620 PS, Hinterradantrieb, Sechspunkt-Gurt und Sicherheitszelle: ohrenbetörender Ausritt im Lamborghini Huracán Super Trofeo, dem schnellsten Markenpokal-Renner der Welt. Tracktest.
Drehen Sie Ihre Musikanlage mal so richtig auf, legen irgendein Heavy-Metal-Gitarrensolo in den CD-Spieler, rücken mit dem Ohr ganz nah an die Lautsprecherbox, drücken die Play-Taste und ... Stop, bevor Sie sich noch das Gehör ruinieren! Aber so herrlich ungefiltert rockt der V10 im Heck des Lamborghini Huracán Super Trofeo beim Erreichen des optimalen Schaltzeitpunkts. Damit die Maschine nicht völlig ausrastet, zupfe ich mit einer Fingerbewegung den vierten Gang rein – ohne Kupplung, sequenziell, blitzschnell. Gleich darauf mahnen die roten LED schon wieder: Zeit für Stufe fünf. Ich habe keine Ahnung, wie lang die Start-Ziel-Gerade im Autodromo Vallelunga ist, trotzdem bleibe ich erst mal auf dem Gas. Den Kurs kenne ich erst seit zehn Minuten – vom Beifahrersitz im Serien-Huracán aus. Nach kurzer Einweisung kauere ich jetzt festgezurrt in der Rennversion Super Trofeo und taste mich langsam ans Limit heran – mein Limit. Und das mit 620 PS im Nacken, Hinterradantrieb und profillosen Renn-Reifen.
Huracán Super Trofeo: Unterwegs im Markenpokal-Renner
Weit vor dem 100-Meter-Schild trete ich mit voller Kraft aufs Bremspedal – viel zu früh. Das Rennsport-ABS von Bosch arbeitet unauffällig im Hintergrund. Der Einlenkpunkt passt, langsam geht’s wieder aufs Gas für die nächste lange Gerade. Verblüffend: Schon nach wenigen Kilometern ist klar, was das Auto macht, wie man es bewegen soll – und was man lieber bleiben lässt. Bei 35 Grad Außen- und gefühlt doppelt so hoher Cockpit-Temperatur ist der Super Trofeo schnell auf Betriebstemperatur, und mir rinnt der Schweiß übers Gesicht. Zeit für einen kurzen Stopp. Tempo-Limiter drücken, erster Gang, Vollgas. Mit 60 km/h schleicht der Lambo dröhnend durch die Boxengasse bis vor die Halle 19. Motor aus. Tür auf. Luft holen. Werksfahrer Adrian Zaugg gibt mir ein paar Tipps. Okay, nächster Versuch. Das Vertrauen ins Fahrzeug ist da, jetzt gilt es, an der Linie zu feilen. Peu à peu erkunde ich nun den Grenzbereich des Super Trofeo. In schnellen Kurven pressen Heckflügel, Frontsplitter, Flaps und Diffusor die Flunder fest auf den Asphalt, die Verzögerung der Brembo-Bremsanlage mit 380 Millimeter-Stahlscheiben vorn ist konstant fulminant, die Pirellis kleben wie Pattex auf dem heißen Asphalt.
Am Ende der Campagnano-Kurve bin ich etwas zu früh auf dem Gas, die Hinterreifen kündigen das Griplimit durch leichtes Stempeln an. Vom Gas zu gehen wäre aber fatal, denn Lastwechsel mag ein Rennauto gar nicht. Also auf Zug halten, Lenkung leicht öffnen und die volle Breite des Kerbs am Fahrbahnrand ausnutzen. Die Lernkurve ist steil, die Rundenzeiten purzeln, ich genieße den ungefilterten Klang des Zehnzylinders. Weil der Renn-Huracán im Super Trofeo-Markenpokal nur gegen Seinesgleichen fährt, gibt es keine Restriktionen wie in der GT3-Klasse. Kohlefaser-Fahrgastzelle sowie Rahmen an Vorder- und Hinterwagen aus Aluminium wurden fast unverändert aus dem Straßenauto entnommen, allerdings fehlen sämtliche Dämm- und Verkleidungsteile, und den Innenraum dominiert ein fest verschraubter Stahlkäfig. 1270 Kilo bringt der Super Trofeo ohne Flüssigkeiten auf die Waage, auch dank der Leichtbau-Karosserie. Nach gerade mal 15 Runden stimmt mein Renn-Rhythmus. Jetzt fehlen eigentlich nur noch die Rivalen aus dem schnellsten Markenpokal der Welt.