BMW-Chef Oliver Zipse: Interview
"Ein Elektro-Cabrio ist vorstellbar"
Der Chef der BMW-Group setzt auf E-Mobilität, Nachhaltigkeit und hohe Fahrdynamik. Zudem spricht Oliver Zipse über neue Modelle wie ein elektrifiziertes Cabrio oder starke BMW M.
Herr Zipse, zwischen dem voll elektrischen i3 und dem aktuellen i4 liegen acht Jahre. Eine lange Zeit, wenn man bedenkt, dass sich BMW als Elektro-Pionier versteht.
Ich verstehe, dass mancher den Eindruck hat, wir hätten nach dem BMW i3 in Sachen Elektro-Mobilität etwas den Fuß vom Gas genommen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Wir haben das Thema Elektrifizierung sehr konsequent vorangetrieben und unser weltweites Produktportfolio grundlegend neu ausgerichtet sowie unser Produktionsnetzwerk für die E-Mobilität befähigt. Der dazu notwendige Umstellungsprozess ist aufwendig und nimmt Zeit in Anspruch. Aber unser Timing ist optimal: Wir sind jetzt, da die Elektro-Mobilität Fahrt aufnimmt, genau mit den richtigen Produkten am Markt und können unser Angebot schnell skalieren.
Der BMW i5 im Video:
BMW-Chef Oliver Zipse im AUTO ZEITUNG-Interview
Sie sprechen vom "notwendigen Umstellungsprozess". Was meinen Sie damit?
Ein gutes Beispiel ist unser neuer BMW i4. Wir klammern uns nicht an einen Plattformgedanken. Das würde uns zu sehr einschränken. Stattdessen denken wir in Architekturen, Baukästen und Prozessketten. Das ist die Voraussetzung für authentische und charakterstarke Autos mit unterschiedlichen Antriebsvarianten.
Welche Freiheitsgrade bieten Ihre Architekturen?
Sehr viele. Unsere Flexibilität erlaubt es uns, aus bestehenden Varianten unterschiedlichste Derivate abzuleiten und dabei gleichzeitig unsere anspruchsvollen Profitabilitätsziele zu erreichen. Zum Beispiel basieren das 2er Coupé und der BMW X7 auf derselben Architektur. Ich kann mir vorstellen, dass wir dank dieser Architektur-Logik zum Beispiel auch ein elektrisches Cabrio anbieten könnten. Wie viele elektrische Cabrios kennen Sie auf dieser Welt?
Spontan fällt mir kein Serienmodell ein.
Genau. Und warum ist das so? Diese Karosserieform passt nicht in eine Plattform-Logik. Hier heben wir uns deutlich vom Wettbewerb ab. Wir sind es unseren Kunden und unserem Markenversprechen schuldig, auch in Zukunft charakterstarke und emotionale Autos anzubieten. Und dazu gehören natürlich auch Coupés oder Cabrios. Die notwendigen Synergien erzeugen wir über gleiche Teile wie Batterien, Antriebssysteme oder die Connectivity-Anbindungen.
Was bedeutet das für die klassischen Verbrenner?
Derzeit wächst der Markt für E-Fahrzeuge in Europa sehr dynamisch. Uns war aber von Anfang an klar, dass sich die Elektrifizierung weltweit ganz unterschiedlich entwickeln wird. Es ist aus unserer Sicht deshalb nicht zielführend, global nur auf eine einzige Antriebstechnologie zu setzen. Wir können dank unserer Flexibilität die weltweit unterschiedlichen Kundenwünsche erfüllen und nutzen damit gleichzeitig die Potenziale für ein profitables Wachstum.
Sie geben das Stichwort Nachhaltigkeit. Wie wichtig ist das Thema für Sie?
2017 hat die Menschheit erstmals mehr als 100 Milliarden Tonnen Rohstoffe binnen eines Jahres abgebaut – diesem Trend müssen wir auch in der Autoindustrie entgegenwirken. Dabei geht es nicht nur um ökologische, sondern auch um betriebswirtschaftliche Nachhaltigkeit. Denn was geschieht mit einer Industrie, die von begrenzten Ressourcen abhängig ist? Die aktuelle Entwicklung der Rohstoffpreise zeigt diese Auswirkungen sehr deutlich. Der entscheidende Hebel, um dieses Thema zu beherrschen, sind geschlossene Kreisläufe – eine Circular Economy. Wir müssen nicht nur dafür sorgen, dass Fahrzeuge am Ende ihres Lebenszyklus wiederverwertet werden, sondern vor allem eine so hohe Qualität der recycelten Materialien sicherstellen, dass daraus wieder neue Autos entstehen können. Nur so machen wir uns von Rohstoffen unabhängiger.
Sind synthetische Kraftstoffe Teil einer nachhaltigen Mobilität der Zukunft?
Wir sind große Verfechter der Elektro-Mobilität. Und wirklich nachhaltig ist diese Technologie, wenn die grüne Stromerzeugung und das Laden der Autos zum gleichen Zeitpunkt möglich sind – wenn sich also das Windrad dreht, während die Batterie aufgeladen wird, wenn ich das so vereinfacht ausdrücken darf. Das ist aber nicht immer möglich. Deswegen brauchen wir die Möglichkeit, grüne Energie zu speichern. Dabei können E-Fuels und Wasserstoff eine wichtige Rolle übernehmen. Die Debatten um Stromversorgung und Energiespeicher müssen also Hand in Hand gehen.
Könnten E-Fuels denn nicht den Footprint der Bestandsfahrzeuge positiv beeinflussen?
Ja, mit Sicherheit. Auf Europas Straßen sind deutlich mehr als 200 Millionen Fahrzeuge unterwegs – und die halten immer länger, die Zahl steigt also. Sich aus Klimagesichtspunkten ausschließlich auf Neuwagen zu konzentrieren, wäre daher nicht weit genug gedacht. Hier sind E-Fuels eine interessante, wenn auch noch sehr teure Option.
Um die E-Mobilität zu forcieren, gibt es Prämien. Reicht die aktuelle Förderung aus?
Wir sind Verfechter der Marktwirtschaft. Das heißt: Unternehmen sollten grundsätzlich ohne staatliche Förderung erfolgreich arbeiten. Es gibt aber auch Ausnahmefälle, in denen Veränderungsbedarfe so schnell und tiefgreifend sind, dass kein Marktteilnehmer sie allein bewältigen kann. In solchen Situationen, wie wir sie momentan erleben, ist eine vorübergehende Förderung sinnvoll.
Rechnen Sie mit einer Veränderung im Kaufverhalten, wenn die Förderung bis Ende 2025 ausläuft?
Die Förderung und die Marktentwicklung laufen momentan parallel hoch. Wenn die Förderung bis 2025 langsam reduziert wird, ist das sinnvoll. Der Markt hat dann eine kritische Größe erreicht, und das Kundeninteresse dürfte auf einem hohen Niveau liegen. Man sollte die Förderung aber nicht schlagartig kappen, sondern schrittweise anpassen. Ein Langfristprojekt ist und bleibt die Förderung der Infrastruktur. Dort sehe ich mittel- und langfristig den größten Förderbedarf.
Kommen wir zu den klassischen Modellen. Wann werden wir den ersten BMW M mit Hybrid-Power sehen?
Unsere Fahrzeuge bei BMW M werden ebenso elektrifiziert wie die Modelle unserer Kernmarke BMW. Das erste voll elektrische Performance-Fahrzeug von BMW M, den BMW i4 M50, haben wir vor Kurzem der Öffentlichkeit vorgestellt, weitere Modelle wie der BMW iX M60 werden folgen. Und auch Plug-in-Hybride wird es bald bei den BMW M High-Performance Fahrzeugen geben.
Plug-in-Hybride profitieren ebenfalls von der Förderung. Werden Sie diese auch in Kombination mit einem Diesel anbieten?
Der CO2-Einspareffekt bei einer Kombination aus Elektro- und Benzinmotor ist deutlich höher als in der Kombination mit einem Dieselmotor. Dies gilt insbesondere beim typischen Nutzerprofil eines Pendlers. Für Kunden, die jeden Tag längere Strecken zurücklegen, ist dagegen ein hocheffizienter Diesel nach wie vor die beste Lösung. Dazu kommt, dass der Dieselantrieb im Vergleich der großen Weltregionen nur in Europa eine maßgebliche Rolle spielt. Unser Anspruch ist es, den Weltmarkt zu bedienen und die Variantenvielfalt nicht ausufern zu lassen.
Ist der letzte BMW-Verbrennungsmotor bereits entwickelt, oder steckt noch etwas in der Pipeline?
Wir haben uns ganz bewusst nicht für ein dezidiertes Ausstiegsdatum entschieden, weil wir unseren Kunden keine bestimmte Antriebstechnologie vorschreiben. Wie sich die Situation in zehn oder 15 Jahren in einzelnen Märkten darstellt, lässt sich nicht exakt vorhersehen. Das hängt maßgeblich von Rahmenbedingungen ab, die wir nicht unmittelbar beeinflussen können – zum Beispiel von der Ladeinfrastruktur und der Verfügbarkeit von grünem Strom. Klar ist aber: Unser Anspruch als Innovationsführer gilt selbstverständlich auch für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Deswegen entwickeln wir auch diese Antriebstechnologie konsequent weiter. Insbesondere beim Verbrauch, und damit beim CO2-Ausstoß, aber auch bei den Schadstoffemissionen sehen wir noch Potenziale.