Neuer Ferrari 12Cilindri (2024): Zwölfzylinder in der ersten Testfahrt
Vorwärts nach gestern im 12Cilindri
Bald wird es auch bei Ferrari E-Autos geben. Vorher hauen sie aber noch den 12Cilindri raus: mit frei saugendem 6,5-Liter-V12 – herrlich alte Schule! Erste Testfahrt mit dem neuen Ferrari 12Cilindri.
Von wegen "Zurück in die Zukunft" – der neue Ferrari 12Cilindri funktioniert genau andersherum: Als echtes Gegenwarts-Statement und ausbaufähige Zukunftsidee präsentiert die legendäre Sportwagen-Traditionsmarke ein Autokonzept, das fest in der Vergangenheit wurzelt und nennt es trotzig "12Cilindri". Zwölfzylinder. Noch Fragen? Während alle teilelektrifizieren, downsizen und Turboladen, hat sich Ferrari den bewährten 65°-V12 vorgenommen und in aller Ruhe fit für die nächste Runde gemacht. Weniger Leistung als die 830 PS (610 kW) im Ferrari 812 Competizione sollten es trotz immer schärferer Abgasgesetze nicht werden, also gab es Titanpleuel mit 40 Prozent geringerer Masse, eine um drei Prozent leichtere Kurbelwelle, neue Aluminiumkolben und durch DLC-Beschichtung reibungsoptimierte Innereien. Hubraum? Stattliche sechseinhalb Liter. Turbo? Nö. Elektrifizierung? Heute nicht.
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Der Ferrari 12Cilindri (2024) im Video:
Neuer Ferrari 12Cilindri: Erste Testfahrt
Bevor jetzt aber alle Elektroverächter:innen in Tränen der Rührung ausbrechen und den 12Cilindri als Vorbote einer kommenden Rückbesinnung auf ottomotorige Traditionswerte verstehen: So ist das nicht gemeint. Ferrari ist ein maßgeblicher Innovationstreiber im Bereich elektrifizierter Sportwagen (296 GTB/GTS, SF90 etc.), wird es auch bleiben und sogar in absehbarer Zukunft den ersten voll-elektrischen Sportwagen vorlegen. Das ist die Zukunft.
Dem frei saugenden, nicht elektrifizierten V12 gehört nun jedoch wieder ein Stück der Gegenwart, und wenn man Ferrari-Insider:innen zwischen den Zeilen gut zuhört, könnte der Emotionsklassiker auch in der Zukunft immer wieder eine Rolle spielen. Da sei "doch noch was an Leistung zu holen". Eigentlich geht es Ferrari aber um eine andere Währung: maximales Drehmoment. Das soll nun einerseits früher anliegen, andererseits aber auch durch geschickte Motorsteuerung so über den gesamten Drehzahlbereich verteilt werden, dass besonders in den unteren von acht Gängen immer der Eindruck von satt schmalzendem Vorwärtsdrang entsteht. Turbomotoren können das, Elektromotoren noch viel besser. Ob es der 12Cilindri kann, darf die AUTO ZEITUNG bei einer ersten Testfahrt testen.
Druck auf den Startknopf, der V12 räuspert sich kurz heiser und singt dann dezent los. Seidig-ätherischen Rundlauf gabs bei Ferrari-Zwölfzylindern noch nie, man spürt die Maschine, wie sie sich in ihren Motorlagern grantelnd einrichtet, grieselnd und knurrend. Dann schiebt der Ferrari 12Cilindri los und swingt über die ersten Kilometer ohne jede Aggression. Das ist sozusagen der Monaco-Miami-Modus, und man braucht lange, um diesem unterforderten Dahinschnüren zu entkommen, wir sind schließlich im dicht besiedelten Mitteleuropa. Da zündet man nicht einfach mal einen Zwölfzylinder, um alle 830 Pferde auf persönliche Anwesenheit zu kontrollieren. Gut also, dass Goodyear dem 12Cilindri als erstem Ferrari nach dem legendären F50 einen eigenen Reifen komponiert hat (Eagle F1) und uns deshalb auf die Teststrecke im luxemburgischen Colmar-Berg lässt.
Die Konkurrenten:
Der 12 Cilindri: Irrwitzige Drehzahlen, meditatives Wesen
Ferrari mag den 12Cilindri als gut vorgespannten GT konzipiert haben – seine Leidenschaft gilt aber dem Sport. 20 mm weniger Radstand als beim 812 Superfast, Hinterachslenkung mit unterschiedlichen Lenkwinkeln bei kurveninnerem oder -äußerem Rad, vernetztes SSC 8.0-Fahrdynamiksystem, ein Präzisionstraum von einer Lenkung – aus diesem Stoff sind Fahrfreude-Träume gemacht. Perfekt kontrollierbar, Schärfe ohne Aggression, hellwacher Fluss.
Und ja, jetzt zeigt der V12, was ihn so besonders macht: Er lässt aus dem Drehzahlkeller die Reifen wimmern, hämmert mit brachialem Schmiss durch die Drehzahlmitte, schiebt, schiebt, schiebt – und dann zündet er obenraus den Nachbrenner. Leuchtend, grell, glamourös. Er singt und sägt, haut in besonders trickreichen Passagen, wenn man eigentlich noch für ein paar Meter hochschalten sollte, einfach noch ein paar irrwitzige Drehzahlen raus. Puuuh! Was für eine Show!
Auf kleinen Landstraßen zwischen den Ardennen und der Eifel gehen wir dann bei der ersten Testfahrt verloren, lassen uns vom Flow der Maschine vorwärtsspülen, genießen den rauchigen Sound, das meditativ surfende Wesen dieses großartigen Wagens. Kritik? Ja, haben wir, und sie hat nichts mit dem V12 zu tun: Zu einem so tollen Motor würde doch auch eine analoge Bedienung der Cockpit-Funktion passen. Klicken und drehen statt touchen und swipen, das Manettino als Blaupause. Beim Nachfolger dann? Vorwärts nach Gestern?
Technische Daten des Ferrari 12Cilindri
AUTO ZEITUNG 22/2024 | Ferrari 12Cilindri |
Technische Daten | |
Motor | 12-Zylinder, 4-Ventiler; 6496 cm³ |
Antrieb | 8-Gang; Doppelkupplung; Hinterrad |
Leistung | 611 kW/830 PS |
Max. Drehmoment | 678 Nm |
Karosserie | |
Außenmaße (L/B/H) | 4733/2176*/1292 mm |
Leergewicht | 1560 kg |
Kofferraumvolumen | 270 l |
Fahrleistungen | |
Beschleunigung (0-100 km/h) | 2,9 s |
Höchstgeschwindigkeit | 340 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 15.5 l S |
Kaufinformationen | |
Grundpreis | 382.000 € |
Marktstart | k.A. |
Alle Daten Werksangaben; *Breite mit Außenspiegel |
Der 12Cilindri mit seinem zeitlosen V12 und dem vom 365 GTB "Daytona" inspirierten Design ist ein großer Wurf. Ferrari komplettiert mit ihm ein hochmodernes Modell-Portfolio erfrischend old school. Kompliment!