Opel elektrifiziert den Corsa mit 46-kWh-Akku und 136-PS-Maschine für unter 20.000 Euro. Wie weit der praktische Opel Corsa-e im Alltag kommt, zeigt unser Test!
Positiv | Reichweite über 300 Kilometer, einfache Bedienung und günstiger Einstiegspreis |
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Negativ | Lange Bremswege, nur zwei Rekuperationsstufen und enger Fond |
Der Opel Corsa-e – hier im Test der AUTO ZEITUNG – ist an sich nichts Neues, denn mit Ampera und Ampera-e hatten die Hessen schon früh innovative Fahrzeuge im Programm. Diese wurden aber maßgeblich vom US-amerikanischen Auto-Giganten GM entwickelt, sodass man technische Kompromisse eingehen musste. Seit 2017 ist der französische PSA-Konzern bei Opel am Hebel, und der hat eine markenübergreifende Elektro-Strategie entwickelt, von der die Rüsselsheimer profitieren – zum Beispiel beim Opel Corsa-e. Der Kleine teilt sich zwar die Technik mit dem e-208 von Peugeot, ist aber alles andere als frankophil.
Leslie fährt den Opel Corsa F im Video:
Der Opel Corsa-e im Test
Das heißt: In puncto Optik machen die Hessen beim Opel Corsa-e keine Experimente und setzt auf konservative Formen sowie einen ergonomischen, funktionalen Innenraum ohne Design-Fisimatenten. Die Verarbeitung ist ordentlich, die Bedienung recht simpel – also alles wie gewohnt. Und trotzdem kommt beim Corsa-e im Test der Coolness-Faktor nicht zu kurz, besonders mit den 17-Zoll-Rädern und der Bicolor-Lackierung (beides optional). Das Raumangebot vorn ist für einen Kleinwagen gut, allerdings würden wir lieber auf den von Opel bekannten AGR-Sitzen Platz nehmen als auf den Standard-Polstern. Denen fehlt es an Kontur, die Kopfstütze steht zu nah am Haupt, und eine einstellbare Lendenwirbelstütze wäre auch nicht schlecht. Dennoch sitzt man recht tief und fühlt sich gut ins Auto integriert. Das Multifunktions-Lenkrad liegt gut in der Hand, das dank simpler Grafik gut ablesbare Instrumentendisplay dahinter ist etwas klein geraten. Für 975 Euro gibt es einen 10,0 Zoll großen Touchscreen inklusive Direktwahltasten, die analog bedienbare Klimaautomatik mit Fernsteuerfunktion via Smartphone ist Serie. In der zweiten Sitzreihe geht es deutlich enger zu, vor allem der Querträger über den Kopfstützen stört, wenn man aufrecht sitzt. Ein weiteres Manko ist der im Opel Corsa-e um 42 Liter kleinere Kofferraum.
Reichweite des Opel Corsa-e kann stark variieren
Geschrumpft ist im Vergleich zum Verbrenner-Modell auch die Reichweite, allerdings hängt diese bei einem Stromer immer stark davon ab, wo und wie man fährt. Auf unserer Standard-Verbrauchsrunde etwa mit hohem Autobahnanteil bei 130 km/h braucht der Opel Corsa-e im Schnitt 18,1 kWh auf 100 Kilometer. Das entspricht bei voller Ausnutzung der 46-kWh-Batterie einer Reichweite von 254 Kilometern. Auf der Eco-Runde durch die Stadt und über Land sinkt im Test dagegen der Verbrauch auf unter 14 kWh, die Reichweite steigt auf 331 Kilometer. Der WLTP-Wert von 337 Kilometer ist also realistisch. Allerdings kann der Elektro-Antrieb nur dann effizient arbeiten, wenn er nicht permanent unter Last steht. Der Schlüssel zum Erfolg ist ein abwechslungsreiches Fahrprofil mit vielen Roll- und Verzögerungsphasen oder auch der Stop-and-go-Verkehr. Denn geht man vom Fahrpedal, arbeitet die E-Maschine als Generator und wandelt Bewegungsenergie in speicherbaren Strom um, der in die Batterie zurückfließt. Dieses sogenannte Rekuperieren kann man mittels Zug am Wählhebel zweistufig steuern (D- und B-Modus), wobei der Opel Corsa-e nie komplett frei rollt, sondern immer minimal über den Generator verzögert. Das können andere E-Autos besser. Übrigens: Alle Verbrauchstests wurden mit eingeschalteter Klimaanlage, bei rund 20 Grad Außentemperatur und überwiegend im Eco-Modus gefahren.
Zu langer Bremsweg beim Opel Corsa-e
Weil der Opel Corsa-e ab Werk mit einer fahrzeuginternen Ladeeinheit ausgestattet ist, die Wechselstrom (AC; zum Beispiel bei der Haushaltssteckdose) nur einphasig aufnimmt (dreiphasig: 1160 Euro; ab Edition), braucht man etwas Geduld. Beispiel: Von 35 auf 85 Prozent SOC (State of Charge) dauerte es 16 Stunden – was kein Problem für denjenigen ist, der sein Auto jeden Abend in der eigenen Garage abstellt und dort Strom zapft. An der Schnellladesäule mit Gleichstrom (DC) und bis zu 100 kW verkürzt sich die Ladezeit des Akkus (null bis 80 Prozent) auf rund 30 Minuten. Im Test dauerte es an einer 50-kW-Ladestation rund 15 Minuten, um Strom für 100 Kilometer Reichweite nachzuladen. Im Alltag fährt der Opel Corsa-e trotz der immer parat stehenden 260 Newtonmeter Drehmoment eher unspektakulär, federt trotz der für höhere Last ausgelegten Hinterachskonstruktion auf gut ausgebauten Asphalt-Strecken sogar recht komfortabel. Zwar ist es immer wieder schön, ansatzlos und ohne Schaltunterbrechung in nur drei Sekunden aus dem Stand auf Tempo 50 zu beschleunigen oder in 5,9 Sekunden von 80 auf 120 km/h zwischenzusprinten. Doch mit 100 kW respektive 136 PS Leistung ist der Corsa als Stromer nur durchschnittlich motorisiert, für sämtliche Alltags-Zwecke allerdings völlig ausreichend. Bei Konstantfahrt und im Schiebebetrieb hört man die E-Maschine leise sirren, was auch an der guten Dämmung von Wind- und Abrollgeräuschen liegt – trotz der großen 17-Zöller. Diese verbessern die durch den um 5,7 Zentimeter gesunkenen Schwerpunkt des 1,5-Tonners an sich schon satte Straßenlage abermals und trainieren dem Opel sogar ein wenig dynamisches Talent an. Beim Bremsen unterstützen sie jedoch kaum. 37,5 (kalt) respektive 38,6 (warm) Meter Bremsweg aus Tempo 100 bis zum Stand sind zu lang. Da nutzt auch die City-Notbremsfunktion nicht viel.
Connectivity-Check beim Opel Corsa-e
Serienmäßig fährt der getestete Opel Corsa-e mit 7,0-Zoll-Touchscreen vor, über den man Bluetooth, USB und DAB-Radio steuert. Standard sind auch die Sprachsteuerung und OpelConnect-Dienste (darunter Notruf, Remote-Funktionen). Navigieren kann man per Smartphone via Apple CarPlay und Android Auto oder ab 487 Euro mit dem integrierten Navi.
Messwerte und technische Daten des Opel Corsa-e
AUTO ZEITUNG 17/2020 | Opel Corsa-e |
Technik | |
E-Motor | permanent erregte Synchronmaschine |
Systemleistung | 100 kW/136 PS |
Systemdrehmoment | 260 Nm |
Batterie | Lithium-Ionen-Batterie |
Spannung/Kapazität netto (brutto) | 46 (50) kW |
Max. Ladeleistung DC/AC | 100/1,8 kW |
Ladeanschluss/Ort | Hinten links |
Getriebe/Antrieb | Konstantübersetzung/ Vorderrad |
Messwerte | |
Leergewicht (Test) | 1501 kg |
Beschleunigung 0-100 km/h (Test) | 8,2 s |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 150 km/h |
Bremsweg aus 100 km/h kalt/warm (Test) | 37,5/38,6 m |
Verbrauch auf 100 km (Test/WLTP) | 18,1/16,8 kWh |
CO2-Ausstoß (Test/WLTP) | 73*/0 g/km |
Reichweite (Test/WLTP) | 254/337 km |
Preise | |
Grundpreis | 19.667 Euro |
*401 g CO2/kWh im deutschen Strommix |
Mit dem Opel Corsa-e haben die Rüsselsheimer einen pfiffigen Elektro-Kleinwagen gebaut, dem man die PSA-Verwandtschaft kaum anmerkt. Über 300 Kilometer Reichweite sind ohne große Einschränkungen möglich, wie der Test zeigt, und mit Gleichstrom ist die Batterie zügig wieder aufgeladen. Außerdem ist die Serien-Ausstattung attraktiv. Etwas bequemere Sitze, ein noch besseres Rekuperationsmanagement und vor allem stärkere Bremsen würden dem E-Auto aber guttun.