Fünf GT3-Sportwagen im Tracktest Wettstreit der Konzepte
Eine große Markenvielfalt prägt das Bild des ADAC GT Masters. Wie unterschiedlich die PS-starken Boliden dieser GT3-Rennserie sind, erfuhren wir im Tracktest
Es sind fünf faszinierende Sportwagen, die an diesem Montagmorgen von den Mechanikern durch das Fahrerlager von Oschersleben zum Gruppenbild geschoben werden: Lamborghini Gallardo LP 560 GT3, Audi R8 LMS, BMW Z4 GT3, BMW Alpina B6 GT3 und Porsche 911 GT3 R Hybrid in den USA– schon die Namen ihrer Serienbrüder sorgen bei Fans für leuchtende Augen. Doch dies hier sind die Rennversionen der Supersportler, vorbereitet nach dem GT3-Reglement.
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Sie alle waren am gestrigen Sonntag noch beim Finale des ADAC GT Masters im Einsatz. Und obwohl es auf der Strecke durchaus heftig zur Sache ging, haben unsere Testkandidaten das letzte Rennen der Saison ohne nennenswerte Schäden überstanden. Die Sonne scheint über der Magdeburger Börde, die Strecke ist trocken. Beste Voraussetzungen also für einen erfolgreichen Testtag. Kann da noch etwas schief gehen? Es kann, aber dazu später mehr.
Der GT-Sport erlebte in den vergangenen Jahren eine regelrechte Blüte. Höhepunkt der Entwicklung war 2010 die Einführung der GT1-WM durch die FIA. Neben dieser Top-Serie für die schnellsten und stärksten Sportwagen gibt es noch drei weitere Kategorien – gegliedert von GT2 bis GT4. Besonders populär ist inzwischen die GT3-Klasse, die privaten Rennställen vorbehalten ist. Um ein kostspieliges Wettrüsten der Hersteller einzudämmen, sind Werkseinsätze hier generell verboten. Zudem sollen möglichst viele Teilnehmer wettbewerbsfähig sein, was die Reglementmacher bei der Unterschiedlichkeit der einzelnen Fahrzeugkonzepte vor eine schwierige Aufgabe stellt.
Die Lösung des Problems heißt „Balance of Performance“: Vor Saisonbeginn werden alle homologierten Rennwagen unter gleichen Bedingungen einer Testfahrt unterzogen. Auf Basis der gewonnenen Ergebnisse können die Ausrichter zum Beispiel Änderungen am Fahrzeuggewicht oder am Luftmengenbegrenzer des Motors anordnen. Am Ende sollen möglichst ähnliche Rundenzeiten stehen – und dieses Prinzip funktioniert erstaunlich gut.
Das Gruppenfoto ist gemacht, jetzt stehen alle fünf Autos wieder in ihren Boxen. Mein Arbeitstag beginnt mit der Pflicht: In jedem Rennwagen spule ich für den Fotografen jeweils eine Runde in gemäßigtem Tempo ab. Nur der Lamborghini Murciélago und Countach zeigt sich bei dieser Übung ein wenig bockig, der V10-Motor mag niedrige Drehzahlen nicht sonderlich. Umso gespannter bin ich darauf, wie sich das Meisterauto später im Renntempo fahren lässt. Doch dazu kommt es nicht mehr, denn jetzt geht tatsächlich etwas gründlich schief: Während ich nach den Fotofahrten an den Boxen eine kurze Pause mache, setzt sich ein journalistischer Kollege hinter das Steuer des Lamborghini.
Noch in seiner ersten Runde dreht er sich, der Wagen landet in der Streckenbegrenzung – trotz der elektronischen Helfer ABS und Traktionskontrolle, die bei allen GT3-Rennwagen an Bord sind. Der unglückliche Fahrer bleibt unverletzt, doch der Gallardo ist schwer lädiert und verschwindet im Transporter. Was den Lamborghini von Reiter Engineering auf der Strecke wirklich auszeichnet, muss ich mir nach diesem Zwischenfall also schildern lassen. „Der Gallardo ist ein bisschen mehr Rennauto als die Konkurrenz“, sagt Peter Kox. Gemeinsam mit Albert von Thurn und Taxis ist der Niederländer aktueller Titelträger des ADAC GT Masters. Über die Vorteile seines Einsatzautos sagt der 46-Jährige: „Uns hilft das Mittelmotor-Konzept. Wir sind sehr gut auf der Bremse und haben einen starken Motor.“
Mit einem ausgesprochen kräftigen Triebwerk kann auch der Alpina B6 GT3 aufwarten. Doch damit scheinen die Ähnlichkeiten zwischen diesen beiden Wagen auch nahezu erschöpft: Das grüne Sportcoupé aus dem Allgäu wirkt im Vergleich zur Konkurrenz geradezu wuchtig – und nicht eben für den Einsatz im GT-Sport prädestiniert. Tatsächlich musste die Mannschaft aus Buchloe aufwändige Entwicklungsarbeit leisten, doch das Resultat ist beeindruckend: Der V8-Kompressormotor prägt durch sein enormes Drehmoment den Charakter des B6 GT3 nachdrücklich. Dazu kommt ein stets berechenbares Handling, zu dem auch der lange Radstand beiträgt. Der Fahrspaß mit dem grünen Riesen ist extrem groß.
Mit vorgewärmten Reifen wartet der Porsche 911 GT3 R an der Box von Mühlner Motorsport. Heizdecken sind im ADAC GT Masters zwar verboten, doch bei den Testrunden sind sie heute ein willkommenes Hilfsmittel. Das Gripniveau ist so von Beginn an hoch, was mir sofort ein sicheres Gefühl gibt. Der 911 wirkt erstaunlich unspektakulär bei der Annäherung an den Grenzbereich. Er ist agil, ohne den Piloten vor unliebsame Überraschungen zu stellen. Das Gesamtpaket aus Fahrwerk, Motor, Getriebe und Bremse lässt keine echte Schwäche der Heckmotor-Konstruktion erkennen.
Weniger gereift als der Zuffenhausener Klassiker präsentiert sich dagegen der BMW Z4 GT3: Speziell beim Thema Abtrieb scheint im Vergleich zur Konkurrenz noch Nachbesserungsbedarf zu bestehen. Im ADAC GT Masters war der BMW 2010 nicht siegfähig. Den „Spitzenplatz“ belegt er aber beim Punkt Geräuschentwicklung im Innenraum: Ohne Ohrstöpsel drohen dem Fahrer hier dauerhafte Hörprobleme. Das Fahrverhalten des BMW Z4 sDrive 35iserinnert insgesamt eher an das eines Tourenwagens.
Die Runden im Kundensport: Audi R8 LMS vermitteln mir dagegen einen gänzlich anderen Eindruck: Wie der Lamborghini verfügt auch der Ingolstädter GT3-Sportler über einen Mittelmotor – und Konstrukteure greifen zu genau dieser Triebwerksanordnung, wenn sie einen reinen Rennwagen bauen wollen. Der Audi reagiert sehr direkt auf die Kommandos des Fahrers. Der V10-Motor liefert kräftigen Vortrieb, die Bremse ist hervorragend dosierbar.
Der R8 LMS ist eine sehr überzeugende Interpretation des Themas GT3. Lamborghini, Audi, Porsche und Alpina teilten sich 2010 die Siege im ADAC GT Masters. Das spricht für Ausgeglichenheit – trotz technischer Unterschiede. Vor- und Nachteile hat jedes Konzept, je nach Strecke oder Witterung. Aber genau das sorgt eben für abwechslungsreiche Rennen.
Dieter Serowy
Technische Daten der GT3-BolidenTechnische Daten der GT3-Boliden
TECHNIK |
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Lamborghini Gallardo LP 560 GT3 |
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Motor | V10-Zylinder, 4-Ventiler |
Hubraum | 5200 cm3 |
Leistung bei | 540 PS (396 kW) bei 8000 /min |
Max. Drehmoment bei | 540 Newtonmeter Drehmoment bei 6500 /min |
Getriebe | 6-Gang, sequenziell, pneumatisch per Schaltwippen gesteuert |
Antrieb | Hinterradantrieb |
Fahrwerk | vorn: Doppelquerlenker, Federn, Dämpfer, Stabilisator; hinten: Doppelquerl., Federn, Dämpfer, Stabilisator; Traktionskontrolle |
Bremsen | rundum innenbelüftete Scheiben; ABS |
L/B/H | 4340/1930/1100 mm |
Radstand | 2560 mm |
Leergewicht / Zuladung | 1225 kg |
TECHNIK |
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BMW Alpina B6 GT3 |
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Motor | V8-Zylinder mit Kompressor, 4-Ventiler |
Hubraum | 4398 cm3 |
Leistung bei | 540 PS (396 kW) bei 5500 /min |
Max. Drehmoment bei | 725 Newtonmeter Drehmoment bei 4750 /min |
Getriebe | 6-Gang, sequenziell, pneumatisch per Schaltwippen gesteuert |
Antrieb | Hinterradantrieb |
Fahrwerk | vorn: McPherson-Federbeine, Querlenker, Stabilisator; hinten: Mehrfachlenkerachse, Federn, Dämpfer, Stabilisator; DSC (ESP)/ASR |
Bremsen | rundum innenbelüftete Scheiben; ABS |
L/B/H | 4882/1984/1294 mm |
Radstand | 2780 mm |
Leergewicht / Zuladung | 1300 kg |
TECHNIK |
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Porsche 911 GT3 R |
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Motor | Sechszylinder-Boxer, 4-Ventiler |
Hubraum | 3996 cm3 |
Leistung bei | 480 PS (352 kW) bei 8600 /min |
Max. Drehmoment bei | 445 Newtonmeter Drehmoment bei 7000 /min |
Getriebe | 6-Gang, sequenziell |
Antrieb | Hinterradantrieb |
Fahrwerk | vorn: McPherson-Federbeine, Querlenker, Stabilisator; hinten: Mehrfachlenkerachse, Federn, Dämpfer, Stabilisator; Traktionskontrolle |
Bremsen | rundum innenbelüftete Scheiben; ABS |
L/B/H | 4463/1955/1280 mm |
Radstand | 2368 mm |
Leergewicht / Zuladung | 1240 kg |
TECHNIK |
|
BMW Z4 GT3 |
|
Motor | V8-Zylinder, 4-Ventiler |
Hubraum | 3999 cm3 |
Leistung bei | 480 PS (352 kW) bei 8300 /min |
Max. Drehmoment bei | 460 Newtonmeter Drehmoment bei 5500 /min |
Getriebe | 6-Gang, sequenziell |
Antrieb | Hinterradantrieb |
Fahrwerk | vorn: McPherson-Federbeine, Querlenker, Stabilisator; hinten: Längslenker, Federn, Dämpfer, Stabilisator; Traktionskontrolle |
Bremsen | rundum innenbelüftete Scheiben; ABS |
L/B/H | 4321/1930/1210mm |
Radstand | 2496 mm |
Leergewicht / Zuladung | 1230 kg |
TECHNIK |
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Audi R8 LMS |
|
Motor | V10-Zylinder, 4-Ventiler |
Hubraum | 5204 cm3 |
Leistung bei | 525 PS (386kW) bei 8000 /min |
Max. Drehmoment bei | 530 Newtonmeter Drehmoment bei 6500 /min |
Getriebe | 6-Gang, sequenziell, pneumatisch per Schaltwippen gesteuert |
Antrieb | Hinterradantrieb |
Fahrwerk | Doppelquerlenker, Federn, Dämpfer, Stabilisator; hinten: Doppelquerlenker, Federn, Dämpfer, Stabilisator; Traktionskontrolle |
Bremsen | rundum innenbelüftete Scheiben; ABS |
L/B/H | 4470/1984/1195 mm |
Radstand | 2652 mm |
Leergewicht / Zuladung | 1335 kg |
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