Mercedes-AMG EQS 53 4Matic+: Tracktest
AMG EQS überrascht auf der Strecke
Bei AMG in Affalterbach hat man den Schalter umgelegt und im Effizienz-Meister EQS erstaunlich viel dynamisches Potenzial gefunden – Ring frei für den Tracktest mit dem Mercedes-AMG EQS 53.
In Affalterbach hat man sich dem E-Flaggschiff Mercedes EQS gewidmet, um aus ihm einen AMG zu machen – und machte dabei, wie der Tracktest zeigte, einen guten Job. Als Mercedes-AMG EQS 53 4Matic+ stellt er den Effizienz-Anspruch in den Hintergrund, rückt die Dynamik in den Fokus und darf deshalb auch mal auf Bestzeitenjagd gehen. Wir haben den EQS auf dem Nürburgring in den Grenzbereich gelockt und sind nach ein paar schnellen Runden beeindruckt zurück in die Boxengasse gestromert. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Der Mercedes EQS (2021) im Fahrbericht (Video):
Mercedes-AMG EQS 53 im Tracktest
Damit war nicht unbedingt zu rechnen. Schließlich wiegt der Mercedes-AMG EQS 53 im Tracktest mit 2647 KiIogramm fast so viel wie zwei Porsche 718 Cayman. Aber bereits auf der Landstraße fühlt er sich leichter an, als er ist, wieselt flink durch jeden Radius und schmeichelt sich mit seiner feinen Lenkung tief ins Unterbewusstsein ein. Aktiviert man dann noch bei der Einfahrt auf den Grand-Prix-Kurs den Sport+-Modus und knipst die ESP-Spaßbremse aus, knallen beim AMG auch die letzten Vernunftssicherungen durch. Das 5,22 Meter lange Auto mit 3,21 Metern Radstand biegt gleich energisch in die erste Kehre. Auch der AMG verfügt über die feine Allradlenkung, die die Hinterachse mit in die Richtungswechsel einbezieht. Hochpräzise, überraschend gefühlvoll und mit respektvollem Gehorsam folgt er den Befehlen. Ja, das 2,7-Tonnen-Monster agiert verdammt agil. Also lassen wir den Strom fließen. Die beiden E-Maschinen – eine vorn, eine hinten – lassen 658 und mit Boost sogar 761 PS (484 bzw. 560 kW) durch den Antrieb blitzen. Der hintere Motor ist mit 422 PS (310 kW) der dominante, der im Sport- und Sport+-Modus bevorzugt mit Energie versorgt wirkt. Die Traktion, die der AMG generiert, ist für die maximal durch den Antrieb wütenden 1020 Newtonmeter schlicht unglaublich. Zudem lässt sich die Leistung sehr fein dosieren und damit perfekt nutzen. Ja, der Mercedes-AMG EQS 53 machte im Tracktest verdammt viel Spaß.
Schwer, aber handlich
Die Zeitnahme ist aktiviert, der Mercedes-AMG EQS 53 startet seine schnelle Runde beim Tracktest. Die 761 PS (560 kW) zoomen uns über die Start-Ziel-Gerade. Am Anbremspunkt meldet das Display 222 km/h, Schwerstarbeit für die Bremsen. Aber noch haben sie die schwere Fuhre gut im Griff. Einlenken und mit einem gut nutzbaren Schleppmoment der Rekuperation (bis zu 300 kW) den ersten Scheitelpunkt anvisieren, den AMG sauber durch die Kurve führen, mit gefühlvollem Schub raus auf die nächste Gerade schnalzen und wieder in den nächsten Radius finden. Das gelingt beim Tracktest einfach überraschend gut. Der tiefe Schwerpunkt, bedingt durch die 107,8 kWh große Batterie, die zwischen den weit auseinanderliegenden Achsen tief im Fahrzeug liegt, lassen den Mercedes-AMG EQS 53 bei Richtungswechseln angenehm handlich wirken. Dazu trägt natürlich auch die Allradlenkung bei, die die Vorderachse mit maximal neun Grad Lenkwinkel an der Hinterachse unterstützt. Der EQS ist damit so narrensicher unterwegs, dass er einen nie vor unlösbare Aufgaben stellt.
Optimiertes Fahrwerk für mehr Dynamik
Dass sich der Brocken aus Affalterbach so behände bewegen lässt, liegt außer an den mächtigen Rädern mit für E-Fahrzeuge optimierter Michelin-Pilot-Sport-EV-Bereifung vor allem an seinem optimierten Fahrwerk. Die dynamisch orientierte AMG-Manufaktur hat dazu die vordere und hintere Aufhängung mit AMG-spezifischen Radträgern, Fahrwerkslenkern und Querstabilisatoren mit höherer Steifigkeit versehen. Zudem wurde der Hinterachsträger über 50 Prozent steifere Lager intensiver an die Karosserie angebunden, was sich bei jeder Lenkbewegung in Kontrolle und Fahrspaß auszahlt. Auch Luftfederung und Stoßdämpfer wurden auf Dynamik getrimmt. So erfolgt beim Mercedes-AMG EQS 53 die Regelung der Zug- und Druckstufe unabhängig voneinander über stufenlos agierende, außerhalb der Dämpfer angebrachte Regelventile. Die Rundenzeit passt beim Tracktest. Mit 1:43,6 Minuten ordnet sich der Elektro-Sportler rund fünf Sekunden hinter einem BMW M5 CS ein. Bremse und Reifen kommen aber nach einer Runde am Limit schwer ins Schwitzen. Auch wenn in den nächsten Runden die Zeiten schlechter werden, weil die Reifen abbauen und die Bremse nach mehr Sicherheitsreserven beim Anbremsen verlangt, verliert der Mercedes-AMG EQS 53 nichts von seiner leichten Beherrschbarkeit und Agilität – auch, weil das Kühlsystem im Sport+-Modus auf Hochtouren arbeitet und dafür sorgt, dass dem Antrieb nicht die Leistung wegbricht. Und der gut kontrollierbare Gripverlust lässt sich, wenn beim Tracktest die Bestzeitenjagd erledigt ist, in wundervolle Drifteinlagen ummünzen.
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Technische Daten & Messwerte des Mercedes-AMG EQS 53 4Matic+
AUTO ZEITUNG 24/2022 | Mercedes-AMG EQS 53 4Matic+ |
Technik | |
E-Motoren | Zwei permanenterregte Synchronmaschinen |
Systemleistung | 484 (560) kW/ 658 (761) PS |
Systemdrehmoment | 950 (1020) Nm |
Batterie | Lithium-Ionen |
Spannung/Kapazität (netto) | 396 V/107,8 kWh |
Getriebe/Antrieb | Konstantübersetzung / Allrad |
Messwerte | |
Leergewicht (Test) | 2647 kg |
Beschleunigung 0-100 km/h (Test) | 3,2 s |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 250 km/h |
Bremsweg aus 100 km/h kalt/warm (Test) | 35,7/34,9 m |
Verbrauch auf 100 km (Test) | 26,8 kWh |
CO2-Ausstoß (Werk) | 0 g/km |
Reichweite (Test (max.)/WLTP) | 402 (479)/586 km |
Preise | |
Grundpreis | 155.009 € |
Nein, der Mercedes-AMG EQS 53 ist kein Ersatz für rassige Sportlimousinen, aber der eine oder andere Ausflug auf einen Track-Day dürfte auch mit dem überraschend dynamischen 2,7-Tonnen-Sportler viel Spaß bereiten – und lässt von Scheitelpunkt zu Scheitelpunkt mehr staunen.