Neuer Ferrari 296 GTS (2022): Erste Testfahrt
Futa, Furore, Amore, 296 GTS
Im neuen Ferrari 296 GTS (2022) zum Futa-Pass. Was beinahe banal klingt, ist am Ende eine Liebesgeschichte vom Miteinander der Extreme – Hightech-Hybrid und ganz traditionelle Fahrmaschine. Enzo wäre begeistert von dieser Testfahrt.
Raus aus Maranello, gieriges Dahinschnüren auf zerfurchtem Ausfallstraßen-Asphalt. Ringsum erwachen Industriegebiete, Kreisverkehre erbrechen hyperaktive Kleintransporter-Schwärme, Sattelschlepperkolonnen dieselstöhnen dahin, dazwischen kämpfen telefonierende Bürofachangestellte in Kleinwagen um jeden Zentimeter. Nur den "Corsa-blauen" Ferrari 296 GTS, der bei unserer ersten Testfahrt in Richtung Autostrada strebt, hüllt dieser Blech-Tsunami in respektvollen Sicherheits-Abstand. Ferrari steht hier eben ganz oben – Kruzifix im Schlafzimmer, Papst-Portrait im Wohnzimmer, das Foto der Mama in der Küche und ansonsten: Forza Ferrari. Genau deshalb teilen wir im Ferrari unbeschädigt das Verkehrsmeer, lassen das schaffige Geschiebe geschundener Karosserien hinter uns, strömen auf die Schnellstraße und bei Modena-Sud auf die Autostrada del Sole, die A1 in Richtung Bologna. Bis jetzt hat der neue Ferrari 296 GTS (2022) seinen Hybrid-Modus als höchst intellektuelles Spiel aus viel Elektro-Power und nur ab und zu reinblaffendem Verbrenner interpretiert. Es dauert eine Weile, bis man mit diesem geräuschlos elektrisch dahinsegelnden Projektil nicht mehr fremdelt, schließlich hätte man von einem Ferrari vor allem den Heldentenor eines Hochdrehzahl-V8 erwartet: röchelnd und bellend an den Ampeln, röhrend über die Dorfplätze der kleinen Emilia-Romagna-Weiler, dass die Fenster klirren und sogar die Kirchenglocken leise mitbimmeln. Aber all das gibt es nicht mehr. Der 296 huscht als akustisches Neutrum dahin. Schockierend und eigentlich auch wunderschön. Mit so einer E-Maschine hat man schließlich gewaltigen Schmalz am Fuß, die schiebt mächtig und souverän – das macht glücklich. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Der Ferrari 296 GTB (2021) im Fahrbericht (Video):
Erste Testfahrt mit dem neuen Ferrari 296 GTS (2022)
Aber jetzt tut sich die Autostrada-Gerade nach Südosten vor uns auf. Die kommt schnurstracks aus Mailand heruntergeflogen, hat die ganze Po-Ebene hinter sich, und man könnte nun einfach das "Gas"-Pedal ins Bodenblech nageln und sich mit einer kurzen Bremsschikane bei Bologna kerzengerade bis Rimini oder gar Ancona schießen. Warpspeed. Erst bei 330 km/h ist im neuen Ferrari 296 GTS (2022) Schluss, und weil das ein Ferrari ist, dürften sogar die Beamt:innen der Polizia Stradale bei einem Rennleitungs-Kontakt außer einem Selfie und Reinsitzen nicht viel mehr wollen. Aber wir klinken uns einfach nur in den hektisch anbrandenden Strom des Verkehrs ein, weil ein Ferrari als Verkehrshindernis ja würdelos wäre. Bis 135 km/h fährt der 296 ganz ohne fossile Hilfe. Weil die Hybrid-Steuerungs-Algorithmen aber vom entschlossen niedergedrückten Pedal aufgescheucht sind, ist Millisekunden später schon der Dreiliter-Turbo-V6 da, bellt knarzend los, drückt sofort und presst den 296 GTS in einer faszinierenden Vorwärts-Explosion auf Verkehrsfluss-Tempo – das dauert alles zusammen keine drei Sekunden, und dann schnipst sich das Doppelkupplungsgetriebe schon in die höchste Gangstufe, der Ferrari wird zum Autobahn-Surfer. Irgendwas zwischen erlaubten 130 und tolerierten 150 Sachen schnell mit untertourig gurgelndem V6. Ein paar Kilometer weiter fallen wir mangels Business-Zeitdruck dann doch hinten aus der rasant weiterziehenden Kolonne, haben die Bahn ganz für uns allein und pendeln uns bei gesetzeskonformen 130 km/h ein. Der neue Ferrari 296 GTS (2022) schaltet den V6 ab und rauscht nun bei der ersten Testfahrt vollelektrisch dahin – Segelflug-Atmosphäre, fließend und träumerisch. Bizarre Momente sind das, und sie im Ferrari-Universum erleben zu dürfen, hat eine sonderbar anrührende Qualität. Lange dauert dieser Aufenthalt im Schwebeflug allerdings nicht, denn die 25-Kilometer-Elektro-Reichweite der bei Fahrtantritt am Kabel vollgeladenen 7,45-kWh-Batterie ist trotz einiger Verbrenner-Einlagen mittlerweile final aufgebraucht. Jetzt wechselt der 296 endgültig in einen Modus, der seine Formel-1-abgeleitete Hybrid-Performance schillern lässt. Feines Zusammenspiel von E-Maschine und Hightech-Verbrenner: Beim Rollen oder Bremsen wird dynamische Energie blitzschnell zurück in den Akku geschaufelt, um sie dann beim Sprinten wieder als Nachbrenner einzusetzen. Zuerst geht es aber am Autobahndreieck von A1 und A14 bei Bologna nach Süden, und bei Sasso Marconi haben wir endgültig keine Lust mehr auf Autobahn.
Zwischen Dahingestromer und Warpspeed
Jetzt beginnt die eigentliche Reise: hoch zum Passo della Futa, diesem Titanen der Apenninen-Pässe, Ikone der Mille Miglia und Giro d'Italia-Klassiker. Vor Vado schlägt sich die Straße ins Gebüsch, tingelt in gewundenen Serpentinen und schlingernden Kurven die Berghänge hinauf – zuerst durch dichten Wald, dann hat sie bei Monzuno die freien Hügelkuppen erreicht. Wie ein Derwisch fegt der neue Ferrari 296 GTS (2022) bei unserer ersten Testfahrt durch die Kehren mit fein auflösender Lenkung und penibel den Asphalt abtastendem Fahrwerk. Reaktionsschnell und beinahe verzögerungsfrei wirft er sich in Lenkbefehle, saugt sich kompromisslos neutral durch die Radien – als wir in Loiano an der Strada Statale della Futa angekommen sind, haben wir eine Gänsehaut und aufgestellte Nackenhaare, so mitreißend emotional fährt dieser kleine Geniestreich. Aber da geht doch noch was, denn den eigentlichen Emotions-Verstärker haben wir noch überhaupt nicht auf "Play" gestellt. Und das wird jetzt nachgeholt: Per Knopfdruck lässt der GTS das Hardtop hinter die Sitze schnurren. Nun geht es offen dahin mit dem Duft der Apenninen in der Nase – von Kräutern, Weinbergen und Erde – und dem Sound des Turbo-V6 in den Ohren. Den können wir gar nicht genug loben: Er kann sanft und edel, harzig und heiser, fräsend und energisch. Er ist nie zu laut oder obszön, sondern immer hochemotional. Den Tränen nahe flippern wir hinauf zum Passo della Raticosa, lassen uns dort von Motorradfahrer:innen bewundern, schütten einen Beruhigungs-Espresso auf die glückselig flatternden Nervenenden und gehen dann die finale Etappe an: noch zwölf Kilometer bis zum Futa-Pass. Eine leuchtende Septembernachmittagssonne läuft Schau auf ultrametallicblauem Lack, badet schillernd in den Buchten der Karosserie des neuen Ferrari 296 GTS (2022). E-Maschine und V6 schmiegen sich wie Liebende ineinander, tanzen, wechseln die Führung, On-Off – ganz subtil und delikat geht das. Stilles Anreißen und bellendes Explodieren auf herrlich leichten Füßen, die kaum den Boden zu berühren scheinen und trotzdem mit unfassbarer Traktion voranmarschieren. Herrlich ist das, einfach herrlich!
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Technische Daten des neuen Ferrari 296 GTS (2022)
AUTO ZEITUNG 23/2022 | Ferrari 296 GTS |
Technische Daten | |
Motoren | V6-Zylinder, 4-Vent., Biturbo und Synchronmaschine |
Getriebe/Antrieb | 8-Gang, Doppelkuppl.; Hinterradantrieb |
Gesamtleistung | 610 kW/830 PS |
Max. Drehmoment | 1055 Nm |
Karosserie | |
Außenmaße (L/B/H) | 4565/1958/1191 mm |
Trockengewicht/Maximalgewicht | 1540/1952 kg |
Kofferraumvolumen | 202 l |
Fahrleistungen (Werksangaben) | |
Beschleunigung (0-100 km/h) | 2,9 s |
Höchstgeschwindigkeit | 330 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 7,4 l SP und 13,8 kWh/100 km |
Elektrische Reichweite | 25 km |
Kaufinformationen | |
Basispreis (Testwagen) | 300.000 Euro |