Ford Capri Turbo vs Porsche 924 Turbo: Geladene Typen im Duell
Der Kölsche Lümmel und der Zuffenhausener Streber
- Ford Capri 2.8 Turbo versus Porsche 924: Status Quo trifft auf The Police
- 0,7 bar Überdruck reichen für 911-Niveau im 924
- Viele Capri mit dem Turbo-Doppelstock-Heckflügel gepimpt
- Der Garrett-Lader stammt aus Fords Teileregal
- Die Zeit heilt – im Fall des 924 Turbo – nicht alle Wunden
- Technische Daten von Ford Capri 2.8 Turbo und Porsche 924 Turbo
- Fazit
In der Sportwagen-Klasse kam das Turbo-Abi schon um 1980 groß in Mode. Der Porsche 924 Turbo saß dabei in der ersten Reihe, der Ford Capri Werks-Turbo gehörte dagegen zu den Lümmeln von der letzten Bank.
Die Zeit ist gnädig. Sie vergibt, vergisst und verzeiht einem kernigen Typen die Fehltritte seiner Jugend. Jahrzehnte später, seine Schläfen sind längst grau und der Schnäuzer ist akkurat gestutzt, sitzt er mit Freund:innen beim Bier, erzählt Geschichten aus der wilden Vergangenheit, und alle klopfen sich vor Lachen auf die Schenkel. Was für ein toller Kumpel er doch ist, eine echte Stimmungskanone! Genauso ein Typ ist der Ford Capri Turbo. Erkennen Sie ihn wieder? Fans zahlen heute gutes Geld, um ein ansehnliches, aber keineswegs perfektes Exemplar ihr Eigen nennen zu können, und der Marktwert klettert munter weiter, wie Classic Data vermeldet.
Früher hatten wir Bammel vor ihm. Da ging er keinem Scharmützel aus dem Weg und scheuchte jeden Fuchsschwanz durch sein Revier, bis der Rivale Reißaus nahm. Der Ford Capri III 2.8 Turbo soff Sprit wie ein Loch und trat so breitspurig auf, dass er in Kurven beide Fahrspuren brauchte. Mit einer Art Schneeschieber als Frontspoiler und den dicht unter der Fronthaube sitzenden Scheinwerfern hatte der Capri Turbo einen so bösen Blick drauf, dass jeder Porsche 924 seine Schlafaugen brav geschlossen hielt.
Heute wird uns beim Anblick des wilden Kölners warm ums Herz. Da möchten wir ihn spontan umarmen und mit in die nächste Kneipe nehmen. Die Polstergarnitur in seinem Wohnzimmer, pardon Innenraum sieht immer noch so aus, als würde dort dreimal die Woche eine Party gefeiert, aber mal ehrlich: Wenn jetzt ein Status Quo-Song im Radio liefe, würden wir lauter drehen und mit den Füßen wippen: "Rockin‘ all over the World".
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Der Porsche GT4 e-Performance (2023) im Fahrbericht (Video):
Ford Capri 2.8 Turbo versus Porsche 924: Status Quo trifft auf The Police
Was Status Quo für den Ford Capri 2.8 Turbo ist, sind The Police für den Porsche 924 Turbo: Federleichte Freistil-Rhythmen, stilsicher, zielsicher, eingängig: "Message in a Bottle". Der 924 benimmt sich in Fahrt so unauffällig, dass man ihn glatt für ein aktuelles Auto halten könnte. Nur wer sehr genau seine Spezifikationen studiert, entdeckt unter der schlichten, aerodynamisch ausgefeilten Hülle raffinierte Turbo-Details: die modifizierte Vorderachsgeometrie mit geändertem Motorträger, die mit fünf statt vier Radschrauben befestigten Aluräder die verstärkte Zentralwelle mit Schwingungstilger, das eigens für diese Modellreihe entwickelte Fünfgang-Getriebe.
Entscheidend ist nicht, wie beeindruckend das alles aussieht, sondern, wie viel Leistung an den Hinterrädern ankommt. Und da liefert der Porsche 924 Turbo mehr als erwartet. Der Ford Capri 2.8 Turbo verlangt nach starken Oberarmen, der Porsche hingegen nach Knowhow und Fingerspitzengefühl. Das Fünfgang-Getriebe sitzt beim Porsche nach Transaxle-Art an der Hinterachse, der erste Gang links hinten neben dem Oberschenkel, und der Schaltweg von dort aus ins schmale Karree der Gänge zwei bis fünf braucht etwas Übung, um nicht versehentlich direkt die vierte Welle einzulegen.
Während der Ford Capri 2.8 Turbo seinen überdimensionalen Turbolader auf der rechten Motorseite stolz zur Schau trägt, versteckt der Porsche 924 Turbo seine maßgeschneiderte Turbine dezent unter dem Auspuffkrümmer. Der KKK-Lader arbeitet mit maximal 0,75 bar Ladedruck, sein Schaufelrad dreht dann bis zu 80.000 Mal in der Minute. Die Kraftentfaltung verläuft nicht ganz linear, unter 3000 Touren tut sich wenig, aber wer dann stur auf dem Gaspedal bleibt, erlebt vehementen Vorwärtsdrang. Im oberen Geschwindigkeitsbereich zeigt der harmlose, schlanke Porsche 924 Turbo dem bedrohlich breiten Ford Capri 2.8 Turbo glatt die Rücklichter und zieht davon.
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0,7 bar Überdruck reichen für 911-Niveau im 924
Das Cockpit des Porsche 924 Turbo ist von solch nüchterner Sachlichkeit geprägt wie bei den besten Porsche-Klassikern. Nur Prinzipienreiter:innen bemerken, dass das Zündschloss beim ihm rechts sitzt und der Drehzahlmesser nicht in der Mitte, sondern ebenfalls rechts. Dafür wurde die Skala so gedreht, dass die Nadel des Tourenzählers mit steigender Drehzahl automatisch ins Blickfeld wandert. Der 924 strahlt immer noch die Arroganz des jungen Genies aus, das weder Habitus noch Outfit, ja nicht einmal Breitreifen braucht, um andere zu beeindrucken.
Nur die wie ein bewusst eingesetzter Kontrapunkt am rechten Rand der Motorhaube platzierte NACA-Lufteinlassdüse unterbricht die spiegelglatte Linie. Wer den fetten Flügel des Porsche 930 Turbo zum Maßstab nimmt, wird die Gummilippe an der Heckscheiben-Unterkante beim 924 glatt übersehen. Sein Credo: Kraftzuwachs ist kein Selbstzweck. Auch wer Widerstände reduziert, steigert das Tempo. Sein weltberühmter großer Bruder, der 911 SC, läuft dem 924 Turbo nicht davon. 0,7 bar Überdruck im Ansaugtrakt reichen aus, um den ob seines Migrationshintergrunds belächelten Vierzylinder auf das gleiche Niveau zu pushen wie den berühmten luftgekühlten Boxer.
Viele Capri mit dem Turbo-Doppelstock-Heckflügel gepimpt
Gut möglich, dass der Porsche 924 Turbo den Ford Capri Turbo früher garnicht zu seinen Gegnern zählte, woraufhin dem natürlich der Hemdkragen platzte. Dieser Kragen war ein unübersehbarer doppelstöckiger Heckflügel aus mattschwarzem Hartgummi. Heute tragen ihn viele Capri spazieren und machen damit auf Turbo, aber ausgerechnet unser Fotomodell ist mit der einfachen Spoilerlippe der 2,8-l-Saugmotor-Version beinahe inkognito unterwegs.
Die Erklärung dafür liegt in der Vita des Wagens: Aus ausdrücklichen Wunsch des Neukäufers wurde er wie zwei weitere der insgesamt 200 Werks-Turbo-Exemplare in Anthrazit lackiert, nur um noch im ersten Lebensjahr in Kernschrott verwandelt zu werden. Im Ford-Werk erhielt er daraufhin eine neue, schmale Karosse und machte als Fotomodell für die Gestaltung der offiziellen Ford RS-Zubehörprospekte Karriere. Erst sehr viel später entschied sich der damalige Besitzer, dem Capri seine Macho-Optik und den Turbomotor zurückzugeben.
Der Garrett-Lader stammt aus Fords Teileregal
Wie die meisten seiner Artgenossen läuft er nun auf mehrteiligen, goldenen BBS-Felgen, weil die Original-Stahlräder praktisch nicht mehr zu bekommen sind. Modellspezifische Ersatzteile sind längst vergriffen, die Capri-Szene kennt sich und hilft sich gegenseitig aus – wenn der Preis stimmt. Selbst das extreme Reifenformat stellt Turbo-Besitzende vor Beschaffungsprobleme – welches andere Auto braucht heute schon hochgeschwindigkeitstaugliche 13-Zoll-Walzen? Die Pausbacken darüber bestehen aus GfK und wurden bei Zakspeed von Hand an die Capri-Rohkarosserie genietet. Danach holte Ford die Autos zur Komplettierung zurück ins Werk. Konstruktion und Endmontage des Ford Capri Turbo folgten 1981/82 weniger raffinierten Prozessschritten als beim Porsche 924 Turbo.
Da wurde nicht eigens ein neuer Turbolader konstruiert, sondern einfach ins Regal gegriffen. Dort lag ein Garrett-Lader herum, der für den geplanten Einsatz im Ford Capri Turbo eigentlich viel zu groß war. Doch solange man den Ladedruck auf 0,4 bar begrenzte, lief der Lader quasi auf Sparflamme und setzte den Motor erst ab 3500 Umdrehungen spürbar unter Leistungsdruck. Durch diese Beschränkung konnte Ford zwei Sparmaßnahmen umsetzen: Erstens wurde das Standard-Viergang-Getriebe weiter verwendet, und zweitens verzichtete man auf den Einsatz eines Drehzahlbegrenzers.
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Die Zeit heilt – im Fall des 924 Turbo – nicht alle Wunden
Porsche hatte 1975 aus der Not eine Tugend gemacht und den damals neuen Typ 924 vom Start weg als Lohnauftrag im Audi-Werk Neckarsulm bauen lassen. Weil der Zweiliter-Vierzylinder in seinen Grundfesten ohnehin ein Audi-Aggregat war, lag diese Entscheidung nahe, ging allerdings mit einem Negativeffekt fürs Image einher: Dem 924 haftete zeitlebens der Ruf an, kein echter Porsche zu sein. Mit der Turbo-Version unternahm Porsche den ersten ernsthaften Versuch, dieses Image zu korrigieren.
Insgesamt 12.427 Kund:innen folgten der Argumentation. Jede:r zweite von ihnen wohnte in USA, Kanada oder Japan und erhielt eine auf 150 PS (110 kW), später 156 PS (115 kW) gedrosselte Motorversion. Die letzten 339 Exemplare wurden noch 1983/84 für Kund:innen in Italien gefertigt. Aus Italien stammt auch unser Fotomodell, das 1980 erstmals zugelassen wurde und bis in die Nadelstreifen der Sitzbezüge in einem ansehnlichen Originalzustand erhalten blieb. Einzig die Zifferblätter der Instrumente strahlen nicht mehr im ursprünglichen Grün, sondern im besser ablesbaren Weiß, wie es vom Modelljahr 1981 an zum Standard wurde.
Die Zeit ist ungnädig, sie vergisst nicht und verzeiht nicht. Die von Classic Data ermittelten Marktwerte des Porsche 924 Turbo belegen, dass der Transaxle-Vierzylinder noch immer unter dem Vorurteil leidet, ein halber Audi zu sein. Dies führte dazu, dass die große Mehrheit der 12.427 gebauten Porsche 924 Turbo ohne Rücksicht auf Verluste verheizt wurde und heute nach Schätzungen nicht einmal mehr 100 fahrbereite Exemplare in Deutschland existieren. Normalerweise müsste der Marktwert eines derart dezimierten Porsche-Oldtimers längst durch die Decke schießen. Doch der 924 macht auch hier eine Ausnahme und verharrt mit für Porsche-Verhältnisse sehr moderatem Wertzuwachs im Bereich der günstigen Alltagsklassiker. Für alle, die jetzt auf der Suche nach einem schnellen Coupé aus gutem Hause sind, sollte das Grund genug sein, den 924 Turbo in ihre engeren Überlegungen einzubeziehen.
Technische Daten von Ford Capri 2.8 Turbo und Porsche 924 Turbo
Classic Cars 11/2017 | Ford Capri 2.8 Turbo | Porsche 924 Turbo |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 6/2; Turbo | 4/4; Turbo |
Hubraum | 2792 cm³ | 1984 cm³ |
Leistung | 138 kW/188 PS | 125 kW/170 PS |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 265 Nm 4500/min | 245 Nm 3500/min |
Getriebe/Antrieb | 4-Gang-Getriebe/Hinterrad | 5-Gang-Getriebe/Hinterrad |
L/B/H | 4439/1780/1323 mm | 4212/1685/1270 mm |
Leergewicht | 1225 kg | 1180 kg |
Bauzeit | 1981-1982 | 1979-1984 |
Stückzahl | ca. 200 | 12.427 |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 7,9 s | 7,8 s |
Höchstgeschwindigkeit | 210 km/h | 225 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 13,8 l S | 11,4 l S |
Grundpreis (Jahr) | 38.000 Mark (1982) | 41.480 Mark (1980) |
Capri gegen 924 oder Rocker gegen Popper – der Prinzipienstreit der 80er endet auch drei Jahrzehnte später mit einem Unentschieden. Der extrovertierte, geradlinige und bewusst raubauzige Ford bietet hohen Unterhaltungswert. Der Porsche ist der modernere Sportwagen mit dem größeren Potenzial und besseren Allround-Eigenschaften, wirkt aber im direkten Vergleich kühler als der humorvolle Ford.