Aston Martin-Chef Tobias Moers: Interview
"Elektrifizierung steht bei uns ganz oben"
Der neue Aston Martin-Chef Tobias Moers hat keine leichte Aufgabe übernommen. Doch der Ex-AMG-Manager stellt die britische Marke neu auf. Im Interview sprach die AUTO ZEITUNG mit ihm über die Herausforderungen der Zukunft.
Herr Moers, so klangvoll der Name Aston Martin ist, haben Sie dennoch ein schweres Erbe übernommen. So war der Vantage falsch positioniert, und beim neuen DBX kritisieren die Kund:innen ein fehlendes Head-up-Display, keinen automatischen Einzug der Türen und ein veraltetes Navigationssystem, oder?
Mit der Positionierung des Vantage ist man keinem gerecht geworden. Die Sportfahrer waren nicht von seiner Performance überzeugt, und die Klassiker-Kunden störten sich am polarisierenden Frontdesign. Vom Vantage haben wir jetzt ein Editionsmodell herausgebracht, den Vantage F1 Edition, der auf der Nordschleife mehr als zehn Sekunden wettmachen wird. Auch dem DB11 wollen wir in Zukunft noch mehr Präzision beim Fahren verleihen.
Der Aston Martin DBX (2020) im Fahrbericht (Video):
Aston Martin-Chef Tobias Moers im AUTO ZEITUNG-Interview
… und beim DBX?
Vom Design her ist das Auto gelungen, im Interieur gibt es noch Potenzial. Es stimmt: Das Navi ist nicht mehr up to date, und wir müssen uns der Kunden-Kritik stellen. Aber wir arbeiten an einem Facelift für das gesamte Produkt- und das Sportwagenportfolio.
Wie läuft denn der DBX?
Ganz gut. Europa zieht gerade sehr gut an. Und auch in Deutschland, Nordamerika sowie China sind wir zufrieden.
V8-Motoren, Elektrik und Infotainment sowie Assistenzsysteme kommen aus der Kooperation mit Mercedes. Wird diese vertieft?
Ja. Als kleine Company wie Aston Martin braucht man einen Partner für die Elektrik-Architektur. Wir werden weitere Motoren aus dem Achtzylinder-Baukasten von Mercedes verwenden.
Was wird denn mit dem V12 passieren?
Im Kern ist dies eine Entwicklung von Ford. Wir haben ihn jetzt noch einmal revolutioniert. Aber klar, EU7 wird er nicht mehr schaffen, aber es gibt einen Markt dafür.
Momentan spricht alles über Elektrifizierung. Wie sieht die Agenda von Aston Martin da aus?
Das Thema steht ganz oben. Als ich kam, gab es da rein gar nichts, aber ich muss hier ein bisschen ausholen. Was mich bei Aston Martin echt beeindruckt hat, ist das Thema Plattform. Da ist Aston Martin Benchmark. Die Kennwerte des Rohbaus sind beeindruckend, und auch die Crash-Performance ist sehr gut. Was wir aber nicht tun werden, ist eine reine E-Plattform zu entwickeln. Dabei gibt es zwei Kernthemen – den Ausbau des Portfolios mit der Plattform des DBX und den Ausbau des Portfolios auf der Sportwagenseite. Alles, was jetzt in der Zukunft kommt, ist elektrifiziert.
Was heißt das künftig für die Verbrenner?
Die Motoren werden weiterhin optimiert, aber wir werden keinen neuen Verbrennungsmotor mehr entwickeln.
Wie sieht denn dann Ihre neue Produktstrategie aus?
Demnächst kommen die lange angekündigten Sportwagen Valhalla und Vanquish. Beide werden als Plug-in-Hybrid gebracht. Dies gilt für alle Mittelmotorsportwagen, die auch nach dem Valkyrie kommen. Danach werden wir eine Sportwagengeneration bringen als BEV. Wir möchten dieses Ziel mittelfristig erreicht haben.
Auch auf der DBX-Plattform soll noch ein neues Auto entstehen?
Da könnte man sich ein größeres Modell vorstellen, vielleicht auch mit einem längeren Radstand und als Plug-in-Hybrid, aber stets mit vier Türen. Und dann werden wir selbstverständlich auch limitierte Sondermodelle auflegen.
Kommen wir zum Vertrieb: Wollen Sie das Händlernetz ausbauen?
Ja, da gibt es noch Potenzial. Wir haben jetzt in Hamburg einen neuen Händler mit Nord-Ostsee Automobile, und auch Mercedes-Händler treten an uns heran. In Frankreich sind wir da gerade im Gespräch. Das sind dann aber eigene Outlets mit einem autarken Eingang – kein Shop-in-Shop-Konzept wie bei AMG.
Vergangenes Jahr haben Sie rund 1500 DBX-Fahrzeuge zugelassen. Wie sieht es für 2021 aus?
Ich glaube, wir werden das Volumen verdoppeln können.
Im vierten Quartal konnten Sie erstmals wieder einen Gewinn ausweisen. Wird das so weitergehen?
Das kann ich noch nicht sagen. Also der EBITDA wird auf jeden Fall positiv. Analysten gehen von etwa 160 Millionen Pfund EBITDA aus.
Bis 2024/2025 wollen Sie 10.000 Fahrzeuge bauen?
Ja, wir wollen 10.000 Autos fertigen und einen EBITDA von 500 Millionen Pfund erwirtschaften bei einem Umsatz von zwei Milliarden Pfund.
Das müssen Sie erklären, wie Sie das wirtschaftlich gestalten wollen. Aston Martin hat ja extra ein neues Werk erstellt und ein Ziel von 14.000 Autos für eine Wirtschaftlichkeit vorgegeben.
Ja, das ist die Hinterlassenschaft. Es war ein ineffizientes Produktionsnetzwerk. Eine Produktionslinie haben wir bereits stillgelegt. Wir bauen jetzt mit deutlich weniger Leuten mehr Autos auf einer Linie mit 23 Stationen. Da reden wir von einer Effizienzsteigerung von 30 bis 40 Prozent.
Es gab aber noch weitere Altlasten?
Ja, wir sind mit 3000 Sportwagen im Bestand gestartet. Nicht zuletzt wegen Corona haben wir im März vergangenen Jahres die Fabrik geschlossen und Ende September wieder die Produktion anlaufen lassen. Der Bestand ist jetzt abgebaut, die Discountgeschäfte erholen sich – auch die Restwerte. Wir orientieren jetzt die Produktion am Bedarf. Früher war der Bedarf an der Produktion orientiert.
Ist eigentlich der Brexit ein Thema für Sie?
Ich kann in diesem Punkt nur für unser Unternehmen sprechen, und da ist es tatsächlich überhaupt kein Thema.
Mercedes hat seine Anteile auf 20 Prozent erhöht. Mischt sich Mercedes nun stärker ein, und sind Sie in den Entscheidungen mehr abhängig?
Im Gegenteil. Außerdem wird die Zusammenarbeit sukzessive vertieft werden.
Nach 61 Jahren ist Aston Martin wieder zurück in der Formel 1. Allerdings – so richtig rund läuft es derzeit nicht …
Vielleicht hat man die Reglement-Änderungen unterschätzt. Darum kümmert sich das Aston Martin Cognizant Formula One Team selbstständig, da bin ich nicht so nah dran.
Hat Aston Martin mit Sebastian Vettel vielleicht auch den falschen Fahrer?
Ich bin mir da nicht so sicher. Ich glaube an sich schon an ihn. Auch dass Nico Hülkenberg jetzt verpflichtet wurde, darf man nicht überinterpretieren. Das ist ein normaler Vorgang, aber ich bin da, wie schon gesagt, nicht so nah dran. Pkw-Produktion und Formel 1 sind zwei getrennte Business-Units. Ich nehme erst einmal dankend an, was als Momentum aus der Formel 1 auf die Marke abstrahlt.
Aber nur dabei sein macht ja auch keinen Spaß. Momentan fährt Mercedes fast alles wieder in Grund und Boden.
Ich kann nur sagen, dass Lawrence Stroll, der für das Formel 1-Team verantwortlich ist, das nicht aus einem olympischen Gedanken heraus macht. Er hat klare Ziele und baut eine neue Fabrik in Silverstone für die Formel 1 auf. Das ist ein langfristiges Engagement.
Braucht Aston Martin überhaupt eine Formel 1?
Absolut. Wenn man sagt, man will die Markenwahrnehmung verändern, dann macht die Formel 1 schon sehr viel Sinn.
Startet Aston Martin denn auch weiterhin in der Langstrecken-WM? Schließlich hat die Marke eine lange Tradition und einen Le Mans-Sieg zu verteidigen.
Nein, das habe ich gestoppt. Es kostet viel Geld, und in der Situation, in der wir nun sind – Turnaround, Wachstum, neues Portfolio, Portfolioerweiterung –, bleibt kein Raum und Geld dafür. Wir bekennen uns zum Kundensport und fokussieren uns ansonsten voll auf die Formel 1.
Bislang prägten vor allem die James Bond-Filme das Image der Marke, denn 007 fuhr meistens einen Aston Martin. Ist das nach wie vor wichtig?
Das ist schon wichtig. Wir haben eine Vantage 007 Edition gemacht, die war sehr schnell ausverkauft. Die James Bond-Filme sind für die Marke ja schon Tradition. Dennoch lag in der Vergangenheit zu viel Fokus auf diesem Thema. Wir möchten es bewahren, aber unser Image gerade durch das Formel 1-Engagement schärfen, denn die Marke Aston Martin muss ihren Kundenkreis erweitern. Wir wollen neben den Gentlemen-Drivern auch die Sportwagenfahrer gewinnen.