Porsche-Chef Oliver Blume: Interview
"Perspektivisch wird der Markt für eFuels wachsen"
Als erster Autohersteller hat Porsche ein Projekt zur Gewinnung von klimaneutralen synthetischen Kraftstoffen gestartet. Im Interview mit der AUTO ZEITUNG erklärt Porsche-Chef Oliver Blume, was er mit den eFuels vorhat und welche Preise realistisch sind.
Herr Blume, fast alle Marken des VW-Konzerns setzen ausschließlich auf Elektro-Mobilität. Porsche hat jetzt in Chile gemeinsam mit anderen Partnern den Bau einer Produktionsstätte für eFuels begonnen. Warum gehen Sie diesen Sonderweg?
Auch Porsche setzt auf Elektro-Mobilität. Gleichzeitig sind wir im Volkswagen-Konzern der Pionier für eFuels – nahezu CO2-neutral einsetzbar und mit erneuerbaren Energien hergestellt. Diese Kraftstoffe sind für die Automobilindustrie ebenso relevant wie für die Luft- und Schifffahrt. eFuels ergänzen unsere Elektro-Mobilität sinnvoll. Wir haben uns ehrgeizige Ziele gesetzt: Bereits 2030 werden 80 Prozent unserer Fahrzeuge mit einem elektrischen Antrieb ausgeliefert – als Hybrid oder vollelektrisch.
Der Porsche Mission R im Video:
Porsche-Chef Oliver Blume im AUTO ZEITUNG-Interview
Kritiker halten eFuels für zu teuer in der Produktion – welchen Literpreis halten Sie für realistisch?
Wir starten im nächsten Jahr und werden mit unseren Partnern 130.000 Liter herstellen. Die Kosten in dieser Pilotphase liegen bei rund zehn Dollar pro Liter. Perspektivisch wird der Markt für eFuels wachsen, deshalb gehen wir in einigen Jahren von einem Preis unter zwei Dollar pro Liter aus.
Planen sie weitere Anlagen? Auch offshore, zum Beispiel in der Nordsee, wären solchen Produktionsanlagen möglich.
Wir konzentrieren uns voll auf unsere eFuels-Anlage in Punta Arenas im Süden Chiles mit Wind an rund 300 Tagen im Jahr. Es bläst dort so kräftig, dass die Anlage fast rund um die Uhr unter Volllast fahren kann. Für die Regierung in Chile ist übrigens die Aussicht, auf diese Weise zum Energie-Exporteur zu werden, ein reizvolles, künftiges Wirtschaftsmodell. Wichtig ist: eFuels machen dann Sinn, wenn man sie an Orten produziert, wo regenerative Energie im Überfluss vorhanden ist. So wie in Chile.
Wie wollen Sie die eFuels zu den Kunden bringen – werden die Porsche-Autohäuser und -Niederlassungen weltweit zu Tankstellen?
Die eFuels kommen per Schiff nach Deutschland. In der Saison 2022 betanken wir damit zuerst die Rennwagen des Porsche Mobil 1 Supercup. Wir wollen mit unserem Leuchtturmprojekt zeigen, dass diese großartige Technologie funktioniert. Später nutzen wir die eFuels unter anderem für die erste Tankfüllung unserer fabrikneuen Elfer. Auch in unseren Experience-Centern, in der Fahrzeugerprobung und in der Bestandsflotte ist ein Einsatz denkbar. Klar ist: Porsche wird kein Kraftstoffhersteller. Wir sehen unsere Kompetenz in der Spezifikation der Kraftstoffe. Unsere Ingenieure wissen genau, welche Kraftstoffeigenschaften unsere Motoren für den klimafreundlichen Betrieb benötigen.
Werden die eFuels von Porsche ausschließlich Porsche-Fahrern vorbehalten bleiben?
Im ersten Jahr der Pilotphase beziehen wir die komplette Menge von rund 130.000 Litern des grünen Benzins. Die Produktion geht Mitte 2022 los. Die Verhandlungen für die Folgejahre laufen noch. Wir sehen großes Interesse an den eFuels aus Chile. Für synthetische Kraftstoffe wird ein großer Markt entstehen – auch in anderen Verkehrssektoren, beispielsweise im Luftverkehr oder in der Schifffahrt. Wir sehen uns also branchenübergreifend als Pionier.
Porsche-Entwicklungsvorstand Michael Steiner hat bei der Vorstellung des Projekts besonders den 911 als für eFuels geeignet hervorgehoben – das heißt, das Modell wird auch in Zukunft nicht komplett oder nur teilweise elektrifiziert?
Der 911 ist unsere Ikone und wird es bleiben. Wir denken über eine sehr sportliche Hybridisierung nach, wie wir sie aus dem Rennsport kennen. Mit dem 919 Hybrid haben wir schließlich dreimal in Folge Le Mans gewonnen. Auf absehbare Zeit bleibt der 911 also ein Verbrenner und eignet sich als solcher hervorragend für grüne eFuels.
Im Sommer war zu lesen, dass Porsche die neuen V4Drive-Batteriezellen von Varta auch im 911 einsetzen will …
Wir können bei all unseren Fahrzeug- oder Entwicklungsprojekten mit zwei oder mehr Batterielieferanten zusammenarbeiten. Entscheidend ist immer die Expertise der Partner. Wer den Zuschlag erhält, kommunizieren wir zu gegebener Zeit.
Der Porsche 911 konnte zumindest anfangs in China bei den Kunden keine großen Erfolge feiern. Wollen Sie mit den sauberen eFuels auch dort den Absatz steigern?
Wir sind in China stark unterwegs. Das Land ist der größte Einzelmarkt für Porsche. Insbesondere die Nachfrage nach zweitürigen Sportwagen ist dort zuletzt stark gestiegen. Zwischen Januar und Juni dieses Jahres haben wir rund 2400 Einheiten des 911 ausgeliefert, 83 Prozent mehr als im Vorjahr. Über alle Modellreihen haben wir im ersten Halbjahr ein Plus von 23 Prozent erreicht. Das sind tolle Zahlen einer starken Mannschaft.
Sehen Sie auch andere Fahrzeuge wie den 718 für eFuels prädestiniert?
Wir schauen in der Pilotphase vor allem auf den 911. Aber die eFuels eignen sich auch für alle Porsche-Modelle mit Verbrennungsmotor, da die Fahrzeuge nicht nachgerüstet werden müssen. Auch unsere Hybrid-Modelle würden davon profitieren. Ein weiterer Vorteil: Für eFuels kann die bestehende Tankstellenstruktur genutzt werden.
Sind die modernen synthetischen Kraftstoffe auch für die Motoren von älteren Fahrzeugen von Porsche geeignet?
Auf jeden Fall. Von allen jemals gebauten Porsche existieren noch sieben von zehn Fahrzeugen. Viele davon werden noch lange mit einem Verbrennungsmotor fahren. Für diesen Bestand wären eFuels eine gute Lösung. Momentan erproben wir verschiedene Varianten von synthetischem Kraftstoff auch in unseren historischen 911-Modellen – mit überzeugenden Ergebnissen.
Setzt Porsche ebenfalls auf weitere Alternativen wie die Brennstoffzelle?
Wir beobachten die Brennstoffzellen-Forschung sehr genau, auch wenn wir selbst keine entwickeln. Wasserstoff ist die Basis unserer eFuels. Aber der Transport von reinem Wasserstoff ist durch die notwendige starke Kühlung und Verdichtung viel aufwendiger. Zudem ist unsere heutige Infrastruktur dafür nicht geeignet. Für die Nutzung im Auto wäre die Brennstoffzelle als weiteres Aggregat erforderlich – zusätzlich zum E-Motor. Das ist vom Package her für unsere Sportwagen nicht ideal. Deshalb sind synthetische Kraftstoffe die passende Lösung.