Vergleich: Porsche 911 GT3 RS und Lamborghini Huracan Keilerei mit 1100 PS
Das Treffen der beiden Konzernbrüder Porsche 911 GT3 RS und Lamborghini Huracan LP 610-4 am Gardasee war nur ein Vorgeplänkel auf das, was für einen Vergleich auf der Rennstrecke an Potenzial zu erwarten ist. Das vorläufige Fazit: Vorfreude ist die schönste Freude
Wie geht man eine solche Geschichte an? Einfach sagen, was passiert ist? Also gut: Wir sind mit dem neuen Porsche 911 GT3 RS zum Lago di Garda gefahren und haben uns dort mit dem Team im Lamborghini Huracan LP 610-4 zur Fotosession getroffen. Nicht mehr und nicht weniger. Keine Rundenzeiten, keine Messungen – einfach fahren und genießen.
Vergleich: Porsche 911 GT3 RS und Lamborghini Huracán
Während der Anfahrt im Elfer sind uns einige Gedanken durch den Kopf gegangen. Zum Beispiel der, dass auch diesen GT3 RS durchaus das Schicksal ereilen könnte, nach dem Kauf als Investment weggeschlossen und zum Stillstand verurteilt zu werden. Doch dafür ist der Porsche – und natürlich auch der Lamborghini – ja nun wirklich zu schade, möglicher Wertzuwachs hin oder her.
Wir haben uns deshalb intensiv dem zweiten, naheliegenderen Zweck gewidmet und uns mit den beiden Supersportlern in den Auto-Alltag gestürzt. Wir haben sie schnöde als Transportmittel missbraucht, obwohl ihre diesbezüglichen Kapazitäten äußerst beschränkt sind. Wir haben sie (und uns) durchs Stadtgewühl gequält, haben ihnen elend lange Autobahn-Etappen aufgebürdet. Wir mussten mit ihnen in kilometerlangen Staus ausharren und sind mit ihnen durch die engen Schluchten um Tremosine gezirkelt. Kurzum: Es blieb ihnen (und uns) nichts erspart.
Wir haben uns mit ihnen natürlich auch geschmückt, uns beispielsweise auf der Autobahn hoch auf der Schwäbischen Alb von zwei hübschen Damen von den Höhen ihres SUV herab fotografieren lassen. Der übliche Plausch an der Raststätte über PS-Zahlen und Höchstgeschwindigkeiten fehlte ebenso wenig wie der freudige Ausruf „Que bella macchina“, der uns öfter erreichte – natürlich erst jenseits des Alpen-Hauptkammes.
Von Köln zum Gardasee und dort wartet der Huracan
Sachlich betrachtet verlief die Reise von Köln über Stuttgart, Imst und schließlich über die Brenner-Autobahn an Bozen vorbei zum Gardasee wie in jedem anderen Auto auch. Geduldig in der Kolonne dem verabredeten Treffpunkt mit dem Huracan entgegenzockelnd, wird einem selbst in einem Porsche GT3 RS schnell beigebracht, dass die Regelwerke europäischer Straßenverkehrsordnungen nur noch sehr kleine Schlupflöcher offen lassen. Und dann auch nur noch solche, die eher mit dem Mut zur Lücke als mit dem Aufgebot von 500 PS zu stopfen sind. Denn obwohl das RS-Modell gegenüber dem normalen GT3 noch einen Tick kürzer übersetzt ist, sind Überholvorgänge im Kolonnenverkehr auch im sprintstarken Porsche kein Zuckerschlecken.
Seien wir ehrlich: Das Grundtempo dieses mit allen sportlichen Wassern gewaschenen und von den Göttern der Rennbahn geliebten Elfers liegt weit über dem, was der Deutsche Verkehrsgerichtstag als verträglich ansieht, also auch weit jenseits der auf deutschen Autobahnen vorgegebenen Richtgeschwindigkeiten. Von den österreichischen oder italienischen Fernstraßen wollen wir hier gar nicht reden.
Erst wenn im fünften oder sechsten Gang die wahrhaftige Nadel des Drehzahlmessers die 4500/min passiert – womit erst etwa die Hälfte des möglichen Drehzahlspektrums ausgeschöpft wäre –, wird jener Tempobereich erreicht, in dem ein RS sich outet. Dann erst wird sein Wesen erkennbar und eine sportliche Charmeoffensive in Gang gesetzt, die jede zuvor erlebte Frustration augenblicklich vergessen macht. Ab 4500/min gehen die Klappen auf, dann ändert sich der Ton, er wird härter und lauter. Wenn dann die Begeisterung über Drehfreude und Vortrieb dem ultimativen Höhepunkt entgegenstrebt – dann schert wieder einer aus. Ende der Vorstellung.
Wer die RS-Geschichte seit ihren Anfängen kennt, weiß, dass die Dramaturgie des Alltags früher schlimmere, weil schmerzlichere Intermezzi kannte: Quietschende und schabende Bremsen, ein bockelhartes Fahrwerk und ein Klimaangebot, das im Sommer dem einer finnischen Sauna glich, vom Fehlen eines audiophilen Angebotes jenseits des Motorsounds ganz zu schweigen. Und heute? Die Aufzieh-Schlaufen an den Türen und ein Rest von Getrieberasseln im Leerlauf sind als Relikte aus jener Zeit noch erhalten. Ansonsten gibt es selbst auf 900-Kilometer-Etappen keinen Grund zur Askese. Klimaanlage, Navigationssystem, Bose-Soundanlage: Verzicht sieht anders aus. Wer die professionell anmutenden Rennschalen aus Karbon nur als bequeme, tollen Seitenhalt bietende Komfort-Accessoires betrachten möchte – Bitteschön. Die Sitzposition ist tief, aber höchst entspannt. Lediglich die im Rücken gekreuzten Rohre des Überroll-Bügels machen unmissverständlich klar, dass der RS primär nicht für das gemütliche Cruisen gedacht ist.
Vergleich: Porsche 911 GT3 RS und Lamborghini Huracán
Fakt ist: Im Alltagsgebrauch wird man kaum mehr gewahr, dass man es mit einem sportlichen Extremisten zu tun hat, der dank grandioser Leistungsbereitschaft, hoher Abtriebswerte und ebensolcher Verzögerungsleistungen ein Nordschleifen-Zeitfenster im Visier hat, das rund zehn Sekunden unterhalb des vom Vorgänger vorgelegten Wertes (7:32 min) liegen soll. Neben den so typischen Indizien wie dem vermutlich größten aller Porsche-Heckflügel zeigt ein Knopf mit der Aufschrift „Pit-Speed“, wes Geistes Kind der sportliche Überflieger im Grunde seiner Substanz ist. Der üblicherweise im Rennumfeld im Boxenbereich eingesetzte Speedlimiter ließe sich sogar als Tempomat verwendet, allerdings nur bis 90 km/h. Damit liegen die neuen Tempolimits in Teilbereichen der Nürburgring Nordschleife – 200 beziehungsweise 250 km/h – weit außerhalb seines Wirkungsbereichs. Egal.
Angesichts der plakativen Verausgabung des Porsche GT3 RS in Richtung Rennsport-Geschehen muss sich der am Westufer des Gardasees wartende Lamborghini Huracan LP 610-4 nicht provoziert fühlen. Schließlich wird sich erst eine zukünftige SV-Variante einem direkten Vergleich mit dem GT3 RS stellen müssen. Bis dahin herrscht zwischen den beiden eine stillschweigende Übereinkunft, wenngleich diese gelegentlich lautstark verkündet wird: Saugmotoren – was sonst! Die Reise des Lamborghini von Sant’Agata Bolognese ins nördliche Trentino war zwar nicht ganz so etappenreich, aber infolge gleichfalls restriktiver Gleichschaltungs-Techniken ähnlich beschwerlich. Für den 610 PS starken und auf unserer Waage 1548 Kilogramm schweren Allradler gilt grundsätzlich dasselbe wie für den 1460 Kilogramm schweren, heckgetriebenen Porsche: Um seiner sportlichen Talente auch nur ansatzweise gewahr zu werden, bedarf es ganz anderer Gelegenheiten als jenen, die im öffentlichen Umfeld geboten werden. Denn selbst giftgrüne Exoten seltener Provenienz werden von der italienischen Exekutive nicht mehr per se mit einem Persilschein bedacht.
Auf der Rennstrecke sind die beiden Supersportler zuhause
Alles, was den Gallardo-Nachfolger Huracan ausmacht, die atemberaubende Leistungsbereitschaft, der begeisternde Zehnzylinder-Sound, der schlupffreie Antrieb, die Spontaneität seiner Reaktionen und nicht zuletzt sein bombensicherer Geradeauslauf, all das ist im Auto-Alltag nur fragmenthaft erlebbar. Auch wenn die Hochrechnung im Geist nur grob gelingt: Der für den GT3 RS in Aussicht gestellte Zeithorizont am Nürburgring (7:20 Minuten) dürfte dem italienischen Konzern-Bruder mit deutscher Seele gleichfalls nicht verschlossen bleiben. Das erwartete enge Kopf-an-Kopf-Rennen liefern sich die beiden in Form und Farbe so unterschiedlichen Supersportler nicht umsonst: Obwohl nominell durch 110 PS getrennt, liegen die Leistungsgewichte mit gut 2,5 (Lambo) und 2,9 kg/PS (Porsche) so nah beieinander, dass auch hinsichtlich der Fahrleistungen kaum Unterschiede auszumachen sind.
Dem alltäglichen Verkehr entgegnet der Lamborghini Huracan gleichfalls mit erstaunlicher Souveränität und einer herzerfrischender Lässigkeit, die ihm aufgrund seines kühn gezeichneten Karosseriekleides eigentlich niemand zutraut. Gute Sitzposition, leichte Bedienung, befriedigende Übersicht und problemlose Handhabung – wo sind bloß die komplizierten, Alltags-untauglichen sportlichen Einzelkämpfer geblieben, deren volle Leistungsbereitschaft sich eigentlich nur im Traum oder im Quartettspiel darstellen ließ? Die Reise zum Gardasee hätten wir geschafft. Jetzt wartet die Nordschleife – das eigentliche Terrain dieser Übersportler.