M2 Coupé/AMG A 45/Focus RS: Vergleichstest M2 in der Allrad-Zange
Mit 350 und mehr PS zeigen sich die derzeit stärksten Kompakten extrem zündfähig. Wie viel Feuer entfacht da der neue Focus RS gegenüber BMW M2 und Mercedes-AMG A 45? Eines vorweg: Es wird heiß!
Stellen Sie sich vor, am Telefon ist der Nachlass-Verwalter ihrer seligen Großtante und erzählt ihnen etwas von einer größeren Erbschaft in bar. Das ist im Null-Zins-Zeitalter Segen und Fluch zugleich. Wir raten: Investieren Sie das Geld doch zum Beispiel in einen hochmotorisierten Kompaktwagen, und Sie werden sich über eine ungeahnte Fahrspaßrendite freuen. Außerdem werden Sie auf dem Sterbebett voraussichtlich ohnehin nur das bereuen, was Sie zeitlebens versäumt haben. Und dass es bis dahin noch etwas dauert, dafür sorgen der neue Ford Focus RS, der BMW M2 und der Mercedes-AMG A 45 mit durchaus kreislaufbeflügelnden Auftritten. Ford setzt beim Focus RS auf den per Turbo gehörig unter Druck gesetzten 2,3-Liter-EcoBoost-Vierzylinder mit 350 PS. Mercedes begnügt sich mit 300 Kubikzentimetern weniger und lädt einen zylindergleichen 2,0-Liter dermaßen auf, dass er mit 381 PS die Spitze des Trios markiert. Und ja, es gibt sie noch, die Reihensechszylinder bei BMW. Im Fall des M2 bringt der zwangsbeatmete 3,0-Liter mit 370 PS den weiß-blauen Propeller ordentlich ins Rotieren.
BMW M2 Performance im Video:
Vergleichstest: Ford, BMW und Mercedes im Kompaktsportler
Der Motor ist ein Muster an Laufkultur, lässt bei Bedarf die Kurbelwelle bis zu 7400 mal pro Minute drehen, nimmt sich aber stets einen Augenblick Zeit, bis Ladedruck und Leistung anliegen, um dann speziell aus der Drehzahlmitte ein Feuerwerk perlender Drehfreude abzubrennen, wofür das Overboost-gedopte Drehmoment von 500 Nm verantwortlich ist. 4,8 Sekunden meldet der Messcomputer bis zur 100-km/h-Marke. Was das Ansprechverhalten angeht, ist das Ford-Aggregat deutlich aufgeweckter und tönt mit einem per Sound- Engineering kreierten kehligen Fünfzylinder- Sauger-Timbre. Mit ihm passiert der Focus die 100 km/h-Marke noch ein Zehntel schneller als der BMW, um dann aber bis 200 km/h mit 18,6 Sekunden über drei Sekunden auf den bayerischen Konkurrenten zu verlieren. Dafür liegt der Rheinländer mit 268 km/h Höchstgeschwindigkeit vor der Konkurrenz. Bei BMW und Mercedes kostet die Anhebung von 250 auf 270 km/h 2450 Euro bzw. 2261 Euro. Serienmäßig bringen BMW und Ford gut abgestufte, knackig zu schaltende Sechsgang-Getriebe mit. Der Mercedes ist ausschließlich mit Siebengang- Doppelkupplungsgetriebe erhältlich, das sich entweder automatisch oder manuell per Schaltpaddel blitzschnell durch die Gänge steppen lässt. Wie beim Ford (max. 6800 /min) reichen die Drehzahlreserven im A 45 AMG (max. 6400 /min) nicht an die des BMW heran. Beim Marsch durchs Drehzahlband klingt der Schwabe zwar sportlich, aber auch etwas synthetisch, während die Fahrleistungen ganz aus dem Hier und Jetzt stammen: Mit nur 4,1 Sekunden von null auf 100 km/h und gerade mal 15,2 Sekunden bis 200 km/h zeigt er gegenüber den Fahrtwiderständen und der Konkurrenz ein gerütteltes Maß an Ignoranz. In puncto Verbrauch darf man angesichts dieser Leistungsliga keinerlei Wunder erwarten: Überraschenderweise unterbietet der Hubraumgrößte im Test, der BMW M2, mit einem Testverbrauch von 10,5 Liter Super Plus seine Rivalen um bis zu einen Liter.
Mercedes-AMG A 45 im Video:
Hecktriebler, Allrad und Kraftverteilung per Differenzial
Um die Antriebskraft auf den Asphalt zu bringen, setzen die Hersteller auf verschiedene Rezepte: BMW spendiert dem M2, dem einzigen Hecktriebler im Feld, eine elektronisch geregelte Lamellensperre an der Hinterachse, die eine Sperrwirkung von bis zu 100 Prozent ermöglicht. Im Focus RS kümmert sich ein Differenzial um die Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse, wobei bis zu 70 Prozent der Antriebskraft an die Hinterachse geleitet werden können. Dort wartet ein weiteres Differenzial, das die Kraftverteilung zwischen den Hinterrädern regelt. Mercedes hat beim A 45 AMG zusätzlich zum Allradantrieb eine optionale Vorderachssperre verbaut. Entsprechend unterschiedlich gestalten sich die Fahrerlebnisse. Der Mercedes liefert eine tolle Traktion, will aber mit vergleichsweise hohen Lenkkräften in die Kurve gelenkt werden. Dort wartet er dank der Vorderachssperre mit hohem Querbeschleunigungspotenzial auf. Doch wird hier gleichzeitig deutlich, dass er die höchste Vorderachslast im Testfeld mitschleppt. So beginnt er, an der Haftgrenze zu untersteuern. Besser ist es, vor der Kurve mehr Tempo abzubauen und beim Herausbeschleunigen den Vorteil des Allradantriebs auszukosten. Der Focus wirkt deutlich handlicher und bleibt im Grenzbereich neutral. Er lenkt spontaner ein als der Mercedes, stützt sich beim Herausbeschleunigung spürbar auf das äußere Rad ab und feuert so noch eine Spur agiler aus der Kurve. Auf der Geraden sind bei Volllast allerdings Antriebseinflüsse in der Lenkung spür- bar. Wer mag, kann im Drift-Modus von der dann Hinterachs-betonten Kraftverteilung profitieren und die Kurve quer passieren. Ein Makel des Focus ist sein selbst für die Rennstrecke zu hart gewähltes Fahrwerks-Set-up – das erfordert wegen der ständigen Aufbaubewegungen eine zupackende Hand, um die Linie zu halten. Da ist der M2 aus anderem Holz geschnitzt: Frei von Antriebskräften agiert seine feinfühlige Lenkung. Seine perfekte Gewichtsbalance lässt ihn ausgesprochen leichtfüßig wirken, neutral und gut kontrollierbar fährt er sauschnell im Grenzbereich. Zu viel Leistungseinsatz lässt das Heck locker, aber gut kontrollierbar ausschwenken. Gaslupfen öffnet die Hinterachs-Sperre – und der M2 steht wieder gerade. Der Blick auf die Uhr offenbart die eigentliche Überraschung: Auf dem GP-Kurs des Nürburgrings (Kurzanbindung) ist er mit 1:40,7 min 3,1 Sekunden schneller als der elf PS stärkere Allrad-Mercedes (1:43,8 min) Damit zeigt sich, wie viel Potenzial in einem gut abgestimmten Hecktriebler steckt. Überraschung Nummer zwei: Obwohl 30 PS schwächer, ist der Focus mit 1:44, 4 min nur 0,6 Sekunden langsamer als der Mercedes. Der Schwabe ist es auch, der mit dem kürzesten Warmbremswert (33,1 Meter) aufwartet.
Ford Focus RS im Video:
Straffe Fahrwerke und Sportsitze serienmäßig
Beim Wechsel vom Rundkurs auf die Landstraße wird deutlich, dass Fahrzeuge dieser Machart verständlicherweise keinen Daunenkissen- gleichen Federungskomfort bieten. Allerdings geriet der Focus trotz adaptiver Dämpfer auch für den Alltag etwas zu straff. Dies zeigt sich – wie schon beim schwächeren Focus ST – in deutlich ausgeprägten Nickschwingungen auf kurzen Bodenwellen. Diese verkneift sich der mit einem konventionellen Fahrwerk bestückte M2, auch auf Landstraßen zweiter Ordnung liegt er wesentlich ruhiger. Querkanten etwa reicht er über seine 19-Zoll-Mischbereifung jedoch ebenso trocken an die Passagiere weiter wie der Ford. Selbst der Benz kann hier nicht anders, verarbeitet faltigen Asphalt ansonsten aber deutlich konzilianter. Der Comfort-Modus seines adaptiven Fahrwerks verdient den Namen zu Recht, auch wenn man hier innerhalb der Kompaktsportler-Riege etwas Kompromissbereitschaft mitbringen sollte. Wer sportlich fährt, möchte Sitze, die wie angegossen passen. Entsprechend verfügen alle drei Kandidaten über serienmäßige Sportsitze. Die ausgeprägten Wangen der Ford-Sitze bieten eine perfekte Abstützung, doch speziell im Beckenbereich zwickt es den einen oder anderen wohlstandsgeformten Fahrer-Torso. Dort bieten die Mercedes-Sitze etwas mehr Luft. Doch auch die schalenartigen AMG-Performance- Fauteuils schränken die Bewegungsfreiheit auf Langstrecken etwas ein. Da fühlen sich die BMW-Insassen besser untergebracht. Im Fond müssen die AMG-Passagiere mit stark angewinkelten Oberschenkeln hart im Nehmen sein, während man in Sachen Sitzkomfort im Ford-Fond am bequemsten reist. Aus ergonomischer Sicht gefällt wiederum der BMW am besten. Im Ford sind die Touchscreen-Bedienfelder teilweise zu klein, während der Mercedes mit einer wenig griffgünstigen Motorhaubenentriegelung und dem Tankeinfüllstutzen auf der linken Fahrzeugseite zum Teil unpraktisch ist. Unterwegs begeistert der M2 mit dem angenehm sonoren Klangbild seines Reihensechszylinders und vergleichsweise gut gedämmten Abrollgeräuschen. Dass Mercedes-AMG sich selbst beim A 45 eine Zweizonen-Klimaautomatik extra bezahlen lässt, ist eigentlich ein Unding.
Zwei Kandidaten mit Premium-Verarbeitungsqualität
Vom Fahren zum Parken: Zeit für die Karosseriebewertung. Während alle drei mit wuchtigen Lufteinlässen in der Front, markantem (Mercedes) und noch markanterem Dachspoiler (Ford) oder ausgestellten Kotflügeln (BMW) eindringlich auf ihr fahrdynamisches Potenzial hinweisen, geben sich die Kandidaten in ihren Innenräumen eher zurückhaltend sportlich. In Sachen Raumangebot fühlen sich vorn die Ford-Passagiere am wohlsten. Aber auch hinten bietet der Focus RS das beste Raumgefühl, während der M2 die übersichtlichste Karosserie hat. Im alltäglichen Umgang benötigt man für die Bedienung der Ford-Audioanlage etwas Eingewöhnung, und die Bedienfelder des Touchscreens verlangen zum Teil nach mehrfacher Berührung. Die unterschiedlichen Fahrprogramme lassen sich in allen dreien recht einfach abrufen beziehungsweise konfigurieren. Apropos Alltag: Das M2 Coupé ist eigentlich eine zweitürige Stufenhecklimousine, die allerdings mit 390 Litern den größten Standardkofferraum des Trios besitzt. Dafür punktet die Konkurrenz mit mehr Variabilität in Gestalt asymmetrisch umlegbarer Rücksitzlehnen. Zuladungstechnisch liegen alle mit Werten um 470 Kilogramm auf einem Niveau. Traditionell bietet der Benz eine umfangreiche, wenn auch teils optionale Sicherheitsausstattung. So hat er den Rivalen die Option auf hintere Seitenairbags, eine vorausschauende Crashsensorik sowie einen serienmäßigen Notbremsassistenten voraus. Bei Materialauswahl und Verarbeitungsqualität untermauern BMW und Mercedes ihren Premiumanspruch gegenüber dem Ford.
Deutliche Unterschiede im Preis und Serviceangebot
Geht es um den bewerteten Preis, der alle testrelevanten Ausstattungsdetails berücksichtigt, liegen zwischen dem Ford Focus RS und seinen Konkurrenten jeweils fast 17.000 Euro. Folglich fällt auch der Wertverlust des Kölner Kompakten deutlich günstiger aus: um 6200 Euro weniger als beim Mercedes und um fast 9700 Euro niedriger als beim BMW. Im Vergleich zu diesem bietet der Ford mit einer unbegrenzten Mobilitätsgarantie auch das deutlich bessere Garantiepaket. Zwar sind für den A 45 die niedrigsten Kfz-Steuern zu zahlen, was aber gegen die höchsten Werkstattkosten nichts ausrichten kann. Was die Versicherung gegen Schadensfälle aller Art angeht, sehen die Assekuranzen im BMW M2 das höchste Risiko. Mit den Typklassen 19 (Vollkasko) und 28 (Teilkasko) sind für ihn innerhalb des Trios die höchsten Prämien fällig, während Ford-Fahrer am günstigsten wegkommen. So geht der Focus RS aus diesem Kapitel als Sieger hervor, der Mercedes trägt dagegen die rote Laterne.
Technische Daten | BMW M2 Coupé | Ford Focus RS | Mercedes-AMG A 45 4MATIC |
Motor | R6/4, Turbo | 4/4, Turbo | 4/4, Turbo |
Nockenwellenantrieb | Kette | Zahnriemen | Kette |
Hubraum | 2979 cm³ | 2261 cm³ | 1991 cm³ |
Leistung bei | 272 kW/370 PS 6500/min | 257 kW/350 PS 6000/min | 280 kW/381 PS 6000/min |
Max. Drehmoment | 465 Nm (500 Nm) 1400 – 5560/min | 440 Nm 2000 – 4500/min | 475 Nm 2250 – 5000/min |
Getriebe | 6-Gang, manuell | 6-Gang, manuell | 7-Gang, Doppelkupplung |
Antrieb | Hinterrad; aktives Sperrdifferenzial | Allrad, permanent | Allrad, permanent |
0 - 100 km/h | 4,8 s | 4,7 s | 4,1 s |
Höchstgeschw. | 250 km/h (270 km/h, opt.) | 268 km/h | 250 km/h (270 km/h, opt.) |
Grundpreis | 56.700 Euro | 40.000 Euro | 51.170 Euro |
Platz | 1 | 2 | 2 |
Mit dem neuen Ford Focus RS haben die Kölner einen kompromisslosen Allrad-Kompaktsportler auf die Räder gestellt, der mit kundigem Fahrer am Steuer ein wahres Fahrspaß-Feuerwerk abbrennen kann. Das alles gibt es, gemessen am Gebotenen, zu einem wirklich heißen Preis. Der Mercedes-AMG A 45 begeistert mit den besseren Fahrleistungen und den besten Bremsen im Test. Er federt auch besser, ist aber sehr viel teurer als der Ford – im Ergebnis teilen sich so beide Platz zwei. Teuer ist auch das BMW M2 Coupé, doch es zeigt deutlich, dass ein perfekt abgestimmter Hecktriebler mit optimaler Gewichtsverteilung durchaus in der Lage ist, querdynamisch gegen die Allradkonkurrenz zu bestehen. Nicht zuletzt dank des sparsamsten Motors gewinnt der M2 den Test. Die geringen Punkteabstände zeigen aber, wie hoch das Niveau in dieser Liga inzwischen ist.