Audi A6/BMW 5er/Mercedes E-Klasse/Volvo S90: Test Volvo S90 fordert die Deutschen
Der Volvo S90 zieht mit mit seinem eigenständigen Stil alle Blicke auf sich. Ob der Schwede Audi A6, BMW 5er und Mercedes E-Klasse hinter sich lassen kann, klärt der Oberklasse-Vergleichstest.
Der Generationenwechsel in der Oberklasse schreitet weiter voran. Nach der Mercedes E-Klasse geht nun der komplett erneuerte Volvo S90 ins Rennen um die Gunst der anspruchsvollen Kundschaft. Mit eigenständigen technischen Lösungen sowie luxuriösen Ausstattungsdetails soll sich der Schwede einen festen Platz an der Spitze des Segments erkämpfen. Dort warten aber neben dem Mercedes auch noch Audi A6 und BMW 5er. Dem Vergleichstest stellen sich die vier repräsentativen Limousinen mit zwei Liter großen Vierzylinder-Turbodieseln um die 190 PS. Fast fünf Meter Länge und knapp 1,90 Meter Breite: Der neue Volvo S90 ist eine überaus stattliche Limousine. Mit diesen Abmessungen überragt der Schwede sogar den Audi A6, der bislang zu den größten Modellen im Segment zählte. Entsprechend geräumig geht es im Innenraum des edlen Nordeuropäers zu – selbst wenn das optionale Schiebedach die Kopffreiheit vorn gerade im Vergleich zur Mercedes E-Klasse etwas einschränkt. Und auch hinten treten die Frisuren der Fahrgäste eher mit dem Dachhimmel in Kontakt als bei den Wettbewerbern – die coupéhaft abfallende Dachlinie fordert hier ihren Tribut. Dafür genießen die Passagiere in Reihe zwei, wie auch bei den Kontrahenten, eine mehr als großzügige Beinfreiheit. Der Kofferraum fällt mit einem immer noch praxistauglichen Fassungsvermögen von 500 Litern allerdings kleiner aus als bei den Konkurrenten. Zudem erschwert die eher schmale Ladeluke das Verstauen sperrigerer Gegenstände. Eine Unart, die der Volvo mit seinen deutschen Rivalen teilt: Eine umlegbare Rückbank ist selbst in dieser Preisklasse nur gegen Aufpreis zu haben.
Volvo S90 im Video:
Test: Audi A6, BMW 5er, E-Klasse gegen Volvo S90
Standard im Volvo S90 ist hingegen die aufgeräumte Armaturentafel mitsamt des riesigen Zentraldisplays. Das Cockpit des Schweden verzichtet nahezu vollständig auf klassische Tasten und Regler. Fast sämtliche Einstellung werden über den Tablet-förmigen Touchscreen vorgenommen. Allerdings ist die Bedienung weit weniger eingängig als beim Klassenprimus BMW 5er. Die beinahe zahllosen Untermenüs, die zudem auf mehrere Seiten verteilt sind und via Wischbewegungen erreicht werden müssen, erschweren das Finden einiger Funktionen massiv. Außerdem verlangt das präzise Treffen der diversen Icons auf dem Bildschirm viel Aufmerksamkeit vom Fahrer, sodass grundlegende Einstellungen möglichst im Stand erledigt werden sollten. Nichts zu meckern gibt es hingegen an der Sicherheitsausstattung des hochmodernen Skandinaviers. Bereits in der Basisausführung sind unter anderem ein Spurhalteassistent, ein Notbremsassistent, eine Verkehrszeichenerkennung und auch ein Abstandsregler, der sogar teilautonomes Fahren bis 130 km/h beherrscht, serienmäßig an Bord.
In Premium-Oberklasse ist Komfort gefragt
Der Volvo S90 basiert auf der sogenannten SPA-Plattform (skalierbare Produktarchitektur), die auch der XC90 nutzt. Somit verfügt auch die neue Business-Limousine über eine unkonventionelle Hinterachse mit einer Querblattfeder aus Verbundmaterial. Trotz der 20 Zoll großen Bereifung unseres Testwagens präsentiert sich der S90 damit als überaus angenehmes Langstreckengefährt. Lange Wellen, wie sie auf Autobahnen oder Landstraßen auftreten können, gleicht das Feder-Dämpfer-Setup des Schweden kompetent aus. Bei langsamerer Fahrt über Querfugen oder Kanten offenbart der S90 aber ein leicht hölzernes Naturell. Und auch der Abrollkomfort der optionalen üppigen Bereifung ist nicht der beste. Das feinnervige Abtasten schlechter Straßen gehört hingegen zu den echten Spezialitäten des BMW 520d. Kein anderer Kontrahent reagiert derart sensibel auf Anregungen wie der 5er, sofern er mit den adaptiven Dämpfern (1300 Euro) ausgerüstet ist. Dabei entpuppt sich die herkömmliche Comfort-Einstellung als der angenehmste der zur Verfügung stehenden Fahrmodi. Im softeren Programm Comfort+ neigt der Bayer auf langen Wellen zum Nachschwingen. Die optionalen Luftfederungen von Audi A6 und Mercedes E-Klasse spielen ihre Stärken erst mit steigender Beladung und Geschwindigkeit ganz aus. Dabei beeindruckt vor allem die E-Klasse bei maximaler Zuladung mit immens hohen Reserven, während der BMW und auch der Volvo vollbeladen ihren zur Verfügung stehenden Federweg auf schlechten Straßen schon bei niedrigeren Geschwindigkeiten aufbrauchen.
Geräuschdämmung in E-Klasse von Vorteil
Neben einer komfortablen Federung sind in der Oberklasse auch bequeme Sitze ein wichtiges Kriterium. Im Volvo S90 sorgen die zierlich wirkenden Vordersitze für ein gesteigertes Wohlbefinden beim Reisen. Sie begünstigen aufgrund ihrer anschmiegsamen Polsterung und der weitreichenden Einstellmöglichkeiten ein ermüdungsfreies Kilometerfressen. Allerdings kosten die ausfahrbare Sitzfläche und die justierbaren Wangen Aufpreis. Unser Testwagen von BMW ist mit elektrisch einstellbaren Ledersitzen ausgerüstet. Diese sind aufgrund der angenehmen Polsterung auch auf langen Strecken bequem, der Seitenhalt könnte aber besser sein. Großgewachsene stören sich zudem an der nicht ausziehbaren Oberschenkelauflage. Die optionalen Sportsitze im Audi A6 bieten beides: sowohl eine verlängerbare Sitzfläche als auch ordentlichen Seitenhalt. Diese Eigenschaften sowie der günstige Aufpreis von 635 Euro machen sie zu einer echten Empfehlung. Ein großes Lob verdienen ferner die hervorragenden Komfortsitze der Mercedes E-Klasse. Sie kombinieren eine wirkungsvolle Seitenabstützung des Körpers mit der bequemsten Polsterung. Allerdings sind sie nicht ganz billig, da sie zum Exclusive-Interieur-Paket gehören. Kostenpunkt: 2975 Euro. Wie der Audi A6 und der Volvo S90 ist auch der Mercedes E 220 d mit einer zusätzlichen geräuschisolierenden Verglasung ausgerüstet. Dementsprechend gefallen alle drei Limousinen selbst bei hohen Geschwindigkeiten mit niedrigen Windgeräuschen. BMW offeriert für den noch aktuellen 5er keine weitere Geräuschdämmung.
Diesel des Volvo S90 hat es Vergleich schwer
Mit 190 beziehungsweise 194 PS (Mercedes) sind alle vier Testkandidaten mehr als ausreichend kräftig motorisiert. Einigkeit herrscht ferner, was das maximale Drehmoment der 2,0 Liter großen Turbodiesel angeht: Sie stemmen samt und sonders 400 Newtonmeter auf die jeweilige Kurbelwelle. Dennoch gibt es Unterschiede bei den Fahrleistungen. Der Mercedes E 220 d ist mit einer Höchstgeschwindigkeit von 240 km/h der Schnellste im Bunde. Er präsentiert sich zudem als der talentierteste Sprinter und beschleunigt aus dem Stand in 7,5 Sekunden auf 100 km/h. Der Audi und der Volvo lassen sich für dieselbe Übung 0,6 Sekunden länger Zeit, während der BMW 7,8 Sekunden benötigt. Letzterer geht allerdings am sparsamsten mit dem Kraftstoff um und verbrennt lediglich 5,9 Liter Diesel auf 100 Kilometern. Der S90 hingegen ist mit einem Durchschnittsverbrauch von 6,5 Litern nicht nur der Durstigste: Gerade im Vergleich zu den wirksam gekapselten Triebwerken von Audi und BMW wirkt der Volvo-Turbodiesel auch weniger kultiviert. Vor allem das Dröhnen bei höheren Drehzahlen passt nicht zu Volvos Premiumanspruch. Dass dem Schweden lässiges Dahincruisen mehr behagt als permanente Höchstleistung, zeigt die Zeit auf dem Handlingkurs. Dort verliert der 1776 Kilogramm schwere Skandinavier auf den Schnellsten im Quartett (Audi) ganze 3,7 Sekunden, was auch an der vergleichsweise kräftigen Untersteuertendenz sowie dem übervorsichtig abgestimmten ESP liegt. Letzteres bremst den Volvo oft früher ein als nötig. Davon abgesehen benötigt der S90 größere Lenkwinkel als die Kontrahenten und bietet nicht jenes feinnervige Feedback, das beispielsweise immer noch zu den maßgeblichen Eigenschaften des BMW gehört. Verlass ist jedoch auf die Volvo-Bremsanlage, die angemessene Werte liefert.
Bei Fahrdynamik haben die Bayern Nase vorn
Neben seinem lebendigen, durch die Vierradlenkung (1750 Euro) begünstigten Einlenkverhalten begeistert der BMW 5er mit seiner nicht enden wollenden Traktion. Die begrenzte Seitenführung der schmalen Testwagen-Bereifung setzt dem Münchner in schnellen Kurven aber früher ein Limit als die breiteren Pneus von Mercedes E-Klasse und Audi A6. Der Ingolstädter meistert den Handlingkurs und auch den Slalom-Parcours am flottesten, was zu einem großen Teil seinem leichtfüßigen Einlenkverhalten zuzuschreiben ist. Das heißt jedoch nicht, dass der Bayer frei von fahrdynamischen Schwächen ist. Wie auch der Volvo S90 schickt der Audi A6 seine Antriebskraft an die Vorderräder. Störende Antriebseinflüsse konnten die Ingolstädter zwar wirkungsvoll herausfiltern, das Lenkgefühl leidet darunter jedoch etwas. Darüber hinaus reagiert der A6 bei deaktiviertem ESP auf Lastwechsel mit einem kräftig nach außen drängenden Heck. Der Mercedes E 220 d beeindruckt mit seiner beim Einlenken förmlich auf dem Asphalt klebenden Vorderachse und der hervorragenden Bremsanlage. Ein Bremsweg von 33,4 Metern im kalten und 31,8 Metern im warmen Komponentenzustand sind für eine gut 1,8 Tonnen schwere Limousine eine echte Ansage. Davon könnte sich gerade der BMW 5er mit seinen knapp 36 Meter langen Bremswegen eine Scheibe abschneiden.
Volvo ist günstigster Testkandidat
Wie die anderen Teilnehmer dieses Vergleichstests ist auch der Volvo S90 alles andere als ein Schnäppchen. Zwar liegt sein Einstandspreis bis zu 4374 Euro unter dem der drei deutschen Limousinen. Da wir für die Bepunktung aber einige teure Optionen des Testwagens mit einfließen lassen müssen – etwa die Einstellung der Sitzwangen und -fläche für 1880 Euro, die es übrigens erst ab der 5350 Euro teuren Ausstattung Momentum gibt –, erreicht der Schwede am Ende den nach dem Mercedes E 220 d zweithöchsten bewerteten Preis. Von den laufenden Kosten her liegt der S90 auf einem Niveau mit den Wettbewerbern. Den Sieg im Kostenkapitel sichert sich derweil der Audi A6, der mit dem bewertungsrelevant niedrigsten Preis und den günstigsten Typklassen-Einstufungen punktet. Der BMW 520d wiederum verliert aufgrund seiner kostspieligen Vollkasko-Einstufung sowie der kürzeren Mobilitätsgarantie wertvolle Zähler auf den Ingolstädter. Unser Gesamtfazit lesen Sie unterhalb der Tabellen mit technischen Daten und Messwerten.
Technische Daten | Audi A6 2.0 TDI ultra | BMW 5er 520d |
Zylinder/Ventile p.Z. | R4/4; Turbodiesel | R4/4; Turbodiesel |
Nockenwellenantrieb | Zahnriemen | Kette |
Hubraum | 1968 cm³ | 1995 cm³ |
Leistung bei | 140 kW/190 PS 3800–4200 /min | 140 kW/190 PS 4000 /min |
Max. Drehmoment bei | 400 Nm 1750–3000 /min | 400 Nm 1750–2500 /min |
Getriebe | 7-Gang, Doppelkupplung | 8-Stufen- Automatik |
Antrieb | Vorderrad | Hinterrad |
L/B/H in mm | 4933/1874/1445 | 4907/1860/1464 |
Gepäckraum | 530 l | 520 l |
0-100 km/h | 8,1 s | 7,8 s |
0-160 km/h | 19,9 s | 20,0 s |
Höchstgeschw. | 232 km/h | 233 km/h |
100-0 km/h kalt/warm | 34,3 / 33,8 m | 35,9 / 35,8 m |
Handling | 1:47,1 min | 1:49,7 min |
Testverbrauch | 6,1 l D/100 km | 5,9 l D/100 km |
Grundpreis | 44.600 Euro | 45.450 Euro |
Platzierung | 2 | 3 |
Technische Daten | Mercedes E-Klasse E 220 d | Volvo S90 D4 |
Zylinder/Ventile p.Z. | R4/4; Turbodiesel | R4/4; Biturbodiesel |
Nockenwellenantrieb | Kette | Kette |
Hubraum | 1990 cm³ | 1969 cm³ |
Leistung bei | 143 kW/194 PS 3800 /min | 140 kW/190 PS 4250 /min |
Max. Drehmoment bei | 400 Nm 1600–2800 /min | 400 Nm 1750–2500 /min |
Getriebe | 9-Stufen- Automatik | 8-Stufen- Automatik |
Antrieb | Hinterrad | Vorderrad |
L/B/H in mm | 4923/1852/1468 | 4963/1895/1443 |
Gepäckraum | 540 l | 500 l |
0-100 km/h | 7,5 s | 8,1 s |
0-160 km/h | 19,4 s | 20,1 s |
Höchstgeschw. | 240 km/h | 230 km/h |
100-0 km/h kalt/warm | 33,4 / 31,8 m | 34,0 / 34,1 m |
Handling | 1:48,9 min | 1:50,8 min |
Testverbrauch | 6,2 l D/100 km | 6,5 l D/100 km |
Grundpreis | 47.124 Euro | 42.750 Euro |
Platzierung | 1 | 4 |
Der neue Volvo S90 sammelt mit seiner gelassenen Art und dem guten Fahrkomfort viele Sympathiepunkte. Vor allem im Handling muss der Schwede aber gegen die deutschen Wettbewerber Federn lassen. Dass er in diesem knallharten Wettbewerbsumfeld am Ende lediglich Vierter wird, dürfte seine Fans aber nicht stören. Der Sieg geht indes an die Mercedes E-Klasse. Üppiges Platzangebot, gute Fahrleistungen sowie das hohe Sicherheitsniveau inklusive einer hervorragenden Bremsperformance sind ihre größten Stärken. Der Audi A6 sichert sich mit bekannten Tugenden verdient den zweiten Rang: Die ausgeprägte Fahrdynamik, die im direkten Vergleich eher niedrigen Preise und eine perfekte Verarbeitung im Innenraum sprechen für ihn. Der BMW 5er schlägt sich immer noch achtbar. Das Motorkapitel entscheidet er sogar für sich. In manchen Bereichen wie etwa der schwachen Bremsleistung kann der Münchner sein Alter jedoch nicht mehr kaschieren.