Gallardo Spyder Performante (2010): Retro-Testfahrt
Der Leichtbau-Gallardo ist eine Wucht
Für die Retro-Testfahrt begeben wir uns ins gut gefüllte AUTO ZEITUNG-Archiv: Hier finden wir Fahrberichte faszinierender Autos. Dieses Mal: der Lamborghini Gallardo LP 570-4 Spyder Performante von 2010.
Unter 1000 Kilo heißt ein wichtiges Zukunftsziel renommierter Sportwagenmarken. Nur so viel sollten Neuentwicklungen wiegen, die neben allen marktüblichen Sicherheitsmerkmalen auch sparsam und hoch dynamisch zu fahren sind. Soweit die Zielsetzung, an der Ferrari ebenso arbeitet wie Porsche. Und Lamborghini möchte schon heute zeigen, dass die italienische Tochtermarke von Audi im Bau extrem leichtgewichtiger Karosserien die Nase vorn hat. Zur Paris Motorshow war deshalb mit dem Konzeptfahrzeug Sesto Elemento ein komplett aus sehr leichter und hochfester Kohlefaser gefertigter Zweisitzer im Format des Lamborghini Gallardo zu sehen, der nur 999 kg wiegt.
Quasi auf dem Weg dorthin ist der Gallardo LP 570-4 Spyder Performante entstanden, gewissermassen als Zwischenbilanz. Die offene Version des Hochleistungs-Gallardo Superleggera wurde auf der Los Angeles Motor Show gezeigt. Wir entführten den Spyder Performante auf die Straßen Südkaliforniens, um von seinem V10-Mittelmotor mit 5,2 l Hubraum, 570 PS (419 kW) (plus zehn PS) und der – in dieser Klasse beachtlichen – Gewichtsersparnis von 65 auf 1485 kg gegenüber dem "gewöhnlichen" Carbon-Supersportler mit 570 PS zu kosten.
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Retro-Testfahrt: Leichtbau im Lamborghini Gallardo LP 570-4 Spyder Performante
Sehr knapp überm Asphalt finden zwei Personen in Alcantarabezogenen Carbon-Sitzschalen Platz. Den keilförmig abfallenden Vorderwagen im Stil eines Kampfjets sehen sie nicht. Auffällig: Der Spyder Performante ist kein total abgespeckter Leichtbau. Das handvernähte Leder ist angenehm griffig, die Blenden in der Mittelkonsole, die Instrumenteneinfassung und die Abdeckung des Mitteltunnels einschließlich der Schaltkulissen-Abdeckung aus Kohlefaser sparen zwar Gewicht. Doch auf Klimaanlage und elektrische Fensterheber muss niemand verzichten.
Die Aluminium-Karosserie über der hochfesten, gleichfalls aus leichtem Alu gefertigten Fahrzeugstruktur (Spaceframe) wird von der großflächigen Motor- und Verdeckabdeckung sowie von Anbauteilen aus Kohlefaser zur Optimierung der Aerodynamik ergänzt: den Schwellerleisten, dem Heckflügel und dem Diffusor, der Unterbodenverkleidung und den Außenspiegelgehäusen. Wer es deftiger liebt, kann einen nochmals höheren Heckspoiler bestellen. Die neue Front mit tief heruntergezogenen, messerscharfen Stegen um die trapezförmigen Lufteinlässe durchströmt mehr Kühlluft und erhöht den Abtrieb über der Vorderachse. Bellend springt das Aggregat des Spyder Performante an – lauter als im Superleggera, dem Coupé. Diese Expressivität muss man selbstbewusst tragen, will man von der betörenden Dynamik des offenen Flachmanns kosten, beispielsweise vom Sprint auf 100 km/h in nur 3,9 s, wenn der Fahrtwind das Haupthaar legt. Wer es denn offen trägt.
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Demgegenüber bereitet die fehlende Elastizität des gewaltigen Motors unter 2500/min nur verhaltene Freude. Der V10 reagiert auf den Gasfuß kaum. Spontaner gehts ab 3500/min zu, wenn Klappen im Saugrohr öffnen und die Nockenwellen auf schärfere Steuerzeiten schalten. Der Extra-Boost wird von kehligem Fanfarengeschmetter aus den Endrohren begleitet. Jetzt stellt sich Renn-Atmosphäre ein, und es geht tierisch voran. Nur Wimpernschläge später kratzt die Nadel des Drehzahlmessers an der 8000er-Marke, der Gallardo verlangt nach dem zweiten Gang. Dabei entlastet der Vorderwagen so stark, dass man die Lenkung stets im Griff halten muss – trotz des Allradantriebs, der im Normalfall 30 Prozent der Kraft nach vorn leitet. Erst mit dem Einlegen der dritten Stufe des automatisierten Schaltgetriebes "e-gear" kehrt genug Lenkgefühl zurück, um Kurven messerscharf durcheilen zu können. Seine Höchstgeschwindigkeit von 324 km/h werde mit offenem wie geschlossenem Stoffverdeck erreicht, verspricht Lamborghini.
Die scharfen Karosseriekanten setzen sich im knapp geschnittenen Faltdach des Spyder fort. Auf Knopfdruck öffnet es in weniger als 20 s vollautomatisch. Der neue Lamborghini Gallardo LP 570-4 Spyder Performante schöpft seine Faszination aus der rauen Herzlichkeit des Antriebsaggregats, seiner bis in den Grenzbereich hohen Traktion, dem Konzert aus Motorsound und Fahrtwind, der bei hohem Tempo zwar scharf weht, aber nur die Kopfhaut rasiert. Denn die tiefe Sitzposition und die weit über den Fahrgastraum reichende Windschutzscheibe bieten erstaunlich viel Schutz. Doch die Begeisterung hat ihren Preis: Lamborghini verlangt 217.651 Euro, wahlweise auch mit Sechsgang-Handschaltung. Mama mia!
von Jürgen Zöllter
Technische Daten des Lamborghini Gallardo LP 570-4 Spyder Performante
AUTO ZEITUNG 2010 | Lamborghini Gallardo LP 570-4 Spyder Performante |
Technische Daten | |
Motor | V10-Zylinder, 4-Ventiler; 5204 cm³ |
Antrieb | 6-Gang; Automatik; Allrad |
Leistung | 419 kW/570 PS |
Max. Drehmoment | 540 Nm |
Karosserie | |
Außenmaße (L/B/H) | 4386/1900/1184 mm |
Leergewicht/Zuladung | 1485/k.A. kg |
Kofferraumvolumen | 110 l |
Fahrleistungen | |
Beschleunigung (0-100 km/h) | 3,9 s |
Höchstgeschwindigkeit | 324 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 13.6 l S |
Kaufinformationen | |
Grundpreis | 217.651 € |
Marktstart | 2010 |
Alle Daten Werksangaben |