Fiat 500e/Honda e: Vergleich
City-Stromer mit Retro-Flair
Der Honda e zitiert den Civic der 70er-Jahre, im Design des Fiat 500e schwingen die Fünfziger das Tanzbein. Unter den gefühlvollen Hüllen steckt aber rationale Elektroautotechnik. Wie schlagen sie sich im Vergleich?
Mit Fiat 500e und Honda e treffen in diesem Vergleich zwei City-Flitzer aufeinander, die polarisieren – und das nicht nur mit ihrem Antrieb. Wenn der Honda e einschwebt, geht sofort die Disco-Kugel an. Im coolen Groove der Siebziger und im Synthesizer-Swing der Achtziger schiebt das kantige Gerät auf die Tanzfläche und feiert – sich selbst. Man darf es vielleicht so undiplomatisch sagen: Kultautos sind die ersten Civic-Generationen, die der "e" im Design zitiert, nur für absolute Insider. Und eben für Honda selbst. Mit Formel-1-Motoren, flammenden Motorrädern und Hochdrehzahl-Roadstern hat sich Honda in der Oktan-haltigen Welt des 20. Jahrhunderts eingenistet. Der Civic war ein Versuch, dann auch ganz banalen Mainstream-Boden zu fassen und daher so wichtig für die Marke. Sonst eher so, so, la, la. Heute wandert Honda übrigens immer noch zwischen den Welten aalglatter automobiler Vollperfektion und mitreißendem Erfindergeist, haut im einen Moment grundsolide Alltagsautos raus und im nächsten Business-Jets oder Humanoide Roboter. Der "e" ist irgendwo dazwischen. Mischt überschaubares Kleinwagen-Format mit spinnerten Hightech-Elementen, staubtrockene Funktion mit abgefahrenen Design-Ideen. Auf den ersten Blick ist er ein wohlgeschliffener Vertreter des nutzwertigen Alltags-Unterwegsseins und auf den zweiten ein klassenloses Emotions-Auto. Es gibt in diesem Vergleich noch einen von dieser Sorte. Er heißt Fiat 500e und braucht keine so lange Erklärung wie die kantige Intelligenzbestie von Honda. Schwungvoll segelt der Cinquecento auf die Bühne und spielt dabei tatsächlich (!) statt des bei Elektroautos üblichen Fußgängerwarntons einen Italo-Filmmusik-Sample (Nino Rota: "Amarcord") ab. Wenn Sie demnächst also auf einem Zebrastreifen plötzlich Musik aus Fellinis halb-autobiografischer Satire über eine im faschistischen Italien der 1930er-Jahre verbrachte Jugend hören, könnten Sie als Nächstes von einem Fiat 500e überfahren werden. Mehr zum Thema: Unsere Produkttipps auf Amazon
Der Honda e (2020) im Video:
Fiat 500e & Honda e im Vergleich
Was auch immer Fiat uns damit sagen möchte: Es passt zum Cinquecento. Er ist so unfassbar italienisch, dass es weh tut. Mit hoffnungslos großartigen Kitsch-Momenten hat er nicht nur kein Problem – sie sind seine Essenz. Sein Pheromon. Bei ihm geht einfach immer irgendwie die Rote Sonne über den Fischern von Capri unter, er ist so Gelato-süß, dass man Karies bereits vom Ansehen bekommt. Genau wie der Honda e hat der Fiat 500e aber nicht nur einen Drang zur absoluten Unterhaltsamkeit im Repertoire, sondern er ist bestechend nüchtern gemacht. Es ist diese Kombination aus Schmelz und Gefühl, aus Pragmatismus und Substanz, die am Ende dazu geführt hat, dass wir diese charakterlich so unterschiedlichen Elektro-Kleinwagen in einem Vergleich zusammenbringen wollten: um nachzusehen, welcher der beiden uns am Ende wirklich aus der Reserve lockt. Und dabei haben wir die Wasserscheide zwischen Honda e und Fiat 500e ja bereits erklärt: Zum Honda e braucht man einen eher intellektuellen Zugang – der Fiat 500e, die Zuckerschnute, ist dagegen reine Bauchsache. Dabei tut uns sowohl das Eine als auch das Andere sonderbar leid: Ach, würden die Leute am Fiat 500e doch nicht immer nur das Äußere sehen oder am Honda e die dicke Schicht aus verkopftem Erklärungsbedarf. Denn dann würden sie plötzlich die solide Machart des Fiat 500e erkennen. Die ans Fan-Sein grenzende Detailverliebtheit seiner Macher:innen. Selbst seine intuitive Schönheit ist reine Ratio, die Linien sind perfekt, die Proportionen hohe Schule und die wie ein mächtiges Riff aus Zeitlosigkeit hinter ihm stehende Design-Stringenz eine Doktorarbeit. Zum Weinen schön. Nicht, weil er bloß schön wäre. Sondern weil dieser Cinquecento präzise und logisch ist. Berechnend und gleichzeitig mit Herz gemacht. Ganz spontan fällt uns aktuell kein anderes Auto ein, das in Sachen Design so klug, so professionell wäre. Dann steigst du ein, alles fühlt sich griffig und nach festem Händedruck an. Und beim Infotainment hast du einen Schock: Nach Jahren von italienischer Funktionalitäts-Katastrophe ist das ein System, das wirklich rockt. Hallo Volkswagen, wollt ihr euch das nicht mal ansehen? Fahren tut der 500e ebenfalls super – handlich flitzend, leicht, druckig, freundlich. Er lädt solide und schnell und hat eine Reichweite in petto, die ihn weit über alle Stadtgrenzen hinausspült. Racer könnten sich etwas mehr Präzision beim Lenken und eine tiefere Sitzposition wünschen, Familienmenschen mehr Platz im Fond. Aber selbst die wollen den Fiat. Weil er einfach charmant ist. Und gut.
Schönheit beim Fiat 500e nicht relativ, Fahrspaß beim Honda e absolut
Aber ach, würden dieselben Leute doch auch mal dem Honda e eine Chance geben. Sein bulliges Futuretro-Design hat eine Qualität, die die ganz Großen auszeichnet: Es wird mit jedem Tag besser. Dass du im Winter die ausfahrbaren Türgriffe ebenso wie die rahmenlosen Seitenscheiben morgens mit einem schnellen Heißwasserguss auftauen musst, wenn sie mal wieder eingefroren sind, ist höchstens liebenswert. Honda darf sowas konstruieren. Im Vergleich zu vielen anderen, trauen die sich einfach was, und das will man, auch wenn es mal schiefgeht. Dafür gibt es im sündhaft teuren Advance-Paket die besten Kamera-Rückspiegel, die die ganze Autowelt zu bieten hat. Und es gibt einen Kleinwagen mit vier Türen und einer geräumigen Fondsitzbank, einem Cockpit mit berauschend viel Platz und einem über die gesamte Cockpit-Breite reichenden Digitaldisplay sowie Echtholz-Interieurleisten. Das ist konservativen Naturen zu viel – progressive können ihr Glück hingegen kaum fassen. Und für alle anderen hat der Honda e eine Botschaft: Hinterradantrieb, tiefer Schwerpunkt, Elektro-Drehmoment. Der langt gewaltig hin, kurvt wie ein Sportwagen. Intravenöse, gierige Herrlichkeit. Dass der Honda e zu teuer ist, langsam lädt und wenig Reichweite hat, dürfen die bei Honda gern beim nächsten Versuch abstellen. Aber wahrscheinlich werden die, von der eigenen Courage erschreckt, den "e" einfach einstellen. Auch das wäre typisch Honda. Und deshalb: Jetzt einen Honda e kaufen. Absolutes Fan-Material. Den Fiat 500e haben Sie ja schon.
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