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Alle Tests zum Fiat Topolino

Fiat Topolino: Mit acht PS durch die Alpen

Himmelfahrtskommando

Johannes Riegsinger Autor
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Inhalt
  1. Aufwärts – mit acht PS auf 2094 m
  2. So oft wird der Fiat gar nicht überholt
  3. Abwärts – von Gelato nach Pizza

45 km/h Höchstgeschwindigkeit, 75 km Reichweite– wenn das nicht ideale Voraussetzungen für eine Alpenüberquerung im acht PS starken Fiat Topolino sind!

Spätnachmittag, Mitte Mai am Jaufenpass. Hier oben tummeln sich gerade die ersten Kurvenfresser der Sommersaison 2024: BMW GS-Pulks, Rennrad-Stahlwaden, Sportwagen-Rudel. Die König:innen des Alpensurfens feiern sich, sind unter sich: Windgesichter, Eisenärsche, Serpentinen-Ritter. Und dann fallen die Kinnladen, Augen werden Untertassen-groß, Gesichter fahlweiß, alle Augen heften sich auf den Fiat Topolino, der gerade unbekümmert in den letzten freien Winkel auf dem Parkplatz surrt zwischen die 911 GT3 und GTS einer Porsche-Club-Partie. Ein Affront. Sprachlosigkeit macht sich breit. Irgendwie ahnen die harten Typen mit ihren Carbon-Keramik-Rennbremsen, Kohlefaser-Sitzschalen und Magnesium-Rädern, dass sie gerade von etwas Mintgrünem, Kulleräugigem mit 45-km/h-Aufkleber im Heckfenster zum Weichei erklärt worden sind. Einen GT3 den Pass hochprügeln kann eben jeder … Der alpine Gran Turismo-Adel frisst sich still die Seele aus dem Leib.
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Aufwärts – mit acht PS auf 2094 m

Es dauert beinahe zehn Minuten, bis sich einer an den Winzling herantraut, einen schnellen Blick ins Cockpit wirft und dann die für ihn anscheinend wichtigste Frage stellt: "Gibt's den auch mit Lederlenkrad?" Nö, gibt es nicht. Und um anderen Fragen dieser Kategorie vorzubeugen: Statt einer Klimaanlage hat der Fiat Topolino Klappfenster, und die "Fußballstadion"-Plastiksitze lassen sich nur auf der Fahrerseite längs einstellen, manuell natürlich. Weshalb die Fahrertür hinten angeschlagen ist und nach vorn aufgeht, auf der Beifahrerseite genau andersrum? "Weil man so nur eine Tür produzieren muss und das Kosten spart ..." Spätestens jetzt hat der 718 Spyder-Fahrer das Prinzip verstanden, meinen spitzen Hinweis auf die Leichtbau-Türöffnerschlaufen des Topolino ebenfalls und schleicht sich beleidigt.

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Zugegeben: Heute Morgen hätte ich diese Situation so nicht vorhergesehen. Start um 8:00 Uhr in Innsbruck mit ungewissem Ausgang, vor mir 75 km in den Alpen und zwei offene Beweisführungen: Der Fiat Topolino wird als Leichtfahrzeug für ab 15-jährige mit AM-Führerschein verkauft – taugt er auch als ernsthaftes Auto für Erwachsene? Und: Schafft er mit seinen 75 km Reichweite und acht PS (5,9 kW) Leistung auch alpine Etappen wie die Strecke von Innsbruck über den Brenner und bis hoch zum Jaufenpass? In meinem Kopf schwirren Schwarz-Weiß-Fotos der 50er und 60er, als ganze Familien in minimal motorisierten Kleinwagen auf der Suche nach dem Süden über die Alpen schwirrten und den schnappatmenden, überhitzten Winzlingen alle paar Minuten eine Abkühlpause gönnen mussten.

Damals fuhr man auch nicht einfach so auf der Brennerautobahn nach Südtirol, sondern durfte sich die Reise noch erarbeiten: fahren, Pause, fahren. Berge und Kühe gucken, "Oh" und "Ah" sagen, sich auf den Sommer freuen. Die familiäre Komponente gehört damit zur Geschichte, weshalb ich im Dienst der Wissenschaft meine jüngste Tochter zur Mitfahrt überrede. Lovis (10) will zuerst nicht, dann zeige ich ihr ein Foto des "süüüüßen" Topolino – und das ändert alles. Auch, dass die Challenge durch die Beifahrerin realitätsnäher ausfällt: Mit unserem leichten Reisegepäck bleiben wir knapp unter der zulässigen Zuladung des Topolino von 150 kg.

 

So oft wird der Fiat gar nicht überholt

Smartphone in die kleine Halterung auf der Armaturentafel gespannt, die Edelweißhütte auf der Jaufenpass-Höhe als Ziel eingegeben und los. Der kleine Fiat darf keine Schnellstraßen und Autobahnen nutzen – dass wir diese in der Navigations-App deshalb "vermeiden", sorgt gleich zu Beginn der Fahrt für erstes Herzklopfen: Wir werden auf eine haarsträubend steile Privatstraße gelotst und schaffen es gerade so im Schritttempo kriechend auf die Höhe – unser Zutrauen in die Berggängkeit des Topolino ist aber im Keller. Das kann ja heiter werden.

Was danach kommt, ist jedoch weit mehr als überzeugend: Entspannt schnurrend zieht der Fiat Topolino weiter den Berg hinauf, macht mit vertrauenerweckendem Beharrungsvermögen die lang gezogenen Steigungsstrecken in Richtung Matrei und Steinach nieder und hält auf den moderateren Passagen sogar seine 45 km/h Höchstgeschwindigkeit. Anders, als erwartet wird der Fiat selten zum Verkehrshindernis: Auf der kurvenreichen Strecke fahren nur wenige Autos im Schnitt schneller als 50 km/h, sondern 70 bis 80 auf den Geraden und 30 in den Kehren – ich ziehe im Topolino aber einfach konstant durch. Der Kleine hat ein überraschend solide abgestimmtes Fahrwerk, die Lenkung lässt einen auch in feuchten Kehren nie das Gefühl für die Straße verlieren, und so swingen wir tapfer dem Brenner entgegen: eingeholt werden auf den Geraden, Meter machen in den Kurven. Nur wenige Bleifüße wollen es wirklich wissen und segeln mit sportivem Ehrgeiz von hinten heran – denen macht der kleine Fiat ganz schnell Platz. Brav zum Straßenrand, und schon sind alle glücklich.

Fiat Topolino; fahrend; Außenansicht; Kleinstwagen; Heckansicht; Alpen
Foto: Hardy Mutschler
 

Abwärts – von Gelato nach Pizza

Auf der Brenner-Passhöhe beginnen wir zu rechnen: 42 km sind zurückgelegt, im Display leuchtet eine Restreichweite von 22 km, den Jaufenpass können wir also vergessen … – nicht ganz: Auch nach der 15-km-Strecke vom Brenner herunter bis Sterzing zeigt der Bordcomputer immer noch eine Reichweite von 18 km an. Das Smartphone kalkuliert bis zur Edelweißhütte allerdings herzlos eine Strecke von 18,3 km. Geschlagen um 300 m, verdammt! Nur Lovis versteht die Aufregung nicht: "Ich dachte, wir gehen jetzt eh erstmal ein Eis essen?" Und das tun wir dann eben. Der Fiat Topolino zieht an einer gekaperten 230-V-Steckdose drei Stunden lang Wasserkraft-Wechselstrom und wir in einer Gelateria am Sterzinger Zwölferturm vier Kugeln Grüner Apfel-Lavendel, Maracuja-Basilikum und Nutella …

Im Schatten des Bergwalds streben wir dann gespannt nach oben, freuen uns über das sämige Ansprechen der Federung auf der grindigen Fahrbahn und ächzen, wenn derbe Bodenwellen den Fiat mit seinem kurzen Radstand ins Bocken bringen. Wieder lautet die Devise Vollgas, hart in den Kurven, entschlossen auf den Geraden. Und auch hier am deutlich anspruchsvolleren Jaufenpass gibt sich der Fiat keine echte Blöße: Nur an den allersteilsten Passagen sinkt das Tempo unter 30 km/h, doch sobald sich die Steigung etwas entspannt, zieht das "Mäuschen" (Italienisch: Topolino) wacker vorwärts – bis über die Baumgrenze hinauf, dann mit echtem Alpinisten-Feeling und spektakulärem Hochgefühl durch die letzten Serpentinen unterhalb der Passhöhe. Der kleine Italiener zeigt noch 18 km Restreichweite an, die Porsche-Gang fragt augenrollend, wohin wir denn heute noch wollen. "Meran", lüge ich, "das ist nur 40 km bergab und eine Gelato-Pause entfernt." "Pizza", sagt Lovis, "Pizza dieses Mal!"

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