DeLorean DMC-12 & Mercedes SL: Zwei Flügeltürer im Vergleich
Die beflügelten Klassiker DeLorean und SL
Zurückhaltung ist ihre Sache ganz sicher nicht. Im Vergleich trifft das weitgehend unbekannte Flügeltürer-Unikat Mercedes 300 SL-24 (R129) auf die legendäre nordirische Zeitmaschine DeLorean DMC-12.
Den hier gegen das Flügeltürer-Unikat der Baureihe Mercedes SL (R129) antretenden Keil mit seinen hoch aufschwingenden Türen kennt nahezu jeder, obwohl der DeLorean DMC-12 zwischen Januar 1981 und Dezember 1982 lediglich 8583 Mal gebaut worden ist. Und dies nicht etwa in Motown Detroit, sondern im grauen, des Automobilbaus gänzlich unverdächtigen Dunmurry nahe der nordirischen Hauptstadt Belfast: Grund dafür waren die großzügigen Subventionen. Populär wurde die mattsilberne Flunder erst durch ihren spektakulären Auftritt in der Hollywood-Filmtrilogie "Zurück in die Zukunft" (Das Filmauto als Lego-Bausatz). Wüsste man es heute nicht besser, hätte der im Film eingesetzte "Fluxkompensator" der rollenden Zeitmaschine ein genialer Werbegag des US-amerikanischen Verkaufsgenies John Zachary DeLorean gewesen sein können… Aber als diese Streifen (1985, 1989 und 1990) gedreht wurden, war die schillernde "One-Hit-Wonder-Automarke" bereits pleite.
Ganz anders der Sparringpartner in diesem Vergleich – ein durch und durch seriöser Mercedes der Baureihe R129, der nicht nur durch seine Technik überzeugte, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich war: Er blieb zwölf Jahre lang, von 1989 bis 2001, im Programm. Die gesamte Baureihe verkaufte sich 204.940 Mal, 26.984 Fahrzeuge wurden mit dem 3,0-l-Vierventilmotor ausgestattet – eine vielfach größere Auflage als die des DeLorean DMC-12. Besonderheit des hier gezeigten 300 SL-24-Unikats von 1993 sind – Überraschung! – dessen Flügeltüren: Der Mercedes SL wurde so nur ein einziges Mal eingebaut, dann geriet die Sache in Vergessenheit.
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DeLorean DMC-12 & Mercedes SL im Vergleich
Serienmäßig modifizierte Sonderversionen im auffälligen Gullwing-Look hätten vor drei Jahrzehnten noch nicht wieder zum Selbstverständnis der nüchtern auftretenden schwäbischen Marke gepasst. Dass Mitte der 50er mit dem ursprünglichen Mercedes SL die Blaupause für alle kommenden Flügelwesen bereitstand, war nicht etwa dem Trachten nach Lifestyle, sondern den konstruktiven Zwängen jenes Autos geschuldet – der Hersteller des DeLorean DMC-12 existierte zu jenem Zeitpunkt übrigens noch gar nicht.
Unerschrockene Tuner wie Chris Hahn in Hamburg und Hartmut Boschert in Frankfurt sahen ihre Chance und wagten sich keck an mitunter fragwürdige Umbauten mit Flügeltüren, die vor allem in arabischen Ölstaaten gefragt waren. Mercedes versuchte juristisch dagegen vorzugehen und verwarnte Händler, die solche Autos vermittelten. Chefdesigner Bruno Sacco schüttelte nur angewidert den Kopf, wenn er mit derartigen Derivaten konfrontiert wurde. Nur in einem einzigen Fall ließ Mercedes Gnade walten: bei den Isdera-Exoten (Rückblick auf den Isdera Commendatore 112i) von Eberhard Schulz, die Flügeltüren und teils auch das Mercedes-Logo – als freundliche Reminiszenz an das Mercedes SL-Modell W198 aus den 50er-Jahren – nutzen durften.
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Der DeLorean DMC-12 mit unübersehbaren Schwächen
Auch John Z. DeLorean setzte auf die Begehrlichkeit eines auffälligen Supercars im Stil eines umgebauten Mercedes SL. Tatsächlich war die Basiskonstruktion des DeLorean DMC-12 weder eigenständig noch neu, sondern vom Lotus Esprit abgeleitet. Aber die von Giorgio Giugiaro finalisierte Optik des Wagens geriet spektakulär. Und DeLorean versprach Investor:innen und der Kundschaft ein perfektes Auto. Vielleicht einmal zu oft betonte er die Nachhaltigkeit des "nach ethischen Kriterien" geformten Fahrzeugs. Manches erinnert an das großspurige Begleitgetöse zum missglückten Tucker Torpedo aus den späten 40ern und wirkt zudem wie ein vorgezogener Greta-Effekt.
Um das überteuerte, nicht wirklich auskonstruierte Coupé in Szene zu setzen, bemühte John DeLorean seine PR-Maschinerie, die von den Unzulänglichkeiten ablenken musste. So wurde zwar ein Sicherheitssystem zugekauft, aber letztlich nicht umgesetzt. Die auffälligen Türen und die Beplankung schürten zu hohe Erwartungen an den vorgeblichen Sportwagen, der hier gegen den Mercedes SL antritt. Dass den DeLorean DMC-12 ungelernte Mitarbeitende in einem hoch subventionierten Werk im Bürgerkriegs-gebeutelten Nordirland zusammenbauten, lässt die kommenden Probleme erahnen.
Mercedes SL mit Flügeltüren als Überraschungsprojekt
Auf der anderen Seite also der Hersteller des Mercedes SL, dessen ausgereifte Autos damals nicht einfach verkauft, sondern mit einer gewissen Hochnäsigkeit verteilt wurden. Ausgerechnet Jürgen Hubbert, seinerzeit Vorstand Geschäftsbereich Mercedes Pkw, war der Ideengeber für eine Flügeltür-Version des konservativ gezeichneten R129 – zehn Jahre nach dem erfolglosen DeLorean DMC-12. Hintergrund für das Überraschungsprojekt war die Bewerbung von Karossier Karmann um Entwicklung und Bau des künftigen SLK-Klapptops. Hubbert forderte daraufhin einen aktuellen, überzeugenden Kompetenzbeweis vom Osnabrücker Dach-Spezialisten.
Dafür waren ein kompletter R129 und eine Rohkarosse sowie acht Alu-Hardtops angeliefert worden. Die Serientüren wurden mit Rohren verstärkt und im oberen Bereich umgebaut, die eigentlichen Türausschnitte blieben aber fast unverändert. Komplett aufgerüstet wurde die Struktur des Autos mit einem feststehenden Überrollbügel in der B-Säule mit zusätzlicher Längsverstrebung von der Frontscheibe bis zum Heck, um die Türen anzuhängen. Über 100 Teile mussten neu entwickelt werden, das Auto legte beim Gewicht um 60 kg zu. Das Hardtop diente als gefällige Abdeckung, abnehmbar war es natürlich nicht mehr. Die technischen Lösungen wurden von einem kleinen Team vor Ort erdacht und umgesetzt. Chris Hahn, für den Hersteller des Mercedes SL eigentlich Persona non grata, wirkte am Projekt ebenfalls mit – ob nun als Vordenker oder nur als Impulsgeber, darüber gehen die Meinungen auseinander.
Realisiert wurde der Hubbert-Wunsch binnen vier Monaten, um den Mercedes SL dann 1993 auf dem Genfer Salon auszustellen. Nicht bei Mercedes, sondern mit vollem Stern-Ornat bei Karmann – was Gerüchte hinsichtlich einer Serienfertigung bescherte. Die Inszenierung sorgte auch deshalb für Aufsehen, weil die Türen von außen über Stunden elektrisch hoch- und runtergefahren wurden. Extra dafür hatte man einen leistungsstarken E-Motor mit entsprechender Stromversorgung hinter dem vorderen Gestühl versteckt.
Das Ergebnis überzeugte, obwohl es nie zu einer Serienfertigung kam. Karmann durfte im Folgenden sowohl das Roadster-Dach des SLK entwickeln als auch beide Generationen des CLK im Zweigwerk Rheine produzieren. Nur 250 km legte der Flügel-SL seitdem auf eigener Achse zurück. Einmal soll er, so ein glaubwürdiger Zeitzeuge, in Affalterbach bei AMG gewesen sein, um Ideen für den späteren Mercedes SLS zu generieren. Vom Auftraggeber übernommen, wie dies bei anderen Fremdentwicklungen oft der Fall war, wurde dieses Fahrzeug allerdings nicht.
Der DeLorean ist ein Exot, der Benz sogar einzigartig
Die Fotoproduktion mit dem Mercedes SL und dem DeLorean DMC-12 fand im heutigen Volkswagen-Werk Osnabrück statt, zu dessen außergewöhnlicher Fahrzeugkollektion der umgebaute SL gehört. Dankenswerterweise brachte das Zeithaus der Autostadt seinen DeLorean nach Osnabrück – eines von schätzungsweise heute noch existierenden 6500 Exemplaren, die allesamt in Sammlerhand sind und im Preis unaufhörlich steigen. Ein Großteil der kleinen Coupés verblieb im einstigen Hauptmarkt, in den USA. In Deutschland – dem Herstellungsland des Mercedes SL – dürften sich heute über 350 DeLorean DMC-12 befinden. Notiz am Rande: Nach Schätzungen des irischen Clubs sind mehr als 100 Fahrzeuge nachträglich im Stil der Film-Fahrzeuge umgebaut worden.
Der um 28 cm kürzere und um 16 cm niedrigere DeLorean DMC-12 ist deutlich kompakter als der 4,50 m lange Mercedes SL. Nur bei der Breite nehmen sich die zwei nichts – der DMC-12 misst 1,86 m, der SL 1,81 m. Beim Radstand liegen allerdings zehn Zentimeter zwischen ihnen: Beim DeLorean sitzen die Achsen 2,41 m auseinander, beim Mercedes sind es 2,51 m. Beide Autos sind Zweisitzer mit schmaler hinterer Ablage, unterscheiden sich aber stark: Beim Mercedes handelt es sich um einen konventionellen Stahlblech-Aufbau mit Alu-Hardtop, während beim DeLorean Kunststoff-Wannen die Edelstahlauflagen tragen.
Das Innenraumangebot des Iren ist naturgemäß beschränkter als das des Mercedes, auch in puncto Ergonomie hätte es sicher Verbesserungspotenzial gegeben. Bei der Aerodynamik hatten die Hersteller ein gutes Händchen: Der Lifestyler von DeLorean erreichte einen Luftwiderstandsbeiwert von 0,34, der Mercedes blieb bei aufgesetztem Hardtop mit 0,32 leicht darunter. Wirklich schnell war der Ire aber nicht: Er erreichte maximal 200 km/h, zu lesen ist auch von bis zu 208 km/h – ungeschickterweise zeigte aber wegen eines US-Gesetzes der Tachometer des Coupés nur maximal 85 mp/h (140 km/h) an. Der Mercedes kam auf 235 km/h. Leicht waren beide Fahrzeuge nicht: Der DeLorean DMC-12 wog 1268 kg, während die der Mercedes SL in Serie auf 1690 kg kam.
Im DeLorean DMC-12 wurde der 2,8-l-PRV-V6 relativ hoch über der Hinterachse unter der "Katzentreppen"-Jalousie versteckt. Der Zweiventiler wurde so auch bei Peugeot, Renault und Volvo eingesetzt, war aber ein träger Geselle, der nur 132 PS (97 kW) aufbot. Damit erübrigt sich eigentlich jeder Vergleich mit dem über der Vorderachse installierten sahnigen 3,0-l-Reihensechser M104 mit Vierventiltechnik, mit dem der Mercedes SL 231 PS (170 kW) aus dem Ärmel schüttelte. Womit wir bei der Preis-Frage wären. Der flache Keil von jenseits des Kanals sollte auf dem Hauptmarkt USA ursprünglich 12.000 Dollar kosten – darum die "12" in der Typenbezeichnung. Tatsächlich stieg der Preis aufs Doppelte (umgerechnet etwa 65.500 Mark) und lag damit auf dem Level von Ferrari 308 GTB (72.000 Mark) und Porsche 911 Targa (55.000 Mark). Nach dem unfreiwilligen Produktionsende und der Verhaftung DeLoreans im Zuge eines Rauschgiftdeals wurden für Restexemplare allerdings plötzlich bis 50.000 Dollar bezahlt.
Vom Mercedes SL entstanden binnen fünf Jahren dreimal mehr Einheiten als vom DMC-12. Der im Werk Bremen gebaute Schwabe kostete zunächst 99.180 Mark. 1993, im Jahr des Umbaus zum Flügeltürer, waren es bereits 120.984 Mark. Die einmalige Osnabrücker Neuinterpretation 300 SL-24 ist freilich unbezahlbar. Ob sie wirklich eine Chance auf dem Markt gehabt hätte? Mehr Charakter vermittelt der zwar unvollkommenere, aber optisch einzigartige DeLorean DMC-12. Wenn es im Vergleich mit dem Mercedes SL einen Sieger der Herzen gibt, dann das unvernünftige irische Coupé, dessen Kultigkeit in Verbindung mit der schillernden Persönlichkeit seines Herstellers sich einer rationalen Betrachtung schlicht entzieht.
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Technische Daten von DeLorean DMC-12 & Mercedes SL
Classic Cars 04/2022 | DeLorean DMC-12 | Mercedes 300 SL-24 |
Zylinder | V6 | R6 |
Hubraum | 2849 cm³ | 2960 cm³ |
Leistung | 97 kW/132 PS | 170 kW/231 PS |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 220 Nm 2750/min | 272 Nm 4600/min |
Getriebe | Fünfgang-Schaltgetriebe | Fünfstufen-Automatik |
Antrieb | Hinterrad | Hinterrad |
L/B/H | 4216/1857/1140 mm | 4499/1812/1296 mm |
Leergewicht | 1268 kg | 1690 kg (+60 kg Türtechnik) |
Bauzeit | 1981-1982 | 1993 (Serie 300 SL-24: 1989-1993) |
Stückzahl | 8583 | 1 (Serie 300 SL-24: 26.984) |
Beschleunigung¹ | 0 auf 100 km/h in 11 s | 0 auf 100 km/h in 8,4 s |
Höchstgeschwindigkeit¹ | 200 km/h | 235 km/h |
Verbrauch¹ | 9,6 l/100 km | 11,3 l/100 km |
Grundpreis (Jahr) | 65.000 Mark (1982) | 120.984 Mark (1993) |