Ferrari SF90 XX Stradale: Testfahrt im 1030-PS-Monster
Ein Exxtremist
Mit dem Ferrari SF90 XX Stradale (2023) stellt die Sportwagen-Schmiede einen absoluten Ausnahme-Athleten auf die Räder, der echtes Rennsport-Feeling auf die Straße überträgt. Dabei ist er bei unserer Testfahrt auf der Rennstrecke viel umgänglicher, als es die wahnsinnige Power seines Hybridantriebs von 1030 PS befürchten lässt!
Ferrari, Italien, Fiorano – das sind Stichworte, die jedem Autofan sofort ein Strahlen aufs Gesicht zaubern und mental die Sonne leuchten lassen. Dumm nur, dass diese Sonne im wahren Leben ausgerechnet heute nicht scheinen will. Die Temperaturen verharren trotzig im einstelligen Bereich, die Feuchtigkeit der vergangenen Nacht liegt noch als dünner Film auf dem Asphalt. Und das, während ich mir einen Helm aufsetze und mich startklar mache für meine Hot-Laps mit dem 797 kW (1030 PS) starken Ferrari SF90 XX Stradale (2023). Na, das kann ja heiter werden. Doch beim Anblick der Flunder verfliegt alles Zaudern: Der XX strahlt selbst gegenüber dem "normalen" SF90 Stradale ohne XX-Sonderkennung so viel mehr Potenz und Aggressivität aus, dass man dieses Prachtstück nicht nur gesehen haben muss, sonders es vor allen Dingen auch gefahren sein will. Was solls: Sind ja nur 30 PS mehr, und Allrad hat er auch.
Während mich die Boxen-Crew im Auto festzurrt, schießt mir kurz durch den Kopf, dass die auf 799 Stück limitierte Preziose satte 770.000 Euro kostet – mindestens, der Spider (599 Stück) ist noch teurer. Aber beide sind natürlich längst ausverkauft. Darum: Die Chance, den XX selbst
zu erleben, bekomme ich wahrscheinlich nur dieses eine Mal. Also los! Verglichen mit früheren XX-Projekten sind diese Stückzahlen zwar recht hoch, doch dafür ist der SF90 XX der Erste aus dieser illustren Reihe, der sogar eine Straßenzulassung mitbringt, daher der Zusatz "Stradale". Doch seine wahre Bestimmung liegt auf der Rennstrecke. Hier kann er all seine technischen Finessen ausspielen, um ein wirklich ultimatives Fahrvergnügen zu ermöglichen.
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Der Ferrari SF90 XX Stradale (2023 im Fahrbericht (Video):
Testfahrt auf der Rennstrecke: Der Ferrari SF90 XX Stradale (2023) klebt wie Hölle
Dennoch nehme ich mir vor, ganz Sachte anzufangen. Zumal die Mechaniker erst einmal den auf Straßeneinsatz und feuchte Bedingungen optimierten Bridgestone Potenza S005 draufschnallen. Aber schon mit diesem alltagstauglichen UHP-Profil baut der Allradantrieb eine so unerschütterliche Traktion auf, und Fahrwerk, Bremsen, Lenkung – ja, einfach alle Komponenten – liefern eine derart präzise Rückmeldung, dass schon nach einer halben Runde in Fiorano jede Zurückhaltung dahin ist. Allein die Beschleunigung und der Sound machen süchtig. Das Fahrwerk ist noch steifer, rollt und nickt noch weniger als das des zivilen SF90. Die Bremse packt extrem bissig zu und lässt sich trotz des ungewohnt kurzen Pedalwegs punktgenau dosieren. Alle Impulse der Person am Steuer werden noch direkter übertragen, die Rückmeldung von der Straße ist noch klarer, weshalb sich der Ferrari SF90 XX Stradale (2023) schon beim Einfahren anfühlt wie ein waschechter Racer.
Zeit, die nächste Stufe zu zünden. Zurück zur Box, neue Reifen. Die nächsten Runden fahre ich auf Pirelli P Zero Corsa, einem hochperformanten Semislick. Manettino auf Race, eManettino auf Performance: Es ist erschreckend, wie schnell man sich an die Power des komplexen Hybridantriebs gewöhnt und munter losstürmt: Der V8-Biturbo allein bringt es bereits auf 797 PS (586 kW). Das sind immerhin 17 PS mehr, die auf eine höhere Verdichtung (9,54:1), polierte Brennkammern und Abgaskanäle sowie neue Kolben zurückgehen. Ferner wurde die Luftführung begradigt, was Gewicht spart und einen intensiveren Sound erlaubt.
Zusätzlichen Punch liefern drei E-Motoren, wobei der hinten zwischen Getriebe und V8 bis zu 150 kW (204 PS) besteuert, während die beiden vorderen jeweils pro Rad mit bis zu 99 kW (134 PS) zuarbeiten und speziell beim Antritt aus engen Ecken heraus für Extra-Grip sorgen. Runde um Runde trocknet die Ideallinie, und ich wage mich immer näher ans Limit. Das gelingt dank intelligenter Assistenzsysteme so leicht, dass man beinahe vergessen könnte, wie schnell man unterwegs ist. Selbst kontrollierte Drifts am Kurvenausgang pariert die Regelung ohne harsche Eingriffe, wodurch sich eine herrlich flüssige Linie ergibt.
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Mit Cup-Reifen & Boost zum maximalen Fahrspaß
Doch mit dem Ferrari SF90 XX Stradale (2023) geht noch mehr. Für die ultimative Eskalation werden nun angewärmte Michelin Pilot Sport Cup R aufgezogen. "Die musst du aber im Fenster halten", heißt es am Boxenausgang. Ok, ich wähle TC off und Qualy. Nun will ichs wissen. Erst jetzt setzt der Antrieb die volle Leistung um, wenn er etwa am Kurvenausgang im Boost-Betrieb noch einmal 13 PS extra freigibt. Allein diese maximal zwei Sekunden langen Boost-Phasen reduzieren die Rundenzeit auf dem Heimkurs um 0,25 s. Je nach Strecke ist der Boost unterschiedlich oft abrufbar: In Fiorano steht er sieben Mal pro Runde zur Verfügung, in Mugello wären 15 Boost-Sequenzen pro Runde möglich, was für zwei Vollgasfahrten bei der Jagd auf die Bestzeit reicht.
Spätestens nach 30 Wiederholungen benötigen die Akkus dann wieder einen Cooldown. Auch die superweichen Cup-R-Gummis geben nach zwei Toprunden ein wenig nach, halten aber danach trotzdem noch einen kompletten Trackday durch. Da das Hybridsystem in den Schubphasen mit Hochdruck rekuperiert und nachlädt, muss man zudem nicht fürchten, plötzlich ganz ohne den E-Boost dazustehen. Es gibt also keinen Grund, den XX nicht dauerhaft über den Kurs zu jagen. Zumal er selbst bei ungünstiger Witterung maximalen Fahrspaß garantiert.
Technische Daten
AUTO ZEITUNG 08/2024 | Ferrari SF90 XX Stradale |
Technische Daten | |
Motoren | V8-Zylinder, 4-Ventiler, Biturbo; 3990 cm³; drei E-Motoren |
Antrieb | 8-Gang, Doppelkupplung; Allradantrieb |
Systemleistung | 757 kW/1030 PS |
Drehmoment (V8) | 804 Nm |
Kapazität/Spannung | k.A. |
Karosserie | |
Außenmaße (L/B/H) | 4850/2014/1225 mm |
Leergewicht | 1560 kg |
Tankinhalt | 68 l |
Fahrleistungen | |
Beschleunigung (0-100/200 km/h) | 2,3/6,5 s |
Höchstgeschwindigkeit | 320 (elektr.: 135) km/h |
Verbrauch auf 100 km | 8,6 l SP und 15,0 kWh |
Elektrische Reichweite | k.A. |
Kaufinformationen | |
Grundpreis | 770.000 € |
Marktstart | 2023 |
Alle Daten Werksangaben |