Isabella, Taunus 17M & Rekord P1: Kombi-Klassiker-Vergleich
Wohlstand für alle mit Borgward, Ford und Opel
- Borgward Isabella Combi, Ford Taunus 17M Turnier & Opel Rekord P1 Caravan im Vergleich
- Der Borgward Isabella Combi ist auch in den USA beliebt
- Der Ford Taunus 17M Turnier: ein Ami aus Köln
- Der Opel Rekord P1 Caravan ist der deutsche Chevy Nomad
- Technische Daten von Borgward Isabella Combi, Ford Taunus 17M Turnier und Opel Rekord P1 Caravan
- Fazit
Die Pracht des Wirtschaftswunders erreicht Ende der 1950er auch Autos, die eigentlich zum Arbeiten da sind: Borgward Isabella Combi, Ford Taunus 17M Turnier und Opel Rekord P1 Caravan werden die ersten Lifestyle-Kombis der deutschen Automobilgeschichte. Ein Vergleich!
Natürlich kann man die alten Autotests mit Borgward Isabella Combi, Ford Taunus 17M Turnier und Opel Rekord P1 Caravan lesen, um heute zu verstehen, wie die Kundschaft der 50er-Jahre tickte. Man kann in den pastelligen Prospekten von damals blättern. Es reicht aber auch, ein einziges Zitat aus dem Bestseller "Wohlstand für alle" zu picken: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen Menschen gibt, der nicht immer neue Bedürfnisse hat." Hier schreibt kein Geringerer als Ludwig Erhard, der Vater des Wirtschaftswunders. Und wer damals, 1957, einen Beweis für Erhards These sucht, muss nur vor die Haustür gehen. Sicher, da draußen fahren jede Menge VW Käfer, und es werden täglich mehr. Aber dazwischen drängeln sich immer mehr Mittelklasse-Wagen, die nicht nur zum reinen Transportieren da sind, sondern auch zum Repräsentieren.
Selbst der Lebensmittelhandel von nebenan fährt die Wurstkonserven auf Weißwandreifen durch die Stadt. Der Schlachter-Kombi trägt Flossen wie der Ford Thunderbird. Und der Elektrohandel liefert die Starmix-Küchenmaschinen neuerdings in einer Isabella, wie sie als Coupé auch von der Oberschicht gefahren wird. Gerade die Nutzfahrzeuge zeigen, wie schnell sich der Wohlstand für alle verbreitet. Doch weil die Arbeit am Wirtschaftswunder keine Atempause kennt, altern die ersten Genießer-Kombis schneller als der greise Kanzler Adenauer. Die Bedürfnisse, schon klar, Herr Erhard. Aufheben lohnt sich nicht, lieber was Neues, auch der Minister propagiert damals den "Mut zum Verbrauchen".
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Borgward Isabella Combi, Ford Taunus 17M Turnier & Opel Rekord P1 Caravan im Vergleich
Wer heute das Wirtschaftswunder-Aroma hinter weißen Lenkrädern von Ford Taunus 17M, Borgward Isabella und Opel Rekord P1 inhalieren will, hängt zuvor tagelang am Telefon. Speziell den Ford Taunus 17M P2 hats böse erwischt, die Anzahl der fahrbereiten Autos in Deutschland lässt sich an einer Hand abzählen. Einer davon gehört dem PS-Speicher in Einbeck, aber überlebt hat er nicht in seiner Heimat, wo er schnell außer Mode kam, sondern in einem Kaff in Nordschweden. Den feuerroten Borgward Isabella Combi spürten die Kurator:innen in Spanien auf, wohin ihn in den Sechzigern ein deutscher Auswanderer entführte.
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Nur ein kleines bisschen verbreiteter ist der Opel Rekord P1 Caravan, den sie in Rüsselsheim tatsächlich schon 1957 mit großem A in der Mitte schreiben. "Ich fand ihn frühmorgens im Internet, das war mein Glück", sagt sein Besitzer, der Opel-Sammler Werner Rosendahl aus Castrop-Rauxel. Mittags hätte die Anbieterin ihren vollrestaurierten Kombi unter den Interessent:innen verlosen können.
Der Borgward Isabella Combi ist auch in den USA beliebt
Billig sind sie heute alle nicht, aber das ist schon in den Fünfzigern so, als Borgward in Bremen den Lifestyle-Kombi erfindet. Er nimmt 7765 Mark für den Isabella Combi, den er schon 1955 mit neudeutschem C am Anfang schreibt. Borgward scheut das harte K, weil er die Nutzwert-Version seiner Isabella auch für den US-Markt baut, wohin er Mitte der Fünfziger mehr Autos verkauft als Mercedes. Speziell in Kalifornien kommt die Isabella gut an, der Combi gilt als vitaler Familienwagen für Leute, denen die einheimischen Fünfmeter-Schiffe zu fett geworden sind. Viel können sie damals beim Umsteigen nicht vermissen, das zeigt sich, nachdem die schwere Tür der Borgward Isabella Combi mit trockenem Klock ins Schloss gefallen ist: Borgwards Beste ist viel breiter und geräumiger als damals in der Mittelklasse üblich.
Mit etwas gutem Willen fühlen sich auf ihren beiden Sitzbänken auch sechs Personen wohl, solange es keine Wirtschaftswunderfiguren im Ludwig-Erhard-Format sind. Isabella-Fahrenden hilft es allerdings, wenn sie nicht zu zierlich geraten ist, weil sie sonst nicht über das Lenkrad und die hohe Haube sehen können. Es ist keine Legende, dass Carl F. W. Borgward, der 1,66 m kleine Sitzriese, seine Autos nach eigenen Maßen baute. Anscheinend schätzte er auch weit und steil in den Raum ragende Lenkräder, die sich nur mit angewinkelten Armen richtig greifen lassen.
Es sind die einzigen Merkwürdigkeiten, mit der uns die Borgward Isabella Combi heute erstaunt, denn wie eine alte Schachtel fährt sie sich auch nach fast 70 Jahren nicht. Mit ihren 1,5 l Hubraum hält sie sich die 1.7er von Opel und Ford vom Leib und überzeugt mit dem stämmigen Charakter des Langhubers, dessen melodiöses Knurren außerdem nach Sportmotor klingt. Die Lenkradschaltung mit ihrem bleistiftdünnen Hebel funktioniert zwar mit langen Wegen, aber immerhin sind es vier Gänge, mit denen sich die Kraft portionieren lässt, während Opel und Ford es mit drei Fahrstufen gut sein lassen.
Und auch komfortabel ist der Combi aus Norddeutschland, was nicht nur an der konsensfähigen Abstimmung des Fahrwerks liegt, sondern auch an der Sofapolsterung der breiten Sitzbank. Es ist ein behagliches Fahren, was auch am elastischen Wesen des kleinen Vierzylinders liegt, schon ab Tempo 40 kann der vierte Gang drinbleiben. Wer den kleinen Taktstock häufiger zur Hand nimmt, ist in der Stadt nicht langsam und auf Landstraßen nicht verloren. Selbst auf der Autobahn schwimmt die Isabella mit 120 km/h noch gut mit, sie kann sogar noch ein bisschen schneller. Dann lässt sie das Timbre ihrer Stimme ins Vulgäre kippen und die Wettbewerber von damals im Spiegel immer kleiner werden.
Der Ford Taunus 17M Turnier: ein Ami aus Köln
Speziell dem Ford Taunus 17M Turnier geht früh die Puste aus, es ist der Preis für sein Design im amerikanischen Zuckerbäcker-Stil der Fünfziger, das ihn wie eine Grundig-Musiktruhe im Wind stehen lässt. Die Isabella ist im Vergleich dazu ein Wunder der Aerodynamik, aber auf bessere Verkaufszahlen bringt es von 1957 bis 1960 der 17M, die Babyversion der amerikanischen Fairlanes und Country Sedans, dessen Style selbst Paderborn zum Vorort von Pasadena macht. Erstaunlicherweise arbeitet das Designteam des 17M nicht am River Rouge, sondern am Rhein in Köln-Niehl, wo es die tiefen Scheinwerferhöhlen und Zickzack-Seitenleisten der 1956er-US-Modelle ebenso kopiert wie die gotischen Heckleuchten der ersten Thunderbird.
Was dem Barock-Taunus dagegen fehlt, ist die mitunter laxe Detailqualität der US-Modelle. Ganz im Gegenteil, er scheint nicht weniger sorgfältig verarbeitet zu sein als die für ihre Haltbarkeit berühmte Isabella. Wo der Borgward im Laderaum sein lackiertes Blech zeigt, erstaunt der Ford mit dickem, schwarz-weiß gemustertem Linoleum und breiten Rahmenleisten aus Alu. Wer die Seitenscheiben ganz herunterkurbelt, den entzückt eine federbelastete Metallleiste, die sich zum Schutz über den Türschacht legt. Und wo die Hecktür der Isabella wie beim Bosch-Kühlschrank zur Seite schwenkt, öffnet sich hier eine zweiteilige Klappe mit eleganter Verriegelungsmimik samt Unterteil, auf dem zwei Ludwig Erhards gefahrlos sitzen können.
Der Ford Taunus 17M Turnier ist Fords erster Vorstoß in die gehobene Klasse, er markiert ab 1957 das spätere Revier der Badewanne, des 20M und schließlich des Granada, aber er kommt vier Jahre nach dem ersten Opel Rekord von 1953 und drei Jahre nach der Isabella auf den Markt. Vielleicht wirkt er deshalb so ambitioniert bis hin zu den gewölbten Seitenscheiben, den aufwendigen Rückleuchten und der Innenausstattung, die beim Fotoauto haargenau die Farbnuance der lachsfarbenen Lackierung trifft. Erstaunlicherweise trennt ihn beim Fahren nicht viel von der Isabella, die nur 35 Mark mehr kostet als ein 17M de luxe Turnier.
Der Borgward ist schneller, dafür lässt sich der Ford präziser schalten. Auch der Taunus ist kein Vertreter des seidenweichen Motorlaufs, wohlwollende Tests schreiben von "zufriedenem Brummen". Und erstaunlicherweise rollt der Ford trotz seiner US-Gene nicht softer ab als der sportlichere Borgward. Erst sein Nachfolger, die Badewanne, wird auch beim Fahren so lässig wirken, wie es der Barock-Ford schon optisch verspricht.
Der Opel Rekord P1 Caravan ist der deutsche Chevy Nomad
Bei Opel sind sie 1957 bereits dort, wo Ford hinwill: Schon der hochbeinige Vorgänger stand seit 1953 auf dem zweiten Platz der deutschen Verkaufsstatistik, die Panoramascheiben-Baureihe P1 bricht alle Rekorde. Natürlich liegt es auch am amerikanischen Design, das den Opel Rekord P1 Caravan schneller aussehen lässt als die Limousinen. Von vorn sehen sie alle aus wie 1957er-Buicks, von der Seite ähnelt der Kombi mit seinen schräg gestellten Dachsäulen dem legendären Chevy Nomad.
Und so ähnlich fühlt sich der Caravan auch an. Man sitzt etwas tiefer als im Borgward und im Ford, die drei Gänge lassen sich aus dem Handgelenk wechseln, obwohl der massive Schalthebel schon optisch mehr Nachdruck zu fordern scheint. Der Motor läuft im Opel-typischen Blubberton jener Jahre, doch er bleibt auch bei höheren Drehzahlen leise und lässt sich noch niedertouriger fahren als die Isabella. Innen ist der P1 enger als der Borgward, von außen macht er weniger her als der Ford, aber nach dem ersten Einsteigen fühlt er sich an, als sei man damit schon seit Wochen gefahren.
In den Fünfzigern gilt ein Opel Rekord P1 Caravan als Auto für Leute, die nicht über Autos nachdenken wollen. Schnelle Kurven, in denen die Isabella mit ihrer Pendelachse und den härteren Combi-Federn zum Übersteuern neigt, entschärft der weich abgestimmte Rekord mit sturem Untersteuern und betonter Seitenneigung, ohne wirklich langsamer zu sein. Ein Blick aufs Datenblatt zeigt, was da los ist: Der Rekord ist zwar der Schmalste unter den Wohlstands-Kombis, aber auch der Längste und Leichteste. Die raffinierten Details des Ford und das Feste-Burg-Gefühl des Borgward fehlen ihm, dafür kostet er 1957 fast 1000 Mark weniger. Das reicht für ein paar wirtschaftswunderliche Bedürfnisse, es darf auch mehr als ein Starmix sein.
Der Braun-"Schneewittchensarg"-Phonosuper vom Typ SK 4 kostet 295 Mark, eine Grundig-Musiktruhe aus hochglanzpoliertem Edelholz etwa das Doppelte. Selbst wer die ersten "Stahlnetz"-Folgen auf dem eigenen Fernsehschirm sehen will, hat noch ein paar Scheine übrig, wenn er den Opel nimmt. "Der Markt ist der einzige demokratische Richter." Noch ein Ludwig-Erhard-Zitat, eines für die Ewigkeit. Es gilt 1957, als der meistverkaufte deutsche Kombi aus Rüsselsheim kommt. Es bewahrheitet sich 1961, als die Marke Borgward verglüht, obwohl sie gar nicht pleite ist. Und es erklärt noch heute, warum jeder der drei Wirtschaftswunder-Kombis gesuchter ist als die dazugehörigen Limousinen.
Technische Daten von Borgward Isabella Combi, Ford Taunus 17M Turnier und Opel Rekord P1 Caravan
Classic Cars 10/2020 | Borgward Isabella Combi | Ford Taunus 17M P2 Turnier | Opel Rekord P1 CarAvan |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 4/2 | 4/2 | 4/2 |
Hubraum | 1493 cm³ | 1698 cm³ | 1680 cm³ |
Leistung | 44 kW/60 PS 4700/min | 44 kW/60 PS 4250/min | 40 kW/55 PS 4000/min |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 108 Nm 2400/min | 130 Nm 2200/min | 120 Nm 2100/min |
Getriebe/Antrieb | 4-Gang-Getriebe/Hinterrad | 3-Gang-Getriebe/Hinterrad | 3-Gang-Getriebe/Hinterrad |
L/B/H | 4390/1705/1500 | 4375/1670/1510 | 4433/1616/1580 |
Leergewicht | 1120 kg | 1090 kg | 1000 kg |
Bauzeit | 1955-1962 | 1957-1960 | 1957-1960 |
Stückzahl | 37.346 | 45.468 | 54.956 |
Beschleunigung null auf 100 km/h | ca. 25 s | ca. 25 s | ca. 22 s |
Höchstgeschwindigkeit | 135 km/h | 120 km/h | 130 km/h |
Verbrauch auf 100 km | ca. 9,0 l/100 km | ca. 11,0 l/100 km | ca. 10,0 l/100 km |
Grundpreis (Jahr) | 7765 Mark (1958) | 7730 Mark (1958) | 6845 Mark (1958) |
Schöne Kombis heißen in den 50ern noch nicht Avant, sondern Caravan, Turnier oder einfach Combi. Borgward ist mal wieder zuerst da und baut mit dem Isabella Combi ab 1955 einen Lieferwagen mit sportlicher Note. Er füllt damit eine Marktnische, die BMW erst später mit dem 3er Touring neu entdeckt. Die Isabella ist elegant, ohne modisch zu sein, während Ford und Opel die Coolness amerikanischer Station Wagons nach Germany importieren. Ansonsten ist es heute nicht anders als vor gut 60 Jahren: Wer schneller liefern möchte, nimmt den Borgward Isabella Combi. Wer den Bling-Faktor will, sucht den Ford Taunus 17M Turnier. Der Opel Rekord P1 Caravan ist mal wieder der Lässige für alle, die es unkompliziert und komfortabel mögen.