Lamborghini Huracán STO: Tracktest
Pure PS-Euphorie im Huracán STO
Spaß, Vergnügen, Frohsinn, Freude – nennen Sie es, wie Sie wollen. Auf jeden Fall ist der Lamborghini Huracán STO eine ganz große Gaudi. Besonders dann, wenn man ihn wie in unserem Tracktest dort und seiner Art gerecht bewegt, wo er entwickelt wurde: auf der Rennstrecke.
Im Fall des Lamborghini Huracán STO verkünden wir das Fazit noch vor dem eigentlichen Tracktest und sagen: Der STO ist der nachhaltigste Lamborghini, den es gibt. Punkt. – "Äh, nein, das Ding hat nur zwei Sitze, verbrennt mindestens 14,5 Liter Super Plus auf 100 Kilometern, ist laut, unpraktisch und irre teuer!" – stimmt alles, aber hier geht es nicht um Nachhaltigkeit im Sinne von umweltverträglich, volksnah oder alltagstauglich. Gemeint ist die nachhaltige, also über eine längere Zeit anhaltende stimmungsaufhellende Wirkung, die ein Rennstreckentest mit dem performantesten Huracán auf den Gemütszustand hat. Dass es das italienische wie kein anderes Volk verstehen, Emotionen zu transportieren, ist klar. Ihre Küche ist unübertroffen, leidenschaftlicher als die Azzurri spielt kaum eine Mannschaft, und beim Thema Automobil ist traditionell immer ganz viel Liebe zum Detail im Spiel. So auch beim Lamborghini Huracán STO. Mehr zum Thema: Unsere Produkttipps auf Amazon
Der Lamborghini Huracán STO im Video:
Der Lamborghini Huracán STO im Tracktest
Allein durch Sprache schaffen es die Frauen und Mannen aus Sant'Agata, aus recht profanen Dingen wie dem Nässe-Fahrmodus im Lamborghini Huracán STO etwas vermeintlich Besonderes zu machen. Oder hätten Sie erwartet, dass in "Pioggia" das Gaspedal entschärft und die ESC-Regelung rigoroser wird? Allein die Bezeichnung "Super Trofeo Homologata", kurz STO, würde auf Deutsch ziemlich bieder klingen, deshalb sparen wir uns die Übersetzung. Nur so viel: Vom Markenpokal-Rennwagen Super Trofeo Evo hat sich der straßenzugelassene STO ganz viel abgeschaut – zum Beispiel den aufgesetzten Luftschnorchel mit der dahinter angeschlossenen Längsfinne, die bis zum breiten, dreifach einstellbaren Heckflügel reicht und mehr Stabilität in schnellen Kurven bringen soll. Oder das aus Stoßfänger, Motorhaube und Kotflügel bestehende, wuchtige, aber weil aus Kohlefaser gefertigt auch ziemlich leichte Bugteil, das nach vorn schwenkend öffnet. Unter dieser Cofango genannten Haube – eine Wortschöpfung aus Cofano (Motorhaube) und Parafango (Kotflügel) – musste das taschentaugliche Gepäckabteil diversen Luftkanälen weichen, die die Kühlung verbessern und abermals den Abtrieb steigern. Bugteil und Motor-Heckdeckel entriegelt man übrigens mittels Spezial-Schlüssel, was stark an den Super Trofeo-Rennwagen erinnert, wo zusammenhängende Karosserieteile über Clips arretiert sind, um sie nach einem Crash schnell ersetzen zu können. 75 Prozent der Außenhaut bestehen aus kohlefaserverstärktem Kunststoff (Karbon, CFK), denn neben der im Gegensatz zum Huracán Performante nicht variablen, aber dennoch signifikant verbesserten Aerodynamik stand beim STO das Thema Leichtbau weit oben im Lastenheft. Der Auftrag: möglichst viel Gewicht reduzieren. Das gelingt einerseits über die Materialien, andererseits durch die Kunst des Weglassens – zum Beispiel in den Tiefen des Fahrerfußraums mit unlackierter Spritzwand, nackter Pedalaufhängung, unverkleideter Lenksäule und offener Verschraubung. 45 Kilogramm spart der Verzicht auf den Allradantrieb, 4,5 Kilogramm die Windschutzscheibe, je 7,5 Kilogramm die Schalensitze aus CFK, und die Magnesium-Räder wiegen 16 Kilogramm weniger. Damit kommt der Lamborghini Huracán STO bei unserem Tracktest in der Summe auf 1514 Kilogramm mit 80 Litern Super Plus an Bord ohne Fahrenden – und hat eine Ersparnis von 43 Kilogramm im Vergleich zum Performante, 141 Kilogramm zum Huracan EVO.
STO: Gewicht reduzieren, Aerodynamik verfeinern & Bremse verbessern
Dritter Hauptpunkt auf der Entwickler-To-do-Liste des Lamborghini Huracán STO ist die Bremse. Für den STO bauten die Spezialist:innen von Brembo eine neue Anlage mit ganz speziellen Karbon-Keramik-Scheiben (CCM-R), die eine viermal höhere Wärmeleitfähigkeit im Vergleich zu den bisherigen Karbon-Keramik-Scheiben bieten sollen. Nettes Gimmick für die Rennstrecke ist die Temperatur-Anzeige auf dem Touchscreen für Bremsscheiben und -Flüssigkeit sowie Reifen – inklusive aktueller Fülldrücke. Viel wichtiger aber als bunte Grafiken ist die Brems-Performance, und da setzt der STO Lamborghini intern neue Maßstäbe. Er kommt mit heißen Scheiben nach nur 29,3 Metern aus 100 km/h zum Stillstand. Verdoppeln wir das Tempo, sind es 111,5 Meter, wobei das ABS sehr fein regelt und perfekt mit den Semislick-Reifen Potenza Race von Bridgestone harmoniert. Auch aus dem Startblock heraus liefert der Lamborghini Huracán STO in unserem Tracktest ab, rennt in 3,0 Sekunden auf Tempo 100 und in 9,0 Sekunden auf 200 km/h.
Hochfrequenz-Takt-Motor im Lamborghini Huracán STO
Genug der Zahlen zum Lamborghini Huracán STO. In unserem Tracktest wechseln wir in querdynamische Gefilde und zupfen auf den ersten Runden reifenanfahrend durch die sieben Gänge des Doppelkupplungsgetriebes, das extrem fix und ruckfrei arbeitet. Kleiner Tipp: Nur ganz kurz an der rechten Wippe ziehen, sonst überspringt das Programm eine Stufe, die Drehzahl fällt tief, und es gehen wichtige Sekundenbruchteile verloren. Alles schon passiert. Wobei das Wort tief hier ziemlich relativ ist und für Otto-Normal-Motoren roter Bereich bedeutet. Mit der 5,2-Liter-V10-Saugmaschine aber geht die Gaudi oberhalb von 5000 Touren erst los. Die Schaltwippe wird erst dann gezogen, wenn die 8000er-Marke passiert ist und die Schaltlampen nicht mehr rot, sondern blau blitzen. Aber bloß nicht zu lange warten, sonst rattert das Aggregat bei 8750 Kurbelwellenumdrehungen in den Begrenzer. Konsequenz: verlorene Sekundenbruchteile. Von denen verschenkt man zudem sehr viele, wenn man den Huracán nicht ordentlich beim unten abgeflachten Lenkrad packt, mit dem das Kurven dank fixer Übersetzung (13,4:1) und mitlenkender Hinterachse ganz famos klappt. Der Momentenaufbau aus der Mittellage heraus ist klar und nachvollziehbar. Nur manchmal wirkt die elektromechanische Lenkung etwas verspannt und dürfte außerdem zwischen 45 und 90 Grad Lenkwinkel – also bei üblichen Kurvenradien – gern einen Tick mehr Handmoment auf die Säule geben. Aber wir waren bei verlorenen Sekundenbruchteilen. Davon lässt man einige liegen, wenn man zum Beispiel ab dem Kurvenscheitelpunkt zu sehr mit dem Gaspedal spielt und dem STO Gelegenheiten gibt, auf Lastwechsel zu reagieren. Also entweder Gas oder Bremse, alles dazwischen macht den 1,22 Meter flachen Keil um die Hochachse nervös. Dann zuckt die Hinterachse des Lamborghini Huracán STO, und die 305er-Walzen wechseln zackig, aber gut vorherseh- und parierbar von Haft- auf Gleitreibung.
Kurvenjagd im Lamborghini Huracán STO
Wenn man den Dreh im Lamborghini Huracán STO erst einmal raus hat, funktioniert die Jagd nach Bestzeiten aber ausgezeichnet. Zwar muss man den Bremspunkt auf den ersten Runden in unserem Tracktest immer wieder korrigieren, also in Richtung Kurvenscheitelpunkt verlagern. Hat man ihn jedoch getroffen, kann man mit hartem, dabei fein dosierbarem Pedaldruck bis zum Scheitelpunkt enger Kehren verzögern – zum Beispiel am Ende Start-Ziel oder in der 180-Grad-Kehre der GP-Kurzanbindung. Schnelle Kurven nimmt man besser unter Zug, also mit schon wieder mindestens halb geöffneter Drosselklappe, sodass Druck auf dem Heck lastet, der den per Werkzeug steil stellbare Flügel bei seinem Job unterstützt. Jetzt macht sich das ganze Aerodynamik-Konzept mit Kaminen in der Fronthaube und Louvers sowie Finnen auf den Kotflügeln bemerkbar, was in Summe 420 Kilogramm Gesamtabtrieb bei 280 km/h bedeutet. Und auch wenn heute bei maximal Tempo 240 Schluss ist, reicht das aus, um glasklar zu spüren, dass der STO kein gewöhnlicher Huracán ist. All dies passiert natürlich im hellwachen, rohen Trofeo-Modus mit harten Dämpfern, ESC auf Pause, rechtem Fuß als Traktions-Kontrolleur. Welch ein Spaß, der auch nicht endet, wenn wir Deutschen mal wieder unser GPS-Gerät einbauen. 1:32,3 Minuten stehen auf dem Display. Das reicht locker für die Top-10, für mehr allerdings nicht. In letzter Konsequenz mangelt es dem Lambo im Vergleich zur Spitze auf dem Tableau dann doch an Leistung und ultraweichen Reifen, wie sie etwa Porsche und Mercedes auf ihre Tracktools schnallen. Und gerade weil der STO so stark an den Rennsport angelehnt ist, darf ein solcher Qualifyer-Pneu in der Preisliste eigentlich nicht fehlen. Andererseits hat die Sportwagenmarke den Huracán STO ganz bewusst als Auto für Trackday-Fahrende konzipiert, die möglichst lange Freude und eine gleichbleibende Performance mit einem Satz Reifen – hier rund 2000 Euro teuer – haben wollen. Da ist der härter abgemischte Semislick Potenza Race genau der richtige Pneu, mit extrem breiten Blöcken, wenig Negativprofil, steifer Flanke und geänderter Karkasse. So steht der STO in der Startaufstellung zwar nur im Mittelfeld, holt bei einem Langstreckenrennen aber den Sieg, weil die Gummis langsamer abbauen. Und auch das ist ja eine Form der Nachhaltigkeit im Lamborghini Huracán STO.
Messwerte & technische Daten des Lamborghini Huracán STO
AUTO ZEITUNG 03/2022 | Lamborghini Huracán STO |
Technik | |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | V10/4 |
Hubraum | 5204 cm³ |
Leistung | 470 kW/640 PS bei 8000/min |
Max. Drehmoment | 565 Nm bei 6500/min |
Getriebe/Antrieb | 7-Gang, Doppelkupplung, Hinterradantrieb |
Messwerte | |
Leergewicht (Test) | 1514 kg |
Beschleunigung 0-100 km/h (Test) | 3,0 s |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 310 km/h |
Bremsweg aus 100 km/h kalt/warm (Test) | 30,5/29,3 m |
Verbrauch auf 100 km (WLTP) | 14,5 l SP |
CO2-Ausstoß (Werk) | 292 g/km |
Preise | |
Grundpreis | 296.800 € |