Bentley-Chef Adrian Hallmark: Interview "2019 schreiben wir wieder schwarze Zahlen"
Adrian Hallmark, seit Februar 2018 neuer Bentley-Chef, spricht im AUTO ZEITUNG-Interview über Elektromobilität, über die wirtschaftliche Situation und über die Zukunft von Bentley!
Herr Hallmark, Sie sind gut ein Jahr Vorstandsvorsitzender von Bentley. Wie sieht Ihre zukünftige Strategie für Bentley aus?
Mehr Bentley.
Bentley Continental GT im Video:
Bentley-Chef Adrian Hallmark im Interview
Was ist mehr Bentley?
Schauen Sie, 2019 wird Bentley 100 Jahre alt. Ich war 1999 schon mal bei Bentley, damals verantwortlich für den Vertrieb. Wir haben 2001 den Continental GT gelauncht und dieses absolute Luxus-Coupé-Segment begründet. Und es war erfolgreich! Wir haben statt 1000 Autos im Jahr auf einmal 10.000 und mehr verkauft. Der Continental GT ist ein perfekter Grand Tourer.
Das EXP 12 Speed Six Sportwagen-Konzept, das schon auf Messen gezeigt wurde, wird nicht gebaut?
Der Sportwagen-Markt ist sehr limitiert, das weltweite Wachstum überschaubar. Außerdem ist der Konzern bereits mit Porsche und Lamborghini in diesem Segment vertreten, und die meisten Bentley-Kunden haben so ein Auto schon in der Garage. Wir bauen Grand Tourer zum Reisen, mit denen man auch schnell fahren und racen kann. Das ist der Markenkern von Bentley. Beschleunigung und Entspannung in einem Package.
Dazu kommen Manufakturarbeit auf höchstem Niveau und Individualisierung?
Exakt, darauf konzentrieren wir uns. Wir machen die besten Interieurs der Welt. Funktional aber inspirierend. Das ist ein Teil des Grand Tourer-Konzepts: Du fühlst dich beschützt, eingebettet in Luxus, aber nicht exaltiert. Bentley ist immer ein bisschen Understatement, aber eben auch absolute Performance, wenn der Kunde das wünscht. Unsere Technologie und Handwerkskunst müssen wir dabei immer weiterentwickeln.
Derzeit spricht alles über E-Mobilität. Wie passt das zu Bentley?
Ich glaube, Elektrifizierung passt perfekt zum Bentley-Fahrgefühl – sowohl Plug-in-Hybride als auch batterieelektrische Fahrzeuge. Wir starten mit Plug-in, werden aber auch schnellstmöglich vollelektrische Fahrzeuge in den Markt bringen. 45 Prozent unserer Kunden leben in Städten und wünschen sich dieses Angebot. Deshalb werden wir bis 2025 alle Modellreihen hybridisieren.
In welchem Modell wird der batterieelektrische Antrieb zuerst kommen?
Definitiv nicht in einem SUV, denn hohe Luft- und Rollwiderstände kosten Reichweite. Erst ab 2025 wird die Batterietechnologie soweit sein, dass sie für ein SUV wie den Bentayga angemessen ist. Wenn wir derzeit eine Reichweite von 400 bis 500 Kilometern erzielen wollen, brauchen wir ein kleineres Auto.
Ein kleineres SUV?
Das haben wir derzeit nicht in Planung. Aber was für ein Modell es werden wird, kann ich Ihnen noch nicht sagen.
Kommen wir zur aktuellen Situation von Bentley. Derzeit können Sie nicht zufrieden sein, die Verkäufe sind um etwa zehn Prozent rückläufig…
Wir konnten uns 2017 über ein Rekordjahr freuen. Leider hat sich die Markteinführung des neuen Continental GT Anfang 2018 verzögert, und gleichzeitig lief die Produktion des Flying Spur aus. Das kostete uns im ersten Halbjahr 2018 rund 30 Prozent unseres Geschäfts. Außerdem kam natürlich noch die Umstellung auf WLTP dazu, die uns zusätzlich Zeit kostete.
Derzeit schreibt Bentley rote Zahlen. Werden Sie dieses Jahr noch positiv abschneiden?
Im Jahr 2019 schreiben wir wieder schwarze Zahlen.
Obwohl der Bentayga sich nur noch schleppend verkauft?
Der Bentayga verkauft sich immer noch gut, obwohl die Verkäufe weltweit um fünf Prozent zurückgegangen sind. Das Auto ist für Bentley enorm wichtig. Wir haben damit das Segment der absoluten Luxus-SUV begründet. Leider kommt der Bentayga-Hybrid deutlich später als geplant. Durch die Umstellung auf WLTP startet er erst im dritten Quartal 2019. Zusammen mit dem neuen V8 wird der Bentayga wieder durchstarten.
Sie haben den Bentayga-Diesel aus dem Programm genommen …
Der Diesel-Anteil lag bei Bentley nur bei etwa zehn Prozent. Der Motor passte hervorragend – auch von der Reichweite her –, aber global bevorzugen die Käufer in diesem Segment den W12 und auch den neuen V8-Benziner.
Der Automobilmarkt ändert sich rasant. Ist der konservative Luxus von Bentley noch zeitgemäß, oder müsste Bentley nicht moderner und digitaler inszeniert werden?
Wir sind darauf vorbereitet, Bentley als progressive Luxusmarke zu positionieren. Gerade für die postmoderne, wohlhabende Klientel wird Bentley eine andere Designsprache entwickeln müssen, die mit der Umgebung wie zum Beispiel modernen Städte korrespondiert. Dafür ist die E-Mobilität die perfekte Plattform. Es wird aber weiterhin Bentley-Modelle geben, die im Design den Geschmack unserer zurückhaltenderen Kundschaft bedient.
Was wird sich im Interieur tun? Gibt es künftig auch nur noch Touchscreens im Bentley?
Touchscreens sind schon beinahe antiquiert. Nächstes Jahr werden wir zeigen, wie sich Bentley einen Innenraum in Zukunft vorstellt. Wir arbeiten mit den bewährten Bentley-Materialien, aber die Bedienung ist komplett sprachbasiert. Nur wenige Funktionen, die direkt das Fahren betreffen, sind noch mechanisch.
Kommen wir zum Motorsport. Wie sieht hier die Zukunft von Bentley aus?
Wie Sie wissen, haben wir eine lange Motorsport-Tradition, insbesondere dank der Le Mans-Siege. Bentley ist dennoch keine Sportwagenmarke. Wir werden zunächst nicht in die Formel E einsteigen. In der GT3-Serie werden wir jedoch auch weiter dabei sein. Sollten irgendwann Endurance- Rennen mit elektrischen Fahrzeugen stattfinden, dann wäre das sicherlich interessant für Bentley.
Bentley verkauft im Jahr etwas über 10.000 Autos – bei einer Beschäftigtenzahl von 4200. Das zeugt von einer sehr hohen Produktionstiefe. Muss der Output nicht höher sein, z.B. mehr Modelle?
Wir entwickeln fast alles selbst. Deshalb haben wir viele Ingenieure. Und die spezielle Bentley-Qualität erfordert auch noch Handarbeit. Fünf Modelle reichen uns zunächst, nämlich Continental GT, Continental GT Convertible, Bentayga, Flying Spur und Mulsanne. Damit liefern wir dem Kunden die beste Auswahl an Luxus und Performance.
Was ist mit weiteren SUV?
Über ein Bentayga Coupé haben wir nachgedacht. Aber eine Langversion würde wohl mehr Sinn machen. Wir haben aber noch nichts entschieden.
Was ist an den Gerüchten dran, dass Bentley zusammen mit Lamborghini und Bugatti als Luxus-Brand-Gruppe an der Börse gelistet werden soll?
Es gibt keine Pläne dazu. Für unsere Marke würde es auch keinen Sinn machen. Wir sind deshalb stabil und erfolgreich, weil wir unser Geschäft immer langfristig betrachten.
Welche Folgen wird der Brexit für Bentley haben?
Das ist schwer zu beantworten. Es wird entscheidend davon abhängen, was am Ende verhandelt wird. Aber wir versuchen, uns, so gut es geht, darauf vorzubereiten.