Mit Ford Taunus & Opel Rekord zurück in die milden Sechziger
Als Ford und Opel die Mittelklasse dominierten
- Ford Taunus P3 und Opel Rekord P2 im Mitteklasse-Duell
- Der neue Ford Taunus P3 bot mehr Raum und Komfort
- Der Opel scheint hin- und hergerissen zwischen Schwulst und Sachlickeit
- Zwischen Taunus und Rekord lagen nur 100 Mark
- Am Steuer von Ford und Opel kommt ein Gefühl von Lässigkeit auf
- Technische Daten von Ford Taunus P3 und Opel Rekord P2
- Fazit
Mit Ford Taunus 17M P3 und Opel Rekord P2 kamen die 60er Jahre sanft und sachlich über die deutsche Mittelklasse. Und genau das lässt die beiden heute so charmant wirken. Ein Vergleich der AUTO ZEITUNG Classic Cars!
Kennt noch jemand Soraya? Nein, sie fuhr weder Opel Rekord P2 noch Ford Taunus 17M P3, sondern war als verstoßene persische Kaiserin das bekannteste Illustrierten-Gesicht des Wirtschaftswunders. Soraya auf dem Titel von "Quick" oder "Revue" ging immer, noch vor Romy Schneider und Curd Jürgens. Illustrierten waren das Internet der Fünfziger, die Auflagen gingen in die Millionen. Und es musste schon wichtige Gründe haben, wenn zwischen Herzschmerz und Heimatfilm ein neuer Ford einparken durfte. Der 17M hat es 1960 geschafft. Um Fotos vom neuen Ford Taunus zu jagen, schickten die großen Illustrierten ihre Paparazzi nach Marokko, wo die Prototypen die letzten Runden drehten.
Noch vor den Automagazinen hatten sie den Ford im Blatt – und Deutschland hatte vor über 60 Jahren die erste große Autosensation des Jahres 1960. Es ist gar nicht so leicht, sich das heute noch vorzustellen, selbst dann, wenn man gerade in den sofaweichen Polstern des Ford Taunus 17M P3 versunken ist und den zierlichen Hebel der Lenkradschaltung in der Hand hält. Heute ist er – wie auch der Opel Rekord P2 – ein altes, freundliches Auto auf spillerigen Diagonalreifen der Größe 5,90-13, dessen Armaturenbrett mehr Chrom trägt als eine italienische Espressomaschine jener Jahre.
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Ford Taunus P3 und Opel Rekord P2 im Mitteklasse-Duell
Damals aber war der neue Ford Taunus 17M P3, die "Badewanne", ein Abschied von Gestern, das Versprechen einer sachlich-schönen Zukunft ohne spitze Heckflossen, krumme Panoramascheiben und sinnfreien Zierrat. Das kühne und kühle Design der Braun-Elektrogeräte war auf der Straße angekommen, als erstes deutsches Auto erschien der neue Ford mit ovalen Breitband-Scheinwerfern, bündig in die Karosserie eingelassenen Stoßstangen, ins Dach gezogener Windschutzscheibe und nach außen gewölbten Seitenscheiben. Dafür verzichtete er auf Zierleisten um die Gürtellinie und sogar auf das elfenbeinfarbene Lenkrad, das in der Mittelklasse immer noch als vornehm galt.
Er war ein bürgerliches Auto geblieben wie sein Vorgänger, der barocke 17M P2, aber jetzt war er auch eines, in dem sich Avantgardist:innen wohlfühlten. Beinahe wäre er auch noch ein technischer Meilenstein geworden, aber das hätte den volkstümlichen Grundpreis von 6385 Mark gesprengt. Die Kölner:innen hatten für den neuen Ford Taunus 17M P3 – intern "Projekt Adria" genannt – einen Vierzylinder mit obenliegender Nockenwelle, Zahnriemen und Tassenstößeln entwickelt. Er hätte die Badewanne womöglich zum ernsthaften BMW-Rivalen gemacht, aber eben nicht zum Massenmodell, mit dem Ford seine Mittelklasse-Verkäufe verdoppelte. Um so erstaunlicher, dass die Designer Wesely Dahlberg und Uwe Bahnsen scheinbar freie Bahn hatten.
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Der neue Ford Taunus P3 bot mehr Raum und Komfort
"Eine logische Form, die funktionell richtig ist", hatte ihnen vorgeschwebt. Nebenbei war es auch eine, deren damals spektakulärer cW-Wert von 0,40 gar keinen stärkeren Motor nötig machte. Es war tatsächlich eine "Linie der Vernunft": Der berühmte Werbeslogan stammte von Wilfried Henkel, Kreativchef der Werbeagentur J. Walter Tompson. Und er bestätigte sich am Ende auch für die Controller:innen der Kölner Ford-Werke: Der neue Ford Taunus 17M P3 war um 100 kg leichter geworden als sein Vorgänger. Der 17M braucht heute nicht den Gegner von damals, um zu beeindrucken, aber es hilft.
Denn auch bei Opel hatten sie 1960 die Heckflossen des Rekord P1 abgeschliffen und die Panoramascheibe begradigt. Es war die gleiche Mittelklasse-Kundschaft und wohl auch die gleichen Forderungen wie im Lastenheft des Ford Taunus 17M P3: "Die Leute wollen mehr Raum, mehr Sicht, mehr Glas, mehr Komfort", berichtete 1960 der Opel-Chefentwickler Hans Mersheimer. Von revolutionärem Design für den Opel Rekord P2 hat er nichts gesagt. Anders als bei Ford hatte Opel in späten Fünfzigern noch keine selbstständige Designabteilung, sondern bekam die Karosserientwürfe direkt von General Motors aus dem fernen Detroit. Und dort trauten sie den Germans anscheinend nicht allzu viel Freude am Aufbruch zu.
Der Opel scheint hin- und hergerissen zwischen Schwulst und Sachlickeit
Der Opel Rekord P2 ist nur vier Zentimeter schmaler und drei Zentimeter höher als sein seifenglatter Gegner aus Köln, und doch wirkt er seltsam stelzbeinig und schmalbrüstig, sobald er neben dem Ford Taunus 17M P3 steht. Heute hat das seinen eigenen Reiz, weil er hin- und hergerissen scheint zwischen Schwulst und Sachlichkeit. Er trägt schon die klaren Linien der damals angesagten Trapezform, wirkt im Detail aber kaum weniger verspielt als sein heckflossiger Vorgänger. Natürlich ist das Lenkrad weiß, es gibt einen Balkentacho mit dreifarbiger Geschwindigkeitsanzeige, eingeprägte Zierkrönchen im Kunstleder der Sitze und sinnfreie Fähnchen-Embleme auf den hinteren Kotflügeln, über die die damalige Testredaktion ihre Köpfe schüttelte.
Das viele Lametta "folgt wohl einem dringenden Bedürfnis", schrieb einer der Testenden, schwer bemüht, der Leserschaft nicht zu nahe zu treten. Ob es wirklich so war? Wir können mal fragen: Bernd Schrade aus Hagen, der Besitzer des grünen Opel Rekord P2, hat den Wagen von den Eltern geerbt. Sein Vater Heinrich hat den Rekord im September 1961 gekauft und danach nie wieder einen anderen Neuwagen angeschafft. Einen Ford Taunus 17M P3, sagt Schrade, hätten seine Eltern nicht in Erwägung gezogen. Aber wirklich wichtig sei nur gewesen, dass die Oma mitfahren konnte, weil sie den Kauf mit ihrem Ersparten unterstützte.
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Zwischen Taunus und Rekord lagen nur 100 Mark
"Vater hatte bei Borgward gelernt, er träumte von der Isabella. Aber die kostete über 7000 Mark – zu teuer." Ford und Opel dagegen trennte nur das Design, nicht der Preis: Der günstigste Opel Rekord P2 war genau 100 Mark billiger als ein Basis-Ford Taunus 17M P3. Und auch die Sanftheit des Fahrens zeigt heute, wie nah sich die beiden Bürgerträume im Herzen ihrer 1,5 l Hubraum sind. Im Opel sitzt es sich hoch und steil, im Ford etwas tiefer und weicher. Das ist tatsächlich der größte Unterschied in der Komfortwertung der beiden Klassiker.
Im Ford Taunus 17M P3 könnte man den zierlichen Taktstock der Lenkradschaltung für einen etwas zu langen Blinkerhebel halten. Im Opel Rekord P2 fällt er so massiv aus, als habe ganz Deutschland damals aus Fahranfänger:innen bestanden, was im Grunde ja auch stimmt. Beide lassen sich auf langen Wegen schalten, aber exakt und butterweich. Beide erstaunen mit der leichtgängigen Unverbindlichkeit ihrer Lenkungen und der knieweichen Art, um Kurven zu wanken. Selbst die blattgefederten Hinterachsen haben sie gemeinsam, noch hindern sie keine Zugstreben oder Stabilisatoren am zügigen Versetzen.
Am Steuer von Ford und Opel kommt ein Gefühl von Lässigkeit auf
Und es ist vor allem der Motorsound, der sie unterscheidet, nicht die ingeniöse Feinheit. Der Ford Taunus 17M P3 klingt eine Nuance rauher als der dezent blubbernde Opel Rekord P2, aber beide Male sind es Graugussblöcke mit seitlichen, stirnradgetriebenen Nockenwellen und einem elastischen Wesen, das den Griff zum Schalthebel nicht allzu oft nötig macht. "In einem Opel Rekord neigt man nicht dazu, sich über das Autofahren zu unterhalten, er lässt anderen Gedanken sehr viel Raum, was seine Fahrer sehr schätzen, von anderen Leuten aber oft als Mangel an Konzentration empfunden wird", schrieb damals der Tester Dieter Korp.
Das gilt auch für den Ford. Und es ergibt heute, am Steuer der über 60-jährigen Limousinen, ein Gefühl sedierender Lässigkeit. Alles ist wichtiger als die Feststellung damaliger Tester:innen, dass der Ford etwas williger durch Kurven eilt als der stur untersteuernde Opel. Selbst Soraya, die verstoßene Kaiserin, wäre wohl prima zurechtgekommen, hätte sie einen Ford Taunus 17M P3 oder Opel Rekord P2 gefahren. So wie rund 1,5 Millionen Käufer:innen, die einen von beiden wählten. Nur die "Quick" verkaufte sich noch besser.
Technische Daten von Ford Taunus P3 und Opel Rekord P2
Classic Cars 02/2020 | Ford Taunus 17M P3 | Opel Rekord P2 |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 4/2 | 4/2 |
Hubraum | 1498 cm³ | 1488 cm³ |
Leistung | 40 kW/55 PS | 37 kW/50 PS |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 111 Nm 2400/min | 107 Nm 1800/min |
Getriebe/Antrieb | 3-Gang-Getriebe/Hinterrad | 3-Gang-Getriebe/Hinterrad |
L/B/H | 4452/1670/1450 mm | 4515/1632/1485 mm |
Leergewicht | 980 kg | 960 kg |
Bauzeit | 1960-1964 | 1960-1963 |
Stückzahl | 669.731 (inkl. Kombi) | 787.684 |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 22 s | 25 s |
Höchstgeschwindigkeit | 136 km/h | 124 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 10 l S | 10 l S |
Grundpreis (Jahr) | 6645 Mark (1960) | 6545 Mark (1960) |
Welchen der beiden Rivalen hätte ich mir als fortschrittlicher Schriftleiter des Jahres 1960 vor den Winkelbungalow gestellt? Keine Frage, es wäre ein Ford Taunus geworden, weil er nicht nur ein günstiges und komfortables Auto war, sondern ein Zukunftsversprechen. Heute reizt mich der Opel Rekord P2 kein bisschen weniger: Die Lässigkeit des deutschen Amis und das leise Ausklingen des 50er-Jahre-Designs haben ihren ganz eigenen Charme. Für Fans des tiefenentspannten Fahrens eignen sich beide. Und am Preis muss es erst recht nicht scheitern: Für ihre historische Bedeutung und den immer noch hohen Nutzwert sind sie ziemlich günstig.