den USA und China. Auf diese Weise kann der Hersteller auch auf die drohenden neuen Zölle zwischen der EU, der Volksrepublik und den USA reagieren: So wird etwa der Volvo EX30, der aktuell in China produziert wird, ab 2025 zusätzlich auch im belgischen Gent gefertigt.
Die Gründe für den Erfolg von Volvo sind vielfältig: Zum einen lässt Geely den Schweden im Gegensatz zu Vorbesitzer Ford viel strategischen Spielraum. Zum anderen hat der Hersteller eine Meisterschaft darin entwickelt, aus wenigen technischen Ressourcen das Maximum an Fahrzeugen herauszuholen. So kam die neue Volvo-Generation ab 2015 mit lediglich einer Plattform und zwei Vierzylindern aus – einem Diesel und einem Benziner. Reichte deren Leistung nicht aus, erhielt das jeweilige Modell als Hybrid einen zusätzlichen Elektromotor. Und allen Kritiker:innen zum Trotz litten die Volvo-Verkäufe obendrein nicht unter dem Wegfall der Sechs- und Achtzylindermotoren.
Die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit konsequent angegangen
Parallel dazu erweiterte Volvo sein Image als eine der ersten Automarken konsequent um die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit: Bereits 2017 kündigte die Marke an, komplett auf Diesel zu verzichten. Der letzte Selbstzünder-Volvo lief 2024 vom Band. Schon seit 2020 gibt es in jeder Baureihe mindestens einen Plug-in-Hybrid. Ab 2030 sollen dann nur noch rein elektrische Volvo gebaut werden. Und die Kundschaft honoriert den Weg zur Elektromobilität: In den ersten fünf Monaten 2024 entfielen von den globalen Verkäufen satte 23 Prozent auf vollelektrische Modelle, weitere 21 Prozent auf Plug-in-Hybride. Damit ist Volvo deutlich weiter als BMW, Mercedes & Co.
Den Erfolg der E-Mobilitäts-Offensive bei Volvo soll das neue Topmodell EX90 krönen. Doch die Produktion des großen SUV verzögerte sich um über ein Jahr. Grund sind massive Probleme bei der ersten Software-definierten Plattform-Architektur der Marke, intern SPA2 genannt. Erst im Juni 2024 konnte die Serienfertigung in Charleston in den USA anlaufen. Weniger Schwierigkeiten gibt es bei Volvo-Neuheiten, die auf Geely-Plattformen basieren, etwa beim EM90. Der erste Van in der beinahe 100-jährigen Geschichte Volvos ist bislang nur für den chinesischen Markt vorgesehen. Doch er zeigt exemplarisch, welche Chancen Volvo im Verbund mit Geely hat: Innerhalb kurzer Zeit kann der schwedische Autobauer auf neue Marktentwicklungen reagieren.
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Weltweit wichtiger ist allerdings der neue EX30, der auf der gleichen Geely-Plattform wie der Smart #1 steht. Das kleine Elektro-SUV soll ganz neue Käuferschichten erschließen. Sollte der EX30 Erfolg haben, würde Volvo das nächste Hindernis überwinden und sich einen lang gehegten Traum erfüllen: Seit Jahrzehnten versucht die Marke immer wieder, in den Segmenten unterhalb der Mittelklasse Fuß zu fassen. Doch die Volvo-Modelle 66, 440, C30 und V40 scheiterten allesamt.
Trotz schwieriger Startbedingungen im Vergleich zu den deutschen Premiummarken hat Volvo den Übergang zur Elektromobilität bisher erfolgreich beschritten. Die Marke hat ihr Image aus Sicherheit, Praktikabilität und klarem Design glaubhaft um Klimaschutz und Nachhaltigkeit ergänzt. Zugleich profitiert sie immer mehr von dem sich technisch schnell entwickelnden Mutterkonzern Geely. Weltweite Absatzrekorde und stabile Gewinne geben ihrer Strategie Recht. Doch nun steht mit dem EX30 der nächste Schritt an. Es bleibt abzuwarten, ob Volvo seine Erfolge jetzt auch in den unteren Volumensegmenten wiederholen kann.