Alfa Montreal/Ford Mustang: V8-Ikonen im Vergleich
Der Hengst und die Diva
Einen V8 haben beide unter der Haube, aber im Charakter sind Ford Mustang und Alfa Romeo Montreal völlig verschieden: Begegnung und Vergleich zweier starker Classic Cars aus den USA und Italien.
Eine stilistisch wenig geglückte Karosserie mit knappem Kofferraumangebot. Schlechte Übersichtlichkeit. Unbequeme Sitze, mäßige Verarbeitung. Unbefriedigende Fahreigenschaften. Und so weiter und so weiter. In Vergleichen mit anderen Sportwagen seiner Zeit ließen viele Testmagazine einst kein gutes Haar am Alfa Romeo Montreal. Ein hartes Schicksal für ein so exklusives Auto, das preislich nur 1000 Mark unter dem gefeierten Porsche 911 S lag. Nicht einmal 4000 Exemplare, nämlich genau 3925 Stück, liefen zwischen 1970 und 1977 vom Band.
Nicht viel besser kam der Ford Mustang weg, zumindest in deutschen Fachzeitschriften. Nach ersten Testfahrten hagelte es Kritik an der total überforderten Trommelbremsanlage, der zu weichen und schlecht gedämpften Federung sowie der Verarbeitungsqualität insgesamt. Tenor: eine bedenkenlos zusammengebaute Großserien-Schachtel, aber immerhin mit einem wunderschön elastischen und starken Motor.
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Alfa Romeo Montreal & Ford Mustang im Classic Cars-Vergleich
Doch das war nur der eine Blickwinkel. Denn von der weniger kritischen Öffentlichkeit wurden beide Autos vom Start weg als Stars gefeiert – weil sie auf unkonventionelle und leidenschaftliche Art das Thema "Sportcoupé mit V8" neu interpretierten. Im Falle des Alfa begann die Euphorie schon drei Jahre vor dem Serienstart, mit einem Prototyp. Er wurde im Jahre 1967 auf der Weltausstellung im kanadischen Montreal vorgestellt. Sein detailverliebtes, ultramodernes Design spiegelte perfekt den Zeitgeist wider.
Herunterklappende Scheinwerfer-Jalousien, ein schwarzer Lufteinlass in der Motorhaube und sechs auffällige Lüftungsschlitze in der breiten B-Säule zogen die Blicke der Besuchenden magisch an. Dass die Jalousien nur der Show dienten, der Lufteinlass eine Attrappe war und hinter den Lüftungsschlitzen kein Mittelmotor saß, störte niemanden. Es war eine Zeit geprägt vom Optimismus, die Natur beherrschen zu können. Man feierte technische Eskapaden wie Vorboten einer neuen Religion: Leichtbau-Konstruktionen, architektonische Experimente wie den Kugelbau Biosphère des Architekten Richard Fuller, Weltraumfahrt-Visionen und neuartige Verkehrskonzepte. Die Innovationskraft des Menschen schien grenzenlos.
Der Mustang, das "unerwartete" Auto
Auch der drei Jahre vor dem Montreal-Prototyp präsentierte Ford Mustang war schon heiß begehrt, bevor er zu kaufen war. Dafür hatte der Hersteller unter anderem mit einem cleveren Fernseh-Werbespot gesorgt (Titel: "The Unexpected", das Unerwartete). Darin zoomte die Kamera an ein unbekanntes weißes Auto heran, unterbrochen von aufblitzenden Bildern eines galoppierenden Wildpferdes. Am Ende der Sequenz parkte der Wagen wie eine außerirdische Landefähre in der Mitte eines Sees auf einer künstlichen Insel.
Untermalt von zackiger Big-Band-Musik kündigte ein Sprecher aus dem Off die bevorstehende Einführung eines "brilliant new kind of car" an, eines brillanten Autos von völlig neuer Art. Ein Auto, das kurz darauf auch im James-Bond-Kinohit "Goldfinger" einen Gastauftritt hatte – als hübsches Convertible mit Tilly Masterson am Lenkrad. Tatsächlich markierte die aufwändige Kampagne für den Mustang den Beginn einer grandiosen Erfolgsgeschichte. Er traf nicht nur eine Nische, er begründete gleich ein neues Segment, jenes der Pony Cars. Bereits nach dem ersten Produktionsjahr waren 680.989 Mustang verkauft, nach 18 Monaten sogar mehr als eine Million.
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Mustang und Montreal nicht so dynamisch wie erwartet
So sorgten sowohl Mustang als auch Montreal jeder auf seine Art für Aufsehen. Unter dem hübschen Blech verwendeten beide Hersteller freilich wohlbekannte Technik. Ford verbaute den zuvor im Falcon präsentierten Windsor-Smallblock, Alfa eine gezähmte Variante des Achtzylinders aus dem Rennwagen Tipo 33. Beim Fahrwerk verließ sich Ford auf eine simple, an Blattfedern aufgehängte Starrachse, während Alfa dem Montreal das Fahrgestell aus der kleinen und 250 kg leichteren Giulia Sprint GT mitgab, ebenfalls mit Starrachse.
Wer die Autos heute fährt, merkt deshalb schnell, dass Schein und Sein nicht recht zusammenpassen. Der Mustang, in unserem Fall ein frühes Modell mit dem nur wenige Monate verbauten 260-cui-V8, bewegt sich in schnellen Kurven wie ein Mississippi-Schaufelraddampfer auf hoher See. Von der bulligen Kraft des Motors kommt mangels Fahrbahnkontakt der Hinterräder nur wenig auf der Straße an. Der Montreal wiederum nimmt schnelle Kurven mit starker Seitenneigung und taucht beim Beschleunigen wie beim Bremsen tief ein.
Passendes Zubehör für den Klassiker:
Im Montreal ist man Tankstellen-Dauergast
Vom Wesen her eignen sich beide Autos folglich eher zum Cruisen als zum Rasen. Was nicht heißt, dass sie auf gerader Strecke nicht durchaus Spaß machen. Die Beschleunigung im Ford Mustang ist eine Wucht und wird von einem herrlichen Sound untermalt. Auch im Alfa Romeo Montreal presst es einen bei Vollgas gehörig in die hübschen Velourspolster, während der V8 unter der langen Haube sein ganzes Klangspektrum vom tiefen Grollen bis zum hellen Trompeten entfaltet. Und mit 225 km/h Höchstgeschwindigkeit ist er auch heute noch gut dabei.
Einziger Wermutstropfen ist dabei der heftige Benzinverbrauch von rund 20 l und mehr, was bei einem Tankinhalt von 63 l häufige Stopps bedingt. Aber wenn man dann vom Kassen-Tresen wieder zurück zu seinem Alfa kommt, ist da wieder dieser Moment – der Moment, in dem die Augen dieses wunderschöne Gesicht mit dem Schlafzimmerblick aufsaugen. Der quietschgelbe Lack steht dem Montreal perfekt, die Armaturen betören die Sinne. Und der Ford Mustang? Er empfängt mit dem hemdsärmeligen Charme eines gestandenen Cowboys. Motor an, Fuß aufs Gas und mit qualmenden Reifen in den Sonnenuntergang. Das hat natürlich auch was.
Technische Daten von Ford Mustang und Alfa Romeo Montreal
Classic Cars | Alfa Romeo Montreal | Ford Mustang |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 8/2 | 8/2 |
Hubraum | 2593 cm³ | 4265 cm³ |
Leistung | 147 kW/200 PS 6500/min | 120 kW/163 PS 4400/min |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 235 Nm 4750/min | 350 Nm 2200/min |
Getriebe/Antrieb | 5-Gang-Getriebe/Hinterrad | 3-Stufen-Automatik/Hinterrad |
L/B/H | 4220/1670/1205 mm | 4613/1732/1298 mm |
Leergewicht | 1270 kg | 1335 kg |
Bauzeit | 1970-1977 | 1964 |
Stückzahl | 3925 | 121.538 |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 7,6 s | 9,2 s (Angabe für 4,8-l-V8 190 PS) |
Höchstgeschwindigkeit | 225 km/h | 194 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 17 l S | 16,4 l S |
Grundpreis (Jahr) | 35.000 Mark (1975) | 17.910 Mark (1964) |
Wer heute eines dieser beiden Autos besitzt, darf sich glücklich schätzen: Sowohl Mustang als auch Montreal sind etwas ganz Besonderes. Der Ami, weil er zu den seltenen ersten Exemplaren des Jahres 1964 gehört, zu erkennen am Bandtacho in Verbindung mit dem kleinen 4,3-l-V8; der Italiener, weil Alfa davon nicht mal 4000 Stück baute, dafür aber eine ungewöhnlich gute Rostvorsorge betrieb. Über die technischen Unzulänglichkeiten an Fahrwerk und Bremsanlage sowie den hohen Benzinverbrauch sieht man als Fan großzügig hinweg. Vom Design her begeistert der Mustang nach wie vor mit seiner Formel "lange Haube, kurzes Heck". Aber im direkten Vergleich hat der Montreal klar die Nase vorn. Er ist das modernere, emotionalere Auto. Und nebenbei auch die bessere Wertanlage.