Alfa Romeo Giulia/Audi A4/BMW 3er: Vergleichstest Giulia fordert A4 und 3er
38 Jahre nach der letzten Vorgängerin besinnt sich die Alfa Romeo Giulia auf traditionelle Werte. Im Vergleichstest mit Audi A4 und BMW 3er muss Giulia zeigen, dass sie mehr als eine hübsche Alternative ist.
Sportlich, drahtig, eigenständig und emotional. Das sind die Parameter, die man instinktiv von einer Alfa Romeo Giulia erwartet. Die Nachfolger der klassischen Fahrspaß-Limousine aus Italien haben sich allerdings immer weniger an die eisernen Merkmale dieses Wertekanons gehalten und sind daher im Vergleich mit Audi A4 und BMW 3er zurückgefallen. Mangelnde Zuverlässigkeit zuerst, dann Umstieg auf eine wenig charismatische Frontantriebsplattform des Fiat-Konzerns, schließlich Fettansatz. Nach Alfa 75, 155 und 156 kam der 159 – und dann lange nichts mehr. Sendepause. Stillstand in Arese, großes Umräumen, Ratlosigkeit. Dass sich ausgerechnet eine Marke mit so klarem, mitreißendem Profil so scheinbar konzeptlos abmelden konnte, wird immer ein Rätsel bleiben. Aber jetzt: Unter der Führung des langjährigen deutschen CEO Harald Wester hat die Marke mit geblähten Nüstern wieder die alte Fährte aufgenommen und nach ebenso langer wie gründlicher Vorbereitungsphase eine neue Giulia auf die Räder gestellt – mit Hinterradantrieb, hochverdichteter Emotions-Architektur und ganz eigenständigem Konzept ohne Konzern-Technik-Mischmasch. Dazu ein tolles Design, kein Lifestyle-Speckrand, sondern elegante Raffinesse.
Alfa Romeo Giulia QV im Video:
Alfa Romeo Giulia im Test gegen 3er und A4
Dass die Alfa Romeo Giulia klar auf den Klassenprimus mit Heckantrieb, den BMW 3er zielt, daraus hat Alfa-Chef Wester nie ein Geheimnis gemacht. Und genau deshalb rollt ein BMW 320d mit zu unserem ersten Date mit der Giulia. Und er hat seinen Lieblings-Feind, den Audi A4, gleich mitgebracht. Der beweist, dass feurige Kurven kein Privileg des Hinterradantriebs sind und legt obendrein die Latte in Sachen Funktionalität, Verarbeitung und Modernität ziemlich hoch. Die Schonfrist für die Alfa Romeo Giulia ist hiermit vorbei, bevor sie überhaupt begonnen hat. Schließlich haben warme Emotionen auch ihren Vorgängern nie wirklich genützt. Wenn die Giulia Erfolg haben will, muss sie gegen Audi und BMW bestehen. Basta! Die dunkelblaue Italienerin mit dem neuen, 180 PS starken 2,2-Liter-Turbodiesel scheint das zu wissen: Kaum ist der Startknopf am Lenkrad gedrückt, fegt sie auch schon mit toller Traktion davon – endlich gibt es keine scharrenden Vorderräder mehr bei Alfa. Dabei wirft sie sich leidenschaftlich in die Kurven des Piemont. Kein Zweifel, die 180 PS sind allesamt an Bord, der Antrieb wirkt druckvoll und drehfreudig, seine Durchzugskraft ist bestechend. Und der Alu-Vierzylinder pflegt eine verbindliche Zusammenarbeit mit der Achtstufen-Automatik: Im Sportmodus wirbelt der Antrieb anregend los, die kaum fühlbaren Schaltvorgänge sitzen perfekt – und all das keinesfalls hektisch oder unpassend überdreht.
Diesel-Antrieb der Giulia ist fein abgestimmt
Der Vergleich mit dem BMW 320d zeigt, wie gut der Alfa wirklich ist: Während die Giulia einen wunderschönen Fahrfluss pflegt, ist der Sportmodus des 3er je nach Fahrsituation immer wieder etwas zu aggressiv: Er schaltet sehr spät hoch und hält die kleinen Gänge unnütz lange. Dass die Alfa Romeo Giulia mit ihrem um 50 Newtonmeter höheren Drehmoment etwas anzustellen weiß, zeigt der Vergleich mit Audi und BMW im Effizienz-Modus: Mit ultratiefen Drehzahlen schnürt die Giulia dahin, das tiefe Knurren des Diesel-Vierzylinders ist jetzt eine leise Ahnung geworden, und die 450 Nm schieben so gewaltig, dass das Reisetempo mit nur minimalen Gaspedalbewegungen moduliert wird. Jetzt Fuß vom Gas, und die Giulia wechselt in den Segelmodus, das Auto gleitet im Leerlauf kilometerweit dahin, ohne viel Tempo abzubauen. Da haben sich die Italiener die Effizienztechnologie der beiden Deutschen zum Vorbild genommen: Alle drei Limousinen erreichen ähnliche Normverbräuche zwischen 4,0 und 4,2 Litern pro 100 Kilometer. Und die Alfa Romeo Giula hat ihr Pulver noch nicht verschossen. Bereits auf den ersten Metern wird klar, dass die Fahrwerksabstimmung der Giulia von äußerst hoher Güte ist: bemerkenswert komfortables Abrollen und Anfedern, souveräne Kontrolle auf langen Bodenwellen, ohne in den Kurven der italienischen Alpenausläufer auch nur eine Ahnung von Schläfrigkeit zu zeigen. Die Lenkung der Giulia arbeitet im Vergleich lustvoll-schockierend direkt und mit toller Rückmeldung, das Handling ist beeindruckend neutral, agil und stabil. Auch hier geben sich die Rivalen immer einen kleinen Tick langsamer, gewichtiger und, im Fall des Audi, unbeteiligter als der Alfa, ohne das in einen spürbar besseren Fahrwerkskomfort ummünzen zu können.
Audi A4 und BMW 3er geräumiger als Alfa Giulia
Allerdings zeigt sich die enorme Routine der deutschen Hersteller im Karosseriekapitel: Besonders der Audi A4 wirkt beinahe eine halbe Fahrzeugklasse größer als der Alfa Romeo. Mit ausgezeichneter Raumökonomie, nahezu perfekter Verarbeitung, hoher Funktionalität und einer bemerkenswerten Infotainment-Stärke markiert der Dauerbrenner aus Ingolstadt den Maßstab seiner Klasse. Der BMW 3er kann hier zwar nicht ganz mithalten, aber auch er ist im Vergleich zur Giulia etwas geräumiger und ausgefuchster. Beispiel gefällig? Wer in den Fond der Giulia steigt, muss sich beim Einfädeln richtig verbiegen, bei Audi und BMW geht das angenehmer. Hat man Beine und Hintern dann im schön gemachten Ambiente des Alfa untergebracht, wird schnell klar, dass die beiden Deutschen es trotz ähnlicher Außenabmessungen schaffen, mehr Platz für Knie und Kopf einzurichten. Wer im Alfa vorn sitzt, hat freilich nichts zu klagen, hier passt die Giulia perfekt, auch wenn sie nicht so geräumig ist wie der A4. Das neue Infotainment-System lässt sich sehr gut bedienen, das Cockpit gibt sich sportlich-schick, aufgeräumt-funktional, und die Qualität kann sich sehen lassen – nicht ganz so Deutsch wie Audi und BMW, aber stilsicher und vertrauenswürdig. Dieser Alfa ist ganz vorn mit dabei!
Technische Daten
Technische Daten | Alfa Romeo Giulia 2.2 D 180 | Audi A4 2.0 TDI | BMW 3er 320d |
Zylinder/Ventile p.Z. | R4/4; Turbodiesel | R4/4; Turbodiesel | R4/4; Turbodiesel |
Hubraum | 2143 cm³ | 1968 cm³ | 1995 cm³ |
Leistung bei | 132 kW/180 PS 3750 /min | 140 kW/190 PS 3800 /min | 140 kW/190 PS 4000 /min |
Max. Drehmoment bei | 450 Nm 1750 /min | 400 Nm 1750 – 3000 /min | 400 Nm 1750 – 2500 /min |
Getriebe | 8-Stufen- Automatik | 7-Gang, Doppelkupplung | 8-Stufen- Automatik |
Antrieb | Hinterrad | Vorderrad | Hinterrad |
0 - 100 km/h | 6,8 s | 7,7 s | 7,2 s |
Höchstgeschw. | 230 km/h | 237 km/h | 230 km/h |
L/B/H in mm | 4643/1860/1436 | 4726/1842/1427 | 4633/1811/1429 |
Radstand in mm | 2820 | 2820 | 2810 |
Gepäckraum | 480 l | 480 l | 480 l |
EU-Verbrauch | 4,2 l D / 100 km | 4,1 l D / 100 km | 4,0 l D / 100 km |
Grundpreis | 39.650 Euro | 40.850 Euro | 39.700 Euro |
Die Alfa Romeo Giulia ist mehr als eine sympathische Alternative: Bis auf die etwas knapper geschnittene Karosserie fährt sie auf dem Niveau von BMW 3er und Audi A4. Das gilt dem ersten Eindruck nach auch für die gelungene Fahrwerks- und Antriebsabstimmung.