Audi A8/BMW 7er/Mercedes S-Klasse: Vergleich
So schlägt sich die neue S-Klasse
Auch in ihrer siebten Generation ist die Mercedes-Benz S-Klasse Technologie-Benchmark der Marke und Messlatte für ein ganzes Segment. Erster Vergleich mit dem BMW 7er und dem Audi A8!
Dieses Auto testet man nicht. Es testet den Tester. Siebenundsiebzig Seiten umfasst der Pressetext zur neuen Mercedes S-Klasse, die sich hier im ersten Vergleich der deutschen Premium-Konkurrenz BMW 7er und Audi A8 stellt. Es geht in epischer Breite um die Fähigkeiten des grundlegend neu aufgesetzten MBUX-Infotainmentsystems, das Wort "Assistenten" ist gefühlt integraler Bestandteil jeden Satzes, autonomes Fahren ist ein großes Thema – und dann kommen auch noch die bisherigen Mercedes-Kernthemen Sicherheit und Komfort, die es hinter all dem Digitalisieren und Assistieren in die hinteren Kapitel schaffen. Da staunt der Experte. Und dann beginnt er zu lesen. Mindestens einen Tag lang sollte man sich schon nehmen, um die wesentlichen Besonderheiten, Neuerungen und Errungenschaften zu verstehen, um aufzunehmen, wie faustdick hinter den Ohren es diese Leistungsschau der deutschen Automobilindustrie hat. Theoretisch. Denn wirklich erfahren und begreifen, das dürfte Wochen dauern. Mit den omnipräsenten Touchscreens und weitestgehend knopfloser Bedienung würde man den S-Klassen-Erstkontakt sowieso eher mit "betouchen" als "begreifen" beschreiben. Darüber sollte man sich als technikaffiner, moderner Mensch natürlich uneingeschränkt freuen, aber so leicht ist das nicht – wenn man nämlich im nächsten Moment leise schmunzelnd feststellt, dass einem die sehr analogen Kontaktpunkte zur neuen S-Klasse intuitiv immer noch die liebsten sind. Im Vergleich misst sich das Stuttgarter Flaggschiff mit dem BMW 7er und dem Audi A8.
Leslie checkt die neue Mercedes S-Klasse (Video):
Mercedes S-Klasse, BMW 7er und Audi A8 im Vergleich
Analog und digital. Der aus Metall gefräste Wischerschalter am linken Lenkstockhebel zum Beispiel mit seiner knackigen Oberfläche und den präzisen Rastungen. Oder die anrührend weichen Zusatzkopfkissen als ein wahres Millisekunden-Wellness-Erlebnis. Die Metall-Luftausströmer mit hrem kühlen Griff. Oder die Aluminium-Gitter des Burmester-Soundsystems, die so präzise gefräst sind, dass man beim Drüberstreicheln beinahe vermutet, sich haarfein in die Finger geschnitten zu haben – und es doch nie hat. Das soll natürlich keine dogmatische Ablehnung der neuen Software-Welt sein, denn die hat zweifelsfrei ihre schönen Momente. Wenn einen diese Monitor-Fenster ins Computer-Innenleben der Mercedes S-Klasse so sagenhaft knackscharf und brillant anleuchten, wenn 3D-Animationen und Online-Funktionen lebendig durcheinanderwirbeln, dann tritt definitiv ein magisch anziehender Haben-Wollen-Effekt ein. Hier ist eine neue, glamouröse Welt zu entdecken, sie ist komplex und vielschichtig. Bei Mercedes haben sie gefühlt alles gegeben und ganz auf die Karte "Modernität" gesetzt. Da gibt es keinen Blick zurück. Der zum Vergleich angetretene BMW 7er demonstriert hier in einem anrührenden Moment der Schwäche, in welchem Dilemma sich die Ingenieure mittlerweile befinden: "Laut/Leise" geht über einen herrlich sämig laufenden Drehknopf, funktional immer noch der absolute Königsweg. Die Touch-Slider-Lösung im Mercedes kann da nicht mithalten. Trotzdem scheinen sich die Münchener für ihren Mut zum Knopf zu schämen: Wer dreht, bekommt immer gleich auch noch im Display einen Lautstärke-Balken eingeblendet sowie den Piktogramm-Hinweis, dass man auch per schwurbelnder Gestensteuerung laut und leise machen könnte. Stell dir vor, du hast Technik, und keiner merkt es – das scheint ein klein wenig die Grundsorge eines heutigen Luxusklasse-Pkw-Entwicklers zu sein.
Audi A8 innen konservativer als Mercedes S-Klasse
Vermutlich schlafen deshalb auch die Ingolstädter Audi A8-Entwickler gerade schlecht, denn obwohl der A8 gleich drei große Displays besitzt (Klima und System, Infotainment, Cockpit), wirkt sein Arrangement im Vergleich deutlich konservativer im Vergleich zu dem der Mercedes S-Klasse. Und das soll bestimmt nicht bedeuten: schlechter. In dieser Klasse lässt kein Wettbewerber etwas anbrennen, die Souveränität und der Einfallsreichtum, mit der hier beinahe magische Autos um Menschen herum konstruiert werden, ist verblüffend. Im BMW 7er und Audi A8 lässt es sich bestechend komfortabel reisen, exzellent arbeiten und entspannen, sie sind moderne Könige der Automobil-Technik. Auf die Spitze treibt all das aber die neue S-Klasse: Bis zu 19 Motoren bringen zum Beispiel die AGR-(Aktion Gesunder Rücken) Frontsitze perfekt in Position. Im Fond sollen fünf verschiedene Bestuhlungsvarianten bis in zu Einzel-Liegesitzen angeboten werden. Dazu gibt es Wellness-Programme mit Musik, Duft, Massagen, Wärme sowie ausfahrbare Türgriffe und einen bemerkenswert hohen Grad an vorausschauender Dienstbarkeit.
Mercedes S-Klasse schneller als die Gesetzgebung
Rückwärtsgang einlegen und den Kopf zum Schulterblick zur Seite drehen? Da erkennt die Mercedes S-Klasse sofort rangierende Absichten und fährt das Heckrollo herunter. Hochauflösende Karten, Radar und Lidar-Sensoren und eine ganze Armada von Kameras wissen jederzeit, wo sich die S-Klasse befindet, zentimetergenau, und was um sie herum vor sich geht. Autonomes Fahren und sogar Parken ist so problemlos möglich – das Mercedes-Flaggschiff ist damit schneller, als es Gesetzgebung und Parkhaus-Infrastrukturen sind. Noch mehr Hightech-Höhepunkte gefällig? Aber gerne doch: Die optionalen Digital-Light-Scheinwerfer bestehen aus 1,3 Millionen Lichtpunkten pro Seite, die nicht nur unaufdringlich taghell leuchten können, sondern sogar als Assistenzsystem arbeiten: Fußgänger oder Fahrradfahrer werden bei Nacht mit einem Spotlight angestrahlt und so für den Fahrer sichtbar gemacht, fehlende Fahrbahnmarkierungen projiziert die S-Klasse mit diesem Licht einfach auf den Asphalt. Auch die fantastilliarden Möglichkeiten an bunter Ambiente-Beleuchtung haben nicht nur ihren rein unterhaltenden Zweck abgelegt, sondern werden nun sinnvoll aktiv: Wer achtlos aussteigt, obwohl von hinten gefährlicher Verkehr naht, wird rechtzeitig vom roten Aufleuchten des Ambientelichts gewarnt. Und unsere Lieblingsfunktion aus 77 Seiten Erklärtext? Es ist das Head-up-Display mit Augmented Reality, das animierte Navigationspfeile ganz pragmatisch virtuell auf die Straße legt und so den abgelenkten Blick aufs Display entbehrlich macht. Wenn das nicht die richtige Richtung ist.
Was die neue Mercedes S-Klasse von ihren direkten Wettbewerbern Audi A8 und BMW 7er im ersten Vergleich unterscheidet, ist die absolute Konsequenz beim Einsatz von Software. Antizipieren, umschmeicheln, assistieren – das ist die S-Klasse des Jahres 2020.