close
Schön, dass du auf unserer Seite bist! Wir wollen dir auch weiterhin beste Unterhaltung und tollen Service bieten.
Danke, dass du uns dabei unterstützt. Dafür musst du nur für www.autozeitung.de deinen Ad-Blocker deaktivieren.
Geht auch ganz einfach:

Britisches Flunder-Duell: Jaguar XJ220 & Jaguar XJR-15

Diese Raubkatzen sind britische Superhelden

Thomas Pfahl Leitender Redakteur Classic Cars
Hinweise zu den Affiliate-Links
Die genannten Produkte wurden von unserer Redaktion persönlich und unabhängig ausgewählt. Beim Kauf in einem der verlinkten Shops (Affiliate Link) erhalten wir eine geringfügige Provision, die redaktionelle Selektion und Beschreibung der Produkte wird dadurch nicht beeinflusst.
Inhalt
  1. Zwei ungleiche Flundern vom gleichen Stern: Jaguar XJ220 & Jaguar XJR-15
  2. Das Anlassen des XJ220 ist eine Show für sich
  3. Motorsport-Feeling im Jaguar XJR-15
  4. Elf Liter Motoröl schießen durch den Zwölfzylinder
  5. Technische Daten von Jaguar XJ220 und Jaguar XJR-15
  6. Fazit

Aufgepasst, es wird rasant! Die frühen 90er-Jahre waren die Zeit der Supersportwagen. Jaguar hatte damals gleich zwei Pfeile im Köcher, die unterschiedlicher kaum sein konnten.

Die Zeit der automobilen Superlative war angebrochen: Bugatti EB110, McLaren F1, Jaguar XJ220 und natürlich Ferrari F40 sowie Porsche 959 waren die Überflieger der späten 80er- und frühen 90er-Jahre. Ihre Eckdaten im Autoquartett ließen leistungshungrige Heranwachsende ebenso ins Schwärmen geraten wie ambitionierte Sportfahrer:innen. Die Autos waren spektakulär – und grundverschieden: Während der große Heckflügel des Ferrari noch "typisch 80er" war, zeigte Jaguar auf der Birmingham Auto Show 1988, wie man sich einen künftigen Supersportler vorstellte: lang, flach und mit üppigem Zwölfzylinder sowie Allradantrieb ausgestattet. Doch auf dem Weg zur Serienreife ging die Hälfte der Zylinder verloren: Der im Rennsport verwendete Zwölfzylinder schien für ein Straßenfahrzeug nicht praktikabel. Alternativ griff Jaguar zum bereits etablierten V64V-Motor von Austin Rover.
Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon

Der Ferrari SF90 XX Stradale (2023) im Fahrbericht (Video):

 
 

Zwei ungleiche Flundern vom gleichen Stern: Jaguar XJ220 & Jaguar XJR-15

Dieser Sechszylinder war als Saugmotor für den Einsatz im Gruppe-B-Auto MG Metro 6R4 entwickelt worden. TWR-Mann Andrew Barnes und der Schweizer Motorenbauer Max Heidegger überarbeiteten ihn umfassend und rüsteten ihn mit zwei Garrett-Turboladern aus. So kam der kompakte Motor ab 1990 auch in Jaguars Rennwagen zum Einsatz. Für den Vortrieb waren nun allein die Hinterräder verantwortlich. Jaguar Sport, ein 1988 gegründetes Joint Venture aus Jaguar und Tom Walkinshaw Racing, machte den XJ220 straßentauglich. Die Charakteristik der Flunder erinnerte an die Chaparalls der 60er-Jahre, die sich förmlich an den Boden saugten ("Staubsauger-Rennwagen"): Wichtig war vor allem der Abtrieb. Durch die geschickte Gestaltung der Karosserie brauchte es keinen hoch aufragenden Heckspoiler. Als eines der ersten Straßenfahrzeuge nutzte der XJ220 den Luftstrom unter dem Auto und damit den sogenannten Venturi-Effekt (Abtrieb: 1361 kg bei 322 km/h). Das Grundgerüst des Jaguar entstand mithilfe der ASVT-Technologie (Aluminium Structured Vehicle Technology) mit Wabenstruktur.

Das so entwickelte Monocoque wurde mit den Aluminium-Karosserieteilen beplankt und ein Überrollkäfig in die Struktur integriert. Das alles klingt nach ziemlich kompromissloser Rennsport-Technik – und sorgte seinerzeit für überraschte Gesichter bei denen, die sich ein solches Auto leisten konnten und wollten. Immerhin bekundeten über 1500 potenzielle Kund:innen Interesse am XJ220, Jaguar plante die Produktion von 350 Autos. Doch die Begeisterung hatte in erster Linie die 1988 vorgestellte Studie mit Zwölfzylinder und Allradantrieb entfachte. Jaguar, mittlerweile im Ford-Besitz, hätte den XJ220 verstümmelt, raunten Kritiker:innen.

Produkte für den Klassiker: 

 

Das Anlassen des XJ220 ist eine Show für sich

Und tatsächlich mutete der spektakuläre Supersportler im Detail fast schon bieder an, wenn man plötzlich auf Großserien-Schalter oder -Türschlösser blickte. Auch die Ausstattung irritierte: Ledersitze und Klimaanlage waren verfügbar, ABS, Airbags oder eine Servolenkung hingegen nicht. In dieser Hinsicht war der XJ220 tatsächlich ein puristischer Sportwagen. Diesen Eindruck verstärkte die schwergängige Kupplung. Und wer ganz profan die Rundumsicht des Jaguars beurteilte, stellte schnell fest: Die war im Prinzip nicht vorhanden. Aber beim Einfahren in die Parkplatzbucht (oder Fahrerlager-Box) lässt man sich ja schließlich auch von der Boxencrew einweisen.

Heute, nach gut 30 Jahren, sind das alles charmante Eigenheiten eines Oldtimers. Allein das Anlassen des Jaguar XJ220 ist eine Show: Zunächst wird der Hauptschalter hinter der linken Schulter umgelegt, dann die Zündung eingeschaltet, und schließlich drückt man der Startknopf. Der Blick schweift über die Kontrollinstrumente – vier davon sitzen aufgrund der Enge des Cockpits in der Türverkleidung – und los gehts! In der Tat erhofft man sich angesichts der XJ220-Optik ein martialischeres Grollen als das Geschepper, das der relativ kleine Biturbo-Motor von sich gibt. Aber am Ende zählt die Leistung: 549 PS (404 kW) wirken auf die hinteren Walzen. Die Typbezeichnung verrät die angedachte Höchstgeschwindigkeit: 220 mph sollte der Jaguar eigentlich erreichen, das wären 354 km/h – die hat der XJ220 zumindest im Serienzustand knapp verfehlt. Kritik musste er seinerzeit auch für die Bremsen einstecken: Sie gingen nicht ganz so bissig zu Werke, wie man es sich vom Über-Jaguar erwartet hätte. Letztendlich konnte selbst die angepeilte Stückzahl nicht verkauft werden: 275 Exemplare fanden ihre Besitzer:innen.

Der Jaguar XJ220 statisch von der Seite fotografiert.
Foto: Daniela Loof
 

Motorsport-Feeling im Jaguar XJR-15

Noch exklusiver war der kurz vor dem XJ220 erschienene Jaguar XJR-15: Wie das R (Racing) im Namen verrät, war der 1991 vorgestellte Zweisitzer noch mehr Rennwagen als der XJ220. Das erklärt auch, warum die kurz hintereinander präsentierten Autos so unterschiedlich sind: Als Tom Walkinshaw 1988 den Prototyp des XJ220 sah, soll er Feuer und Flamme von der Idee gewesen sein, ein Rennauto auf die Straße zu bringen. Der Gedanke geisterte schon lange in seinem Kopf herum, ein erster Versuch mit dem XJR-8 scheiterte aber an einer "alltagstauglichen" Karosserie. Tatsächlich war das auch in diesem Fall die große Herausforderung: Rennfahrer:innen ist es relativ egal, wie komfortabel man sein Auto entern kann. Man lässt sich in den Sitz fallen, bekommt den Helm gereicht und spult seine Kilometer auf der Rennstrecke ab. Gut betuchte Autosammlende, die sich den XJR-15 gönnen wollten, hatten da ganz andere Ansprüche. Ein Knackpunkt waren die breiten Schweller, ein anderer war die Kopffreiheit im Auto.

Walkinshaw holte den Designer Peter Stevens mit ins Boot, der für Lotus gerade den Elan gezeichnet hatte. Unter Beibehaltung des Kohlefaser-Monocoques entwarf der Brite eine gefällige Karosserie, die einerseits den Zulassungsbestimmungen, andererseits den Komfortansprüchen zumindest im unbedingt notwendigen Maß Rechnung trug. Der Clou: Der XJR-15 wurde zum ersten Straßenauto, das komplett aus Kohlefaser gefertigt war. Der Sieg von Jan Lammers, Johnny Dumfries und Andy Wallace bei den 24 Stunden von Le Mans am 12. Juni 1988 befeuerte das (inoffizielle) Projekt, das neben den offiziellen Motorsport-Einsätzen von Walkinshaws Team vorangetrieben wurde. Jetzt war der richtige Zeitpunkt, das Auto sollte vom Hype um den legendären Sieg und die späteren Erfolge profitieren. Die Einzelradaufhängung an Doppelquerlenkern rundum entstammte ebenso im Wesentlichen dem Rennwagen wie die Bremsanlage mit Vierkolben-Zangen von AP.

Auch interessant:

 

Elf Liter Motoröl schießen durch den Zwölfzylinder

Das Rückgrat des XJR-15 bildete – in jeder Hinsicht – der Motor. Walkinshaw beließ es beim Zwölfzylinder, reduzierte den Hubraum aber von 7,0 auf 6,0 l. Die ursprüngliche Basis des Renntriebwerks war der 5,3-l- V12 des XJS. Der Zweiventil-Motor fußte somit im Kern auf einer betagten Konstruktion, verfügte aber über eine elektronische Einspritzung mit "fly by wire"-Drosselklappe. Damit stehen  rustikale 450 PS (331 kW) sowie ein maximales Drehmoment von 540 Nm zur Verfügung. Schon der Start des Triebwerks sorgt für Rennsportgefühle: Erst einmal sind die Schalter für Zündung und Benzinpumpe umzulegen, dann wird der Startknopf gedrückt. Um das volle Drehzahlfenster abzurufen, sollten die elf Liter Motoröl erst mit gebremstem Schaum warmgefahren werden. Das fällt schwer bei dem infernalischen Lärm, der hinter den Köpfen der Passagiere entsteht: Man möchte das volle Potenzial am liebsten sofort auskosten. Dieses Vergnügen blieb nur wenigen Auserwählten vergönnt: Umgerechnet rund 1,5 Millionen Mark musste man 1991 für den XJR-15 hinblättern.

Das war der Spaß mehr Interessenten wert, als Walkinshaw beliefern konnte: Die angepeilte Stückzahl von 50 Autos war unter anderem der Produktionstechnik der Karosserie geschuldet. Tom Walkinshaw sprach von einem "Versuchsträger", mit dem man Erkenntnisse im Umgang mit den Kunststoffmaterialien sammeln wollte. Da man die Markteinführung mit einem kleinen, exklusiven Markenpokal verband, entstanden letztendlich 30 Rennwagen – mit tiefergelegtem Fahrwerk und einem unsynchronisierten Sechsgang-Getriebe – sowie 21 Straßenautos.

Der Jaguar XJR-15 statisch von der Seite fotografiert.
Foto: Daniela Loof

Das macht den XJR-15 bis heute deutlich exklusiver als den auch nicht gerade massenhaft vorhandenen Jaguar XJ220. 2021 wurde ein XJR-15 in Monterey für 1,9 Millionen US-Dollar versteigert. Vor zehn Jahren waren die Autos noch deutlich günstiger zu haben – wenn denn mal eins angeboten wurde. Die hier gezeigten Boliden gehören zur "Selected Car Collection" des Dänen Torben Oestergaard- Nielsen. Er beobachtet den Markt genau und hat in den vergangenen 30 Jahren über 200 Fahrzeuge von den 50ern bis heute zusammengetragen. Neben dem Handel mit den Supercars verwaltet er auch einen Investmentfonds rund um die exklusiven Fahrzeuge.

 

Technische Daten von Jaguar XJ220 und Jaguar XJR-15

Classic Cars 05/2022Jaguar XJ220Jaguar XJR-15
Zylinder/Ventile pro Zylin.6/4; Turbo12/2
Hubraum3498 cm³5993 cm³
Leistung404 kW/549 PS331 kW/450 PS
Max. Gesamtdrehmoment bei642 Nm 5000/min540 Nm 4500/min
Getriebe/Antrieb5-Gang-Getriebe/Hinterrad5-Gang-Getriebe/Hinterrad
L/B/H4930/2220/1140 mm4800/1900/1100 mm
Leergewicht1350 kg1050 kg
Bauzeit1992-19941991
Stückzahl27553 (21 Straßenversionen)
Beschleunigung
null auf 100 km/h
4 s3,2 s
Höchstgeschwindigkeit340 km/h307 km/h
Verbrauch auf 100 km25,1 l Sk.A.
Grundpreis (Jahr)720.000 Mark (1994)1.500.000 Mark (1991)

 
Thomas Pfahl Thomas Pfahl
Unser Fazit

Manchmal muss Träumen erlaubt sein. Erst recht, wenn man vor zwei so seltenen Fahrzeugen wie dem XJ220 und dem XJR-15 steht. Ein direkter Vergleich verbietet sich wegen der unterschiedlichen Konzepte respektive Ausgangs-Situationen: Der XJ220 war von vornherein als Supersportwagen angedacht und für den Straßengebrauch entwickelt. Mit seiner flachen, gestreckten Form sieht er definitiv spektakulärer aus. Beim XJR-15 machte TWR den Rennwagen auf eigene Faust zum Straßenauto. Er ist kompromissloser und mit seiner Kunststoff-Karosserie ein echter automobiler Meilenstein.

Tags:
Copyright 2025 autozeitung.de. All rights reserved.