E 220 d/A6 2.0 TDI ultra/520d: Test Neue E-Klasse gegen A6 und 5er
Fährt der Mercedes E 220 d gegen Audi A6 2.0 TDI ultra und BMW 520d zurück an die Oberklasse-Spitze? Wir haben die deutschen Premium-Limousinen zum Vergleichstest gebeten.
Mit der Mercedes E-Klasse (2016) soll alles anders werden. Während der Vorgänger bereits bei der Präsentation alt aussah und daher nach vier Jahren mit einem aufwändigen und vor allem teuren Facelift tiefgreifend aufgefrischt wurde, steht der nun vorgestellte Typ W 213 so dynamisch in der Startaufstellung wie noch keine schwäbische Oberklasse-Limousine zuvor. Zwar hat die E-Klasse ihr charakteristisches Vieraugen-Gesicht gänzlich abgelegt, aber die neue Formensprache steht ihr gut. Wie ausgereift die technische Basis ist, muss sie nun im Vergleichstest gegen den Bestseller der Klasse, den Audi A6, und den Erzrivalen aus München, den BMW 5er, beweisen. Zum Vergleich treten die Premium-Alternativen mit fast 200 PS starken Diesel-Motoren an, der Mercedes E 220 d trifft folglich auf Audi A6 2.0 TDI ultra und BMW 520d. Alle drei setzen auf zwei Liter große Vierzylinder-Motoren mit Turbo-Aufladung und kommen mit Automatikgetrieben, die sieben bis neun Schaltstufen sortieren können. Während der A6 die Vorderräder antreibt, setzen E-Klasse und 5er auf Hinterradantrieb.
E-Klasse, A6 und 5er im Test
Schon auf den ersten Blick steht die Mercedes E-Klasse (2016) dank gelungener Proportionen und markantem Auftritt gut da. Allerdings sieht sie der C-Klasse zum Verwechseln ähnlich. Kaum einer nimmt von der neuen Stuttgarter Oberklasse Notiz, das war beim Vorgänger noch ganz anders. Der W 213 präsentiert sich dafür im Innenraum mit ganz neuem Charme. Die Cockpitarchitektur ist ein Mix aus C- und S-Klasse und schafft den Spagat zwischen zukunftsweisender Anzeigetechnik mittels großer Monitore und der gediegenen Atmosphäre einer gemütlichen Lounge. Große Türen sorgen für einen mühelosen Zugang in den großzügig geschnittenen Innenraum. Wer mehr Platz hat? Keiner. Die drei Limousinen engen selbst große Personen nicht ein. Das gilt sowohl für Fahrer und Beifahrer als auch für den Fond. Ohnehin liegen die Unterschiede zwischen den drei deutschen Premium-Limousinen in vielen Bereichen nur im Detail. Die Übersichtlichkeit zum Beispiel: Hier profitiert der Mercedes von seiner waagerecht nach vorn ragenden Haube und dem am vorderen Ende thronenden Stern. Das ist nicht unbedingt neu, die intensiv überarbeitete Bedienstruktur und Menüführung des Schwaben dagegen schon. Zwar unterteilen sich die Funktionen noch immer in zwei Ebenen, aber die neuen Touchflächen im Lenkrad erleichtern – nach ein wenig Gewöhnung – das Ansteuern der Menüpunkte. Die intuitive Struktur, mit der sich die Menüpfade sämtlicher Funktionen im BMW aufbauen sowie deren einfache Bedienung erreicht die neue E-Klasse allerdings nicht.
E-Klasse punktet mit Hightech-Ausstattung
Auch das Infotainment-System des Audi A6 ist logischer aufgebaut. So erfolgt im Benz etwa die individuelle Optik des linken Displays über den Dreh-Drück-Steller und über das rechte Touchpad auf dem Lenkrad. Einzelne Zusatzinfos müssen jedoch über den rechten Monitor und das linke Touchpad aktiviert werden. Beim BMW 5er konzentriert sich alles auf das intuitiv zu bedienende iDrive-System auf der Mittelkonsole. Unschlagbar hingegen ist der Mercedes E 220 d in Sachen Sicherheit. Der Notbremsassistent, der bei Audi und BMW Aufpreis kostet, ist wie das Presafe-System zur Unfallfrüherkennung serienmäßig an Bord. Die neuen Features wie der Lenkassistent hingegen sind ein nettes Gimmick, aber im Alltag so gut wie nicht einsetzbar. Der Stauassistent, der das Fahrzeug selbstständig im dichten Verkehr lenkt, beschleunigt und abbremst, hingegen schon. Den gibt es für den 5er aber auch. Audi hängt hier etwas hinterher. Bei der Verarbeitungsqualität geben die Ingolstädter jedoch den Ton an. Hochpräzise Passungen und beste Materialien zeugen von der Liebe zum Detail – auch an den Stellen, die man nicht sofort sieht oder erfühlt. BMW und Mercedes benötigen vor allem bei der Passgenauigkeit noch etwas Feintuning. So stand die Holzbeplankung der E-Klasse in der linken Fond-Tür etwas ab, und beim BMW war der vordere Hochtöner in der Tür ungenau eingepasst. Der große Kofferraum, die optional dreigeteilte Fondlehne und die im Vergleich höchste Anhängelast bescheren der Mercedes E-Klasse aber dennoch ihren ersten Kapitelsieg.
Im 5er auch mit Stahlfedern viel Komfort
Wie stark die Radgröße den Komfort beeinflusst, wird auch in diesem Vergleichstest deutlich. Denn obwohl Mercedes E-Klasse und Audi A6 mit optionalen Luftfederfahrwerken über die Komfortstrecke fahren, ist es der konventionell federnde BMW, der mit feinem Ansprechverhalten die Konkurrenz ausbootet. Querfugen und hervorstehende Kanten nimmt er völlig gelassen. Der mit 19-Zoll-Rädern bestückte Audi und der auf 18-Zöllern rollende Mercedes wirken zumindest bei niedrigem Tempo und mit nur einer Person an Bord deutlich hölzerner. Erst mit voller Zuladung und bei höheren Geschwindigkeiten zeigen die Luftfederungen, was sie können. Dort, wo der BMW tief in seine Federn sackt, schwebt vor allem die E-Klasse über schlimmste Bodenwellen, Schlaglöcher und Kanten problemlos hinweg. Wirklich gelungen sind zudem die Komfortsitze der Stuttgarter Oberklasse. Insbesondere die Lehnen bieten viel Abstützung und sind damit deutlich besser als die recht kurzen Exemplare des Vorgängers. Aber auch im Vergleich zu den beiden optionalen Sportsitzen in Audi und BMW gefallen die Mercedes-Sitze mit exzellentem Langstreckenkomfort und viel Seitenhalt. Der niedrige Geräuschpegel im Innenraum des Schwaben rundet den gelungenen Gesamtkomfort ab. Wie der Audi verfügt der Mercedes aber über eine zusätzliche Geräuschdämmung, die bei beiden mit mehr als 1000 Euro extra bezahlt werden muss. Beim BMW 5er stören lediglich die Windgeräusche an der A-Säule – eine zusätzliche Geräuschdämmung bieten die Münchner nicht an.
Sparsame Diesel dominieren Premium-Oberklasse
Auch nach der Dieselaffäre bleibt der Selbstzünder die Nummer eins in der Oberklasse. Über 90 Prozent der Fahrzeuge von Audi, BMW und Mercedes werden in diesem Segment mit Dieselmotoren verkauft. Und um hier noch attraktiver zu werden, hat Mercedes einen komplett neuen, 194 PS starken Turbodiesel mit zwei Liter Hubraum entwickelt. Mit leichtem Dieselnageln reißt der aufgeladene Vierzylinder den Mercedes E 220 d vom Fleck, der der Konkurrenz so schon bei Tempo 100 die Rücklichter zeigt und mit steigender Geschwindigkeit den Vorsprung ausbaut. Und das, obwohl der Mercedes deutlich schwerer als der Audi und der BMW ist. Was der E-Klasse fehlt, ist das lockere Ansprechverhalten des mit vollem Klangbild laufruhig arbeitenden BMW 520d und die Eleganz, mit der die ZF-Achtstufen-Automatik ihre Fahrstufen variiert. Der Audi A6 2.0 TDI ultra fällt hier ab: Sein Doppelkupplungsgetriebe arbeitet mit spürbaren Gangwechseln, und bei höheren Geschwindigkeiten fehlt ihm die Extrafahrstufe, die bei 5er und E-Klasse die Drehzahl senkt. Allerdings kann auch die E-Klasse ihre neunte Fahrstufe gegenüber dem agilen 5er nicht ausspielen. Und die großen Räder erhöhen neben dem EU-Verbrauch auch den realen Dieselkonsum. Mit 6,3 Liter Diesel auf 100 km ist der Mercedes zwar sparsamer als der Audi, aber der schmal bereifte BMW gibt sich mit 6,2 Litern noch etwas genügsamer. Zudem sorgt der mickrige 50-Liter-Tank des Mercedes E 220 d gegenüber den 70-Liter-Fässern der Rivalen für eine eher bescheidene Reichweite.
Fahrdynamik ist Paradedisziplin des BMW 520d
Dass sich die schmale Serienbereifung des Münchners nicht negativ auf die Fahrdynamik auswirkt, spricht für sein gelungenes Setup. Er bleibt immer sicher in der Spur, seine Integral-Aktivlenkung – die auch an den Hinterrädern Lenkwinkel aufbaut – liefert eine filigrane Rückmeldung, und die Hinterachse baut enorm viel mechanischen Grip auf. Mit hoher Präzision lässt sich der BMW 5er spielerisch durch Wechselkurven führen. Lästige Lastwechsel kennt er nicht – selbst bei deaktiviertem DSC (ESP) bleibt er immer sicher auf Kurs. Anders präsentieren sich hier der Audi A6 und die Mercedes E-Klasse. Beim Ingolstädter muss die Vorderachse sowohl die 400 Newtonmeter in Vortrieb als auch die Lenkbefehle in Richtungswechsel umsetzen. Insbesondere aus engen Kehren heraus scharrt er daher gern mit den Vorderrädern. Um dabei nicht die an den Vorderrädern zerrende Kraft in der Lenkung zu spüren, hat Audi die Krafteinflüsse stark herausgefiltert. Dadurch leidet allerdings auch die Rückmeldung der Lenkung. Etwas vehementer als beim BMW agiert zudem das ESP des A6. Schaltet der Fahrer das System aus, antwortet der Audi auf Lastwechsel mit einem stark nach außen drängenden Heck. Auch die E-Klasse kann mit dem feinfühligen BMW nicht mithalten. Zwar fährt sie deutlich agiler als ihr Vorgänger, aber im Grenzbereich zeigt sie – wie der Audi – eine ausgeprägte Tendenz zum Untersteuern. Das darauf gut abgestimmte ESP führt den Mercedes aber stets zurück in die richtige Spur. Erst bei deaktiviertem ESP reagiert auch der E 220 d wie der Audi auf Lastwechsel mit einem deutlichen Übersteuern.
Mercedes E 220 d bietet viel, ist aber teuer
Die üppigen Räder von Audi und Mercedes zeigen ihre Stärken erst bei der Verzögerung: Mit Bremswegen von 33 Metern und darunter deklassiert der Schwabe den Münchner deutlich, der mit kalten und warmen Bremsen über 35 Meter aus Tempo 100 bis zum Stand benötigt. Der A6 braucht ebenfalls einen Meter weniger als der 5er. Das größte Manko der neuen Mercedes E-Klasse ist in diesem Vergleichstest ihr Preis. Der Einstieg in den E 220 d beginnt bei 47.124 Euro. Audi verlangt für den A6 2.0 TDI ultra S Tronic nur 44.600 Euro, BMW für den 520d 45.730 Euro. Die teuren Features wie das Exclusive-Paket, das zum Beispiel die Komfortsitze und das Luftfederfahrwerk beinhaltet, erhöhen den testrelevanten Preis der E-Klasse deutlich stärker als die zusätzlichen Extras den von A6 und 5er. In der Endabrechung ist es der Ingolstädter, der mit niedrigen Versicherungseinstufungen, den besten Garantieangeboten und einem kleinen Preisvorteil die günstigste Kostenbilanz aufweist.
Technische Daten | Audi A6 2.0 TDI ultra | BMW 520d | Mercedes E 220 d |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | R4/4; Turbodiesel | R4/4; Turbodiesel | R4/4; Turbodiesel |
Nockenwellenantrieb | Zahnriemen | Kette | Kette |
Hubraum | 1968 cm³ | 1995 cm³ | 1950 cm³ |
Leistung bei | 140 kW/190 PS 3800 - 4200 /min | 140 kW/190 PS 4000 /min | 143 kW/194 PS 3800 /min |
Max. Drehmoment bei | 400 Nm 1750 - 3000 /min | 400 Nm 1750 - 2000 /min | 400 Nm 1600 – 2800 /min |
Getriebe | 7-Gang, Doppelkupplung | 8-Stufen- Automatik | 9-Stufen- Automatik |
Antrieb | Vorderrad | Hinterrad | Hinterrad |
0 - 100 km/h | 8,0 s | 7,7 s | 7,5 s |
Handling | 1:51,8 min | 1:51,1 min | 1:51,5 min |
Höchstgeschw. | 232 km/h | 233 km/h | 240 km/h |
Testverbrauch | 6,7 l D / 100 km | 6,2 l D / 100 km | 6,3 l D / 100 km |
L/B/H | 4933/1874/1445 | 4907/1860/1464 | 4923/1852/1468 |
Gewicht | 1761 kg | 1730 kg | 1833 kg |
Effektive Zuladung | 479 kg | 510 kg | 507 kg |
Grundpreis | 44.600 Euro | 45.730 Euro | 47.124 Euro |
Platzierung | 3 | 2 | 1 |
Die Stuttgarter sind in der Oberklasse zurück auf dem Siegerpodest. Der Mercedes E 220 d ist keine Revolution, aber in vielen Punkten deutlich besser als sein Vorgänger. Der Schwabe beherrscht wie immer den Komfort und kann nun auch fahrdynamisch mit den agilen Bayern mithalten. Viel Platz und die derzeit beste Sicherheitsausstattung lassen den Rivalen trotz des hohen Preises keine Chance. Der BMW 520d überzeugt einmal mehr mit seinem feinfühligen Fahrwerk, das ihm sowohl ein sicheres, dynamisches Fahrverhalten verschafft und zugleich für tollen Federungskomfort sorgt. In Kombination mit dem besten Antriebsstrang in diesem Testtrio bedeutet das für ihn Platz zwei. Der bestens verarbeitete Audi A6 2.0 TDI ultra macht nichts falsch, setzt aber auch keine Akzente und landet auf Rang drei.