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Geht auch ganz einfach:

Käfer 1302 S/Escort RS1600/Fulvia: Breitensportler der 70er

Reif für die Piste

Thomas Pfahl Leitender Redakteur Classic Cars
Inhalt
  1. Escort RS1600, Fulvia und Käfer 1302 S im Classic Cars-Vergleich
  2. Escort und Fulvia waren Teil einer Armada an Rallye-Autos
  3. Die Fulvia ebnete den Weg für spätere Rallye-Dominanz
  4. Der Salzburg-Käfer VW 1302 S kam von Luise Piëch
  5. Technische Daten von Ford Escort RS1600, Lancia Fulvia Coupé und VW 1302 S
  6. Fazit

Ihr Auftritt ist alles andere als dezent. Das war schon immer so: Wenn der VW Käfer 1302 S zum Rallye-Boliden wurde, zog er alle Blicke auf sich. Heute tritt er gegen zwei weitere Classic Cars-Legenden an: Ford Escort RS1600 und Lancia Fulvia Coupé.

Abgesehen vom knallgelben Lack ist der Ford Escort RS1600 von Martin Nowak zunächst das scheinbar unspektakulärste Auto in diesem Vergleich mit VW Käfer 1302 S und Lancia Fulvia Coupé. Tatsächlich verzichtet er auf breite Kotflügel oder das sportliche Dekor anderer RS-Modelle. Das macht ihn aber nicht weniger interessant: Der Escort ist ein wichtiger Bestandteil von Fords Motorsport-Historie. Plump gesagt: Während der Capri auf der Rundstrecke brillierte, war der Escort meist das Auto fürs Grobe, sprich: für Rallyes. Das in England entwickelte Basismodell sollte in seinem Herkunftsland den Anglia ersetzen, im restlichen Europa rundete er das in erster Linie von größeren Limousinen (P6/P7) dominierte Modellprogramm nach unten ab.

Auf der Rennstrecke dagegen hieß der Ford Escort RS1600-Vorgänger Lotus Cortina – und hatte sich dort einen hervorragenden Ruf eingefahren. Die sportliche Version des 1968 vorgestellten Escort bekam dann auch erst einmal dessen Twin-Cam-Motor. Dass der leistungsstarke Ford parallel zum Großserienmodell entwickelt wurde, sparte Kosten und vereinfachte die Homologation für den Einsatz im Motorsport. 1970 stellte Ford den RS1600 vor: das RS stand für "Rallye Sport", die 1600 für den Hubraum des von Cosworth entwickelten BDA-Motors (Belt Drive A-Series) mit zwei zahnriemengetriebenen Nockenwellen. Der Vierventiler basierte auf dem bewährten Kent-Triebwerk, das mit einem neuen Zylinderkopf ausgerüstet wurde. Es entstand der typische sonore Klang der frühen RS-Escort.
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Escort RS1600, Fulvia und Käfer 1302 S im Classic Cars-Vergleich

Viel wichtiger aber war die Performance des Ford Escort RS1600. Die ersten Erfolge im nationalen und internationalen Rallye-Sport ließen nicht lange auf sich warten. In Deutschland war der RS2000 populärer, der RS1600 war in erster Linie für den britischen Markt gedacht. Deshalb sind die meisten Fahrzeuge auch Rechtslenker – wie unser Foto-Exemplar. Das tief geschüsselte Dreispeichenlenkrad macht auf Anhieb klar, dass es hier kernig zur Sache gehen kann, die Batterie an Rundinstrumenten im Cockpit ist schon optisch eine Augenweide. Ein dezentes Grinsen lässt sich nicht vermeiden, wenn man in die leicht sportlich ausgeformten Sitze gleitet. Ja, sein dezenter Auftritt macht ihn zum Wolf im Schafspelz. Mit diesem Escort geht es nicht zum Wochenendeinkauf – und wenn, dann wird der Parkplatz im Drift erobert. Denn der Ford setzt auf das klassische Konzept: Motor vorn, Antrieb hinten, das Ganze kombiniert mit einem spürbar sportlicher ausgelegten Fahrwerk.

Ford Escort RS1600
Ohne das typische RS-Dekor wird der Escort zum Wolf im Schafspelz. Foto: Frank Ratering

Mit der direkten Lenkung und den kurzen Schaltwegen wird die Person am Steuer zu einer Einheit mit dem Ford Escort RS1600. Mit aus heutiger Sicht bescheidenen 100 PS (74 kW) begann die Sportler-Karriere des wegen seines Kühlergrills sogenannten "Hundeknochen". Im legendären Zakspeed-Capri kam der Motor gar mit 600 PS (441 kW) zum Einsatz. Angefangen von der Vergaserbestückung bis zur Hubraumerweiterung gab es reichlich Möglichkeiten, zusätzliche PS aus dem BDA-Motor zu kitzeln. Bei einem Leergewicht von unter 800 kg reichen aber auch die 115 PS (85 kW) aus dem RS1600 für ungetrübte Fahrfreude. Schnell wird klar, was die RS-Modelle der kleinen Ford-Limousine ausmacht: Sie lassen sich recht komfortabel bewegen, werden bei Bedarf aber auch zum wilden Tier. Die konsequente Entwicklung mit einigen – ursprünglich durch den Motor bedingten – Unterschieden unter dem Blech gegenüber den Basismodellen wird so in jeder schnellen Kurve spürbar. So mochten es damals auch Roger Clark & Co.

 

Escort und Fulvia waren Teil einer Armada an Rallye-Autos

Dass sich der Rallye-Sport in den 60er-Jahren einer überaus großen Beliebtheit erfreute, beweisen aus heutiger Sicht viele Autos jener Ära. Nachdem Lancia 1963 die Limousine der neuen Fulvia-Baureihe vorgestellt hatte, folgten zwei Jahre später zunächst das Coupé und dann der von Zagato gezeichnete "Sport". Pietro Castagnero hatte das filigran wirkende Coupé aufs Reißbrett gezaubert, das für die Marke erste Rallye-Meriten einheimsen sollte. Die kleinen Seitenscheiben machten deutlich, dass es sich hier um einen reinen Zweisitzer handelte, die geraden Linien streckten das an sich recht kurze Auto optisch. Spätestens mit dem 1968 vorgestellten Fulvia Coupé 1.3 S Rallye waren alle Zweifel an der Sportlichkeit ausgeräumt: Leichtbau traf hier auf 93 PS (68 kW).

Das war nur der erste Schritt: Nach wenigen Monaten legten die Italiener:innen das Lancia Fulvia Coupé 1.6 HF nach – mit nun 114 PS (84 kW), die auf Wunsch auf 132 PS (97 kW) hochgeschraubt werden konnten (Variante 1016). Doch die nüchternen Zahlen sind nicht alles: Lancia präsentierte unter der flachen Haube wieder einmal einen technischen Leckerbissen. Der "540"-Motor, erkennbar am gelben Ventildeckel, war quasi ein Vorreiter der später von VW gefeierten VR-Motoren. Der flache Winkel der Zylinder zueinander (13 Grad) machte den technisch als V4 ausgelegten Motor fast zum Reihenvierzylinder. Je eine kettengetriebene Nockenwelle war für die Ein- beziehungsweise Auslassventile zuständig, zwei Solex- oder Weber-Vergaser versorgten den kompakt bauenden Motor mit dem erforderlichen Gemisch.

 

Die Fulvia ebnete den Weg für spätere Rallye-Dominanz

Lancia Fulvia Coupé
Das lange Heck begeistert mit einer formschönen Abrisskante, das Endrohr brüllt das Lied vom Erfolg. Foto: Frank Ratering

Dass die Antriebseinheit um 45 Grad zur Seite geneigt im Motorraum untergebracht wurde, ist eine weitere Besonderheit der Lancia Fulvia. Der Vorderradantrieb arbeitet völlig problemlos Die Kraft wirkte auf die Vorderräder, was das Heck mit seiner blattgefederten Starrachse umso leichter werden ließ. Die Konstruktion kam erstaunlich gut klar mit der Motorleistung, weswegen die Fulvia nicht nur zum gefürchteten Gegner der Mini-Fahrenden wurde, deren Auto über ein ähnlich kompaktes Antriebssystem verfügte. Auch vor einem Porsche 911 brauchten Lancia Fulvia-Pilot:innen keine Angst zu haben, wie die Rallye-Teams zwischen 1969 und 1973 mehrfach bewiesen.

Diese Rallye-Gene sind auch im von der B & F Touring Garage (Troisdorf-Spich) vorbereiteten Auto auf jedem Meter zu spüren. Als Coupé hat die Lancia Fulvia ohnehin nur wenig Ambitionen, gemütlichen Reisekomfort zu bieten, und so präsentiert sie sich – nicht zuletzt akustisch – deutlich kompromissloser als der Ford Escort. Mit seinen sechs runden Scheinwerfern giert der Lancia förmlich nach der Nacht der langen Messer, der legendären Etappe durch die Dunkelheit der Rallye Monte Carlo. Der Beleuchtung verdankt die Fulvia 1.6 HF übrigens ihren Spitznamen: Fanalone – große Augen. Das spektakuläre Coupé sollte kein kurzes Leuchtfeuer in der Historie der Marke sein. Im Gegenteil: Es gab die Initialzündung für die jahrzehntelang anhaltenden Rallye-Erfolge der Italiener:innen.

 

Der Salzburg-Käfer VW 1302 S kam von Luise Piëch

VW Käfer 1302 S
Bis ein 1302 S zum Salzburg-Käfer wird, ist einiges an Investitionen und Arbeit nötig. Foto: Frank Ratering

Erfolge im Motorsport galten in den 60er-Jahren als gutes Marketing-Instrument. "Win on sunday, sell on monday", hieß es in den USA. Doch in Wolfsburg interessierte das niemanden. Die vom Amerikaner Hubert L. Brundage initiierte Formel V mit Käfer-Technik wurde im Prinzip erst im Nachhinein als Teil der Motorsport-Historie adoptiert. Der Bulli war ein Erfolg, der Käfer ein Selbstläufer, fürs Image gab es Karmann-Ghia, Typ 3 und Typ 4 rundeten die Modellpalette ab – das sollte reichen. Luise Piëch, Mutter von Ferdinand und Chefin von Volkswagen Österreich, werden die ersten Motorsport-Einsätze des Käfers zugeschrieben. Sie erkannte den Wert sportlicher Erfolge und wollte die Verkaufszahlen in der Alpenregion ankurbeln. Bei Porsche Salzburg – so der offizielle Name des Importeurs – entstand so Volkswagens erste Motorsport-Abteilung. Ersten Erfahrungen in der Formel V folgte unter der Leitung des neuen Sportchefs Kurt Sassarak der erste sportliche Käfer. Das Team homologierte als Ausgangsbasis das Automatik-Modell, dessen Schräglenker-Hinterachse höhere Kurvengeschwindigkeiten erlaubte.

Man experimentierte mit unterschiedlichen Vergasern, Fahrwerks-Abstimmungen und Ölkühlern, bis sich erste Erfolge einstellten. Mit Einführung der VW 1302 S- und 1303-Modelle kam der Durchbruch für die Salzburg-Käfer, die meist am rot-weiß-roten Streifen (österreichische Landesfarben) und der mattschwarzen Haube zu erkennen waren. Die "Salzburg-Replika" aus dem Fundus von Volkswagen Classic lässt erahnen, was damals auf den Rallye-Pisten los gewesen sein muss: Dieser 1302 ist kein Käfer mehr. Mit 136 PS (100 kW) statt ursprünglich maximal 50 PS (37 kW) ist er fast dreimal so stark, die breiten Räder und die konsequente Fahrwerks-Abstimmung ermöglichen ein neues Käfer-Gefühl. Wegen der bekannt kugeligen Form in Kombination mit dem krawalligen Outfit zunächst belächelt, zeigt der VW beim Tritt aufs Gas, beim Reißen am Lenkrad, was niemand für möglich hält: Dieser VW lässt sich schnell bewegen. Die sich entwickelnde Tuning-Szene ermöglichte es seinerzeit bald auch Privatfahrer:innen, ihren Käfer mehr Leben einzuhauchen. Ziel erreicht...

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Technische Daten von Ford Escort RS1600, Lancia Fulvia Coupé und VW 1302 S

Classic Cars 09/2022Ford Escort RS1600Lancia Fulvia CoupéVW 1302 S
Zylinder/Ventile pro Zylin.4/44/24/2
Hubraum1601 cm³1584 cm³1584 cm³
Leistung85 kW/115 PS 6500/min97 kW/132 PS 6200/min100 kW/136 PS 5000/min
Max. Gesamtdrehmom. bei149 Nm 4500/min167 Nm 4500/min148 Nm 5200/min
GetriebeViergang-GetriebeFünfgang-GetriebeViergang-Getriebe
AntriebHinterradVorderradHinterrad
L/B/H3978/1572/1402 mm3935/1555/1300 mm4080/1585/1500
Leergewicht780 kg850 kg870 kg
Bauzeit1970-19741969-19701970-1972
Stückzahl113912581.769.603 (Käfer ges. 1970-72)
Beschleunigung0-100 km/h in 8,5 s0-100 km/h in 8,1 s0-100 km/h in 7,6 s
Höchstgeschwindigkeit182 km/h190 km/h185 km/h
Verbrauch12,5 l/100 km11,8 l/100 km11,0 l/100 km
Grundpreis (Jahr)17.000 Mark (1970)16.678 Mark (1969)6390 Mark (1971, 1302 S)

 
Thomas Pfahl Thomas Pfahl
Unser Fazit

Ja, der Salzburg-Käfer hält in diesem Trio sehr gut mit. Der vermeintlich günstige Einstiegspreis bezieht sich aber nur auf einen Serien-1302 S. Bis aus diesem ein Rallye-Auto geworden ist, steht noch viel Arbeit an. Was bleibt, ist ein sensationelles Auto, das immer wieder für überraschte Blicke sorgen wird. Der Escort RS1600 ist in diesem Vergleich der Alleskönner für die Familie und das Rallye-Team. Seine Erfolge damals wie heute (im klassischen Motorsport) geben ihm Recht. Der Lancia wirkt dagegen kompromissloser. Er hat nur ein Ziel: Schnell zu sein, Komfort und Platz sind dabei zweitrangig.

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