Jaguar F-Type Coupé: V6-Basis im Test Basis-Vergnügen
Schön, stark, begehrenswert – mit dem neuen F-Type hat Jaguar einen Volltreffer gelandet. Gilt das auch für das 67.000 Euro teure Einstiegsmodell?
Die erste Begegnung mit dem Jaguar F-Type liegt eine Weile zurück. Mike Cross, seines Zeichens „Chief Engineer Vehicle Integrity“ der Traditions-marke, bat im Februar letzten Jahres ins winterliche Wales. Einziger Programmpunkt: die weltweit erste Ausfahrt mit dem neuen Hoffnungsträger, Porsche-Jäger, Image-Schärfer. Damals zur Demonstration der neuen Leistungsfähigkeit als Cabrio und mit standesgemäßem 5,0-Liter-V8-Kompressor im gestreckten Bug.
Selbst fahren durften wir noch nicht. Diesen Job hat der Fahrdynamikchef übernommen – mit größtem Vergnügen. Wenn ein bestens aufgelegter Mike Cross, 495 PS, Raureif und Linksverkehr aufeinander treffen, dann ist die Freude groß: „Sehen Sie, unser XK ist ein sportlicher GT. Der F-Type dagegen ist ein purer Sportwagen“, erläuterte der Chassis-Profi, als er den 100.000-Euro-Racer durch die walisische Heckenlandschaft prügelte. „Der Radstand ist kürzer, die Gewichtsbalance ausgeglichener.
DER F-TYPE IST REIF FÜR DEN ALLTAG
Das ganze Auto ist leichter, und die Lenkung spricht viel spontaner an.“ So machte der Mann auf den F-Type neugierig. In mehreren Vergleichstests hat der potente Sportler seither seine Qualitäten unter Beweis gestellt. Aber kann auch die Basisvariante begeistern?
Zur Orientierung: Die Preisliste beginnt bei 67.000 Euro. Dafür gibt es die Coupé-Version mit 340 PS starkem V6-Kompressor-Triebwerk. Mehr Dampf macht das S-Coupé für 78.500 Euro (380 PS). An der Spitze steht das ab 103.700 Euro erhältliche F-Type R-Coupé, dessen 5,0-Liter-V8-Kompressor 550 PS an die Hinterachse wirft.
Der Druck auf den Knopf weckt den „kleinen“ Dreiliter-V6 mit heiserem Röhren. Im Gegensatz zum Achtzylinder, der durch jeweils zwei Doppelendrohre ausatmet, machen sich die Sechszylinder mit zwei mittig platzierten Endrohren Luft. Im vorliegenden Fall besonders kraftvoll tönend, denn das Testexemplar ist mit der aktiven Sport-Abgasanlage samt Klappensteuerung ausgerüstet (1750 Euro), die über eine Sound-Taste (240 Euro) die Schallwellen des Kompressortriebwerks modelliert. Dankenswerterweise lässt sich die Funktion auch abschalten, wenn etwa auf langen Strecken eher Komfort als Show im Vordergrund stehen soll.
Der vorn längs montierte Sechszylinder verfügt über eine variable Nockenwellensteuerung und wird mit Hilfe einer strahlgeführten Direkteinspritzung verköstigt. Im Mittel soll der Jag mit 8,8 Litern Super Plus über die Runden kommen. Der praxisnahe Testverbrauch liegt bei 12,2 Litern. Mit einem Tankvolumen von 72 Litern lassen sich damit Reichweiten von bis zu 590 Kilometern realisieren – ein absolut konkurrenzfähiger Wert. Ein Roots-Twin-Vortex-Kompressor sorgt bei alldem für den nötigen Druck.
Und wie: Der Antrieb der schwächsten F-Type-Version macht richtig Freude. Schon aus niedrigen Drehzahlen liefert das langhubig ausgelegte 340-PS-Aggregat souveränen Schub und dreht fast spielerisch hoch. Rückt die fein säuberlich auf den V6 abgestimmte Achtstufen-Automatik den nächsten Gang ein, hält die Freude an – die Übergänge passen und gehen blitzschnell vonstatten. Etwas Übung vorausgesetzt, lassen sich die Schaltpunkte per Gasfuß beeinflussen. Nervöse Befehle quittiert das Triebwerk allerdings ebenfalls spontan – mit sofortigem, nicht immer nötigen Hochdrehen.
Die Wahl der passenden Stufe kann ebenfalls über Schaltpaddel am Lenkrad beeinflusst werden. In der Praxis dürften die meisten F-Type-Piloten aber dem Automatik-Modus vertrauen, der die Sache von selbst regelt. Das eingangs zitierte Versprechen des Fahrdynamik-Chefs erfüllt auch der Basis-F-Type in vollem Umfang. So schnell und exakt ließ sich bislang kein Jaguar durch die Kurven dirigieren.
KEIN PLATZPROBLEM FÜR GROSSGEWACHSENE
Die elektro-hydraulisch unterstützte Zahnstangenlenkung arbeitet präzise, setzt Lenkbefehle akkurat um und vermittelt auf diese Weise ein Gefühl hoher Sicherheit und Kontrollierbarkeit. Die Rückmeldung an den Fahrer ist verlässlich, denn der Jag zeigt unmissverständlich, wo sein Grenzbereich beginnt. Dann verlegt er sich aufs gut kalkulierbare Übersteuern. Geübte gehen Kurven problemlos quer an.
Die dynamische Stabilitätskontrolle DSC (ESP) reguliert entschlossen und lässt sich vom Fahrer deaktivieren. Die Bremse überzeugt mit einem sauber definierten Druckpunkt und ist gut dosierbar. Serienmäßig wird das F-Type Coupé mit Mischbereifung der Dimension 245/45 R 18 vorn und 275/40 R 18 hinten ausgeliefert. Der Testwagen rollte auf größerem Fuß. Montiert waren Pirelli P Zero im Format 245/40 ZR 19 vorn sowie 275/35 ZR 19 an der Hinterachse (ab 1520 Euro).
Auch bei Sportwagen gilt die Lebensweisheit, wonach der Wahn meist kurz, die Reue aber lang sein kann. Im Klartext: Taugt der Schöne von der Insel für den Alltag oder ist zum Hineinschlüpfen Vaseline nötig? Die Antwort: alles im Lot.
Weder Großgewachsene noch Breitgewordene dürften mit dem Raumangebot Probleme haben. Die für Sportwagenverhältnisse breit geschnittenen Sitze sind auch auf längeren Strecken komfortabel und die Sitzposition stimmt, da neben dem Gestühl auch das Lenkrad über einen weiten Verstellbereich verfügt.
Obgleich der F-Type straff abgestimmt ist, fällt er nicht durch ungebührliche Härte auf. Trotz der üppigen Bereifung bleiben die Abrollgeräusche dezent. Und da sich der rund 1,32 Meter niedrige Flachmann im Wind klein macht, sind dessen Geräusche kein Thema – zumal der sonore V6 jederzeit die akustische Hoheit für sich reklamiert.
Mit einem Kofferraumvolumen von bis zu 407 Litern steht unter der schmal geschnittenen Heckklappe genügend Stauraum für den Einkauf oder Kurzurlaub zu zweit zur Verfügung. Stichwort Heckklappe: Das von breiten C-Säulen eingerahmte, sehr schräg stehende Rückfenster gibt nur einen schmalen Sehschlitz frei. Gegen 520 Euro Aufpreis öffnet und schließt das Portal elektrisch.
Der Jaguar F-Type macht auch in der Basisversion einen rundum gelungenen Eindruck. Sein 340 PS starker, vollmundig tönender Dreiliter-V6 bietet satten Schub. Den zusätzlichen Punch der noch stärkeren Varianten vermisst man nicht. Auch beim Fahrwerk und dem Alltagsnutzen gibt sich das aufregend gezeichnete, ab 67.000 Euro erhältliche Coupé keine Blöße. Es ist zwar ein nicht ganz billiges Vergnügen – aber auf jeden Fall ein Vergnügen
Stefan Miete