Dacia Sandero 1.6 MPI im Dauertest Dacia Sandero 1.6 MPI
Bedeutet billig gleich unzuverlässig? Renault-Tochter Dacia tritt mit dem Preisbrecher Sandero den Gegenbeweis an
Eckdaten | |
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PS-kW | 87 PS (64 kW) |
Antrieb | Vorderrad, 5 Gang manuell |
0-100 km/h | 11.5 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 174 km/h |
Preis | 10.000,00€ |
Dass die rumänische Renault-Tochter günstige Autos baut, ist hinlänglich bekannt. Doch mit dem Billigheimer-Image schwingt immer auch ein leiser Zweifel mit, ob die Autos wirklich zuverlässig sind. Grund genug, den Bestseller aus dem Dacia-Programm, den Kleinwagen Sandero, einem Dauertest der AUTO ZEITUNG zu unterziehen. Zwar steckt unter dem durchaus ansehnlichen Blechkleid des kleinen Dacia die bewährte Technik der zweiten Renault Clio-Generation, dennoch stellt sich die Frage, ob die Rumänen nicht anderweitig zu Lasten der Haltbarkeit gespart haben, um die Tiefstpreise möglich zu machen. Im Fall unseres Sandero 1.6 MPI in der Topausstattung Lauréate betrug dieser Preis im Dezember 2008 glatte 10.000 Euro. Hinzu kamen noch die Aufpreise für die 15 Zoll-Alu-Räder, Metalliclack sowie Klimaanlage und CD Radio – das ergab summa summarum 11.900 Euro. Interessant dabei: Heute kostet das Modell gerade einmal 90 Euro mehr. Während an dere Hersteller die Preise fast im Monatsrhythmus erhöhen, bleibt Dacia nach wie vor volksnah. Immerhin bewerben die Rumänen den Dacia Sandero 1.6 MPI, der mit einem Grundpreis von 6990 Euro Deutschlands günstigster Neuwagen ist, als echten „Volkswagen“.
Doch was hat der Sandero im Alltag zu bieten? Weicht die Freude über den günstigen Preis kurz danach dem Frust über Zipperlein und Nachlässigkeiten? Um es gleich vorwegzunehmen: nein! Die ersten Einträge im Fahrtenbuch waren überwiegend positiver Natur. „Der Sandero hat ordentlich Platz – sowohl für die Passagiere als auch das Gepäck“, notierte Ratgeber-Mann Markus Bach. Und in der Tat zählt der Dacia zweifellos zu den Großen unter den Kleinwagen. Er streckt sich auf eine Länge von 4,02 Meter, und auch die Räder stehen mit knapp 2,59 Metern weiter auseinander als beispielsweise beim VW Golf. Dementsprechend gut fällt das Platzangebot aus. Auf der bequemen, wenn auch etwas weich gepolsterten Rückbank fi nden selbst 1,80- Meter-Passagiere passabel Platz. Besonders über dem Scheitel geht es für ein Fahrzeug dieser Klasse luftig zu. Der gut nutzbare Kofferraum fasst 320 bis 1200 Liter und stellt damit ebenfalls die meisten Konkurrenten in den Schatten.
DIE PEDALERIE IST EINE ECHTE SCHWACHSTELLE
Auch die Sitze in der ersten Reihe kamen bei der Redaktion gut weg. So stellte der stellvertretende Chefredakteur Klaus Uckrow fest: „Die Sitze sind straff gepolstert und bieten guten Seitenhalt, allerdings sind die Sitzfl ächen kurz.“ Letzteres wurde nahezu von allen Fahrern beklagt. Im Alltag weitaus störender war jedoch eine andere Unart des Sandero, die besonders im Stop-and-go-Verkehr nervte. „Die Kupplung verfügt über einen extrem langen Leerweg und ist entsprechend schwer zu dosieren“, bemängelte Testchef Martin Urbanke. Zudem fiel die gesamte Pedalerie von Beginn an durch Knarzgeräusche und lästige Vibrationen auf. Der negative Höhepunkt folgte dann bei Kilometer 79.779: Austausch der kompletten Pedalerie. Was war geschehen? Foto-Volontärin Daniela Loof war unterwegs auf der Autobahn, als das Gaspedal wiederholt nicht mehr in die Ruhelage zurückkehrte. Erst durch Auskuppeln und erneutes Gangeinlegen hörte der Sandero auf zu beschleunigen.
Auch die Fünfgang-Schaltung fand nur wenig Anklang. „Die Schaltung arbeitet hakelig, schwammig und auf langen Wegen“, bemerkte Redakteur Thorsten Elbrigmann. Und Kollege Elmar Siepen brachte es überspitzt auf den Punkt: „Das Getriebe schaltet sich wie in einem ukrainischen Kieslaster.“ Der Motor sorgte hingegen für weniger Erregung. Er ging über die gesamte Testdistanz zwar brummig und etwas angestrengt seiner Aufgabe nach. „Der zähe Zweiventiler wird jenseits von 4000 Touren recht laut, ist aber gut für Tempo 200 – zumindest laut Tacho“, stellte Redakteur Markus Schönfeld fest. Dass der 1,6-Liter-Benziner technisch eher zum alten Eisen gehört, wird auch auf beim Blick auf den Verbrauch deutlich. 8,1 Liter genehmigte sich der Sandero durchschnittlich über die Testdauer. Nicht gerade wenig für einen 87 PS starken Kleinwagen.
Dass der Sandero ursprünglich für den osteuropäischen Markt und somit auch schlechte Straßen entwickelt wurde, merkt man recht schnell. Je holpriger das Geläuf, desto wohler fühlt sich der kleine Rumäne. „Der Dacia ist ein solides Auto mit einem komfortablen Fahrwerk“, schrieb Online-Redaktuer Andreas Of. Und in der Tat macht der Dacia Sandero 1.6 MPI auch nach den Strapazen der 100 000 Kilometer einen guten Eindruck. Nichts klappert oder knarzt, die Sitze sind nach wie vor straff und zeigen kaum Verschleißerscheinungen, und auch die schnöde Plastiklandschaft im Innenraum sieht aus wie am ersten Tag. Da altern deutlich teurere Autos oftmals schneller. Test-Redakteur Paul Englert formulierte es bei Kilometerstand 96 385 so: „Verblüffend! Das Auto fährt sich so wie am ersten Tag. Ein wenig schwammig, aber so war er immer, der Sandero“
Bei Test-Assistentin Julia Immendorf hingegen wurden Erinnerungen an ihre Anfänge als Autofahrerin wach, als sie mit dem Dacia zum ersten Mal in Berührung kam: „Man merkt schnell, dass der Sandero aus der Renault-Familie kommt, denn ich habe mich sofort fünf Jahre zurückversetzt gefühlt, als ich meinen ersten Twingo gefahren bin.“ Hauptverantwortlich dafür zeigt sich die gefühllose und viel zu indirekt übersetzte Servolenkung, die das Fahren in der Stadt in heftige Kurbelei ausarten lässt. Ebenso ärgerlich wie übermäßige Lenkarbeit und das fehlende ESP befand Redakteur Markus Schönfeld die ungenaue Restreichweitenanzeige, die ihm einen ungewollten und dem Sandero den einzigen und zugleich unverschuldeten Liegenbleiber bescherte. Nach rund 300 km flotter Autobahnfahrt zeigte der Bordcomputer noch eine komfortable Reichweite von 120 Kilometern an. Fünf Minuten später waren es noch 60 km, kurz darauf erschienen nur noch Striche auf dem Display, ehe der Dacia wenig später mit leerem Tank ausrollte.
Trotz diverser Nachlässigkeiten, die man dem im rumänischen Pitesti gebauten Preisbrecher vorwerfen mag, sammelte er in der Redaktion zahlreiche Anhänger. „Braucht man wirklich mehr Auto?“ fragte Paul Englert, und Martin Urbankes Eintrag ins Fahrtenbuch glich beinahe einer Liebererklärung: „Der Sandero ist gerade aufgrund seines rustikalen Charmes ein sympathisches Auto.“
GÜNSTIGER UNTERHALT TROTZ KURZER INTERVALLE
Dabei verhält es sich bei einem Auto ähnlich wie in einer Beziehung – man sieht dem Partner die kleinen Macken im Laufe der Zeit nach. So arrangierten wir uns damit, dass die Wischer besonders auf der Beifahrerseite einen großen Bereich unberührt ließen, das Radio während der Fahrt im Stundentakt wie von Geisterhand ausging, dafür aber auch beim Abstellen und Ausschalten der Zündung einfach weiterlief. Oder dass die Scheibenwischer extra aktiviert werden mussten, wenn man die Scheibenwaschanlage zum Reinigen der Frontscheibe betätigte. Wir erfreuten uns dafür an der schnell ansprechenden Heizung, dem tadellosen Geradeauslauf und natürlich an den niedrigen Unterhaltskosten. Zwar verlangt der Wartungsplan alle 15.000 km eine Durchsicht sowie alle 30.000 km eine Inspektion, doch bei Preisen von rund 90 (Durchsicht) beziehungsweise 280 Euro (Inspektion) lässt sich damit durchaus leben.
Ebenso genügsam zeigte sich der Kleinwagen, was die Verschleißteile anbelangte. Der Fünftürer rollt immer noch auf den ersten Sätzen Sommer- und Winterreifen – beide von Michelin –, und auch die Bremsanlage bedurfte, abgesehen vom Reinigen der Trommelbremsen, keinerlei Wartung. Dafür durstete es den Motor öfters nach einem Schluck Motoröl zwischen den Inspektionen – 5,1 Liter des teuren Schmierstoffs füllten wir insgesamt nach. Somit bleiben nach der gesamten Distanz als größter Posten auf der Abrechnung die Kraftstoffkosten, die den Wertverlust deutlich übersteigen. Auf 4900 Euro wird der Dacia Sandero 1.6 MPI am Testende taxiert und hat somit rund 59 Prozent seines Wertes eingebüßt. Dadurch belaufen sich die Betriebskosten auf schlanke 23 Cent pro Kilometer – rechnet man den Wertverlust heraus, bleiben unterm Strich 16 Cent stehen.
Damit hat sich der Dacia Sandero im Dauertest keinesfalls als Mogelpackung erwiesen, die nur auf den ersten Blick günstig erscheint. Den selbstverliehenen Titel als echter „Volkswagen“ darf er deshalb beruhigt behalten.
Das sagt Dacia …
…ZUR PEDALERIE, DIE VON BEGINN AN DURCH KNARZGERÄUSCHE AUFFIEL SOWIE SPEZIELL ZUM GASPEDAL, DASS NACH 79.000 KILOMETERN WIEDERHOLT NICHT MEHR IN DIE RUHELAGE ZURÜCKKEHRTE:
Es handelt sich in beiden Punkten offenbar um Einzelfälle, da uns diese Beanstandungen nicht bekannt sind.
… ZU DEN BESCHWERDEN BEZÜGLICH DER KUPPLUNG: ZAHLREICHE FAHRER BEMÄNGELTEN, DASS DER LEERWEG DES KUPPLUNGSPEDALS VIEL ZU LANG SEI UND DIE KUPPLUNG ERST AUF DEM LETZEN ZENTIMETER SCHLIESSE:
Auch hierbei muss es sich um einen Einzelfall handeln. Diese Beanstandung war uns bislang ebenfalls unbekannt.
… ZUM KLEINEN WISCHERFELD DER FRONTSCHEIBE – SPEZIELL AUF DER BEIFAHRERSEITE WIRD EIN GROSSER TEIL DER SCHEIBE AUSGESPART:
Das Wischerfeld der Frontscheibe entspricht der Produktdefi nition des Herstellers.
… ZUM RADIO, DAS WÄHREND DER FAHRT IN REGELMÄSSIGEN ABSTÄNDEN VON ALLEIN AUSGEHT UND BEIM AUSMACHEN DER ZÜNDUNG SEPARAT AUSGESCHALTET WERDEN MUSS:
Dies entspricht nicht dem Stand der Serie. Es handelt sich offenbar um ein fehlerhaftes Radio, das auszutauschen ist.
… ZUM SCHWACHEN ABBLENDLICHT, DAS EINIGE FAHRER BEI NACHTFAHRTEN ALS UNZUREICHEND KRITISIERTEN:
Diese Beanstandung ist uns nicht bekannt.
… ZUR UNTERBRINGUNG DES RESERVERADS UNTER DEM FAHRZEUGBODEN, WODURCH ES DER WITTERUNG SCHUTZLOS AUSGESETZT IST:
Diese Lösung wurde von unseren Kunden bislang nicht bemängelt.
Fazit - Alexander Lidl
Zugegeben: Skepsis war vorhanden, als der Dacia Sandero zum Dauertest antrat – besonders was die Dauerhaltbarkeit anbelangte. Doch der Sandero entpuppte sich als anspruchsloses und zuverlässiges Alltags-Auto, das die 100.000 km ohne größere Beanstandungen hinter sich gebracht hat. Für den dröhnigen und durstigen Motor, das hakelige Getriebe sowie die lückenhafte Sicherheitsausstattung entschädigen das gute Platzangebot, die fl otten Fahrleistungen sowie die niedrigen Betriebskosten.
Technische Daten | |
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Motor | |
Zylinder | 4-Zylinder, 4-Ventiler |
Hubraum | 1598 |
Leistung kW/PS 1/Min | 64/87 5500 U/min |
Max. Drehmom. (Nm) bei 1/Min | 128 3000 U/min |
Kraftübertragung | |
Getriebe | 5 Gang manuell |
Antrieb | Vorderrad |
Fahrwerk | |
Bremsen | v: Scheiben h: Trommeln |
Bereifung | v: 185/65 R 15 T h: 185/65 R 15 T |
Messwerte | |
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Gewichte (kg) | |
Leergewicht (Werk) | 1036 |
Beschleunigung/Zwischenspurt | |
0-100 km/h (s) | 11.5 |
Höchstgeschwindigkeit (km/h) | 174 |
Verbrauch | |
Testverbrauch | k.A. |
EU-Verbrauch | 7.2l/100km (Super) |
Reichweite | k.A. |
Abgas-Emissionen | |
Kohlendioxid CO2 (g/km) | k.A. |