Einen gepflegten Citroën XM V6 zu kaufen, kann die Sehnsucht nach Komfort und Individualität stillen wie kaum etwas anderes – doch sowohl Limousine als auch Break können Kummer bereiten. Unser Ratgeber zeigt die kritischen Stellen auf.
Der Citroën XM ist keine 120.000 km gelaufen. Das ist für den Dreiliter-V6 ein Klacks. Unfallfrei, 94er Baujahr, mit dem Doppelwinkel in der Mitte des ultraflachen Kühlergrills. Also schon die zweite Serie mit Codenamen Y4. Für wenige tausend Euro steht er da, beim Gebrauchtwagenhändler in Riedstadt, in der Metallicfarbe Crepuscule. Das heißt übersetzt sowas wie Abenddämmerung. Komm schon, was soll schon schiefgehen. Eine innere Stimme sagt, dass es jetzt an der Zeit wäre, sich endlich für kleines Geld den Traum vom großen Franzosen der Neunziger zu erfüllen. Endlich diesen unvergleichlichen Fahrkomfort genießen, den nur eine Hydropneumatik bieten kann. Freund:innen werden ihre Augen aufreißen, wenn er erst mit diesem typischen leisen Klicken der Hydraulikpumpe in den Hof einbiegt und sich dann langsam mit dem Heck zur Ruhe senkt.
Doch dann sagt eine andere Stimme: "Überlege dir gut, was du da tust." Es ist die Stimme eines befreundeten Citroën-Kenners. Ein richtiger Spaßverderber. Er erzählt etwas von permanenten Problemen mit der Elektrik. Von wirren Warnmeldungen auf dem futuristischen Multimedia-Display hinterm Lenkrad. Und von korrodierten Hydraulikleitungen, an die man schlecht bis gar nicht rankommt. Ach ja, und die Domlager, die könnten so marode sein, dass die Federbeine unvermittelt in die Motorhaube schießen. Wenn man Pech habe, sammele sich außerdem Sprit im V des Sechszylinders, fange Feuer und die ganze Kiste fackele ab. So ist das mit dem Citroën XM: Einerseits geht von diesen Autos eine ungeheure Faszination aus, auch noch oder ganz besonders, wenn sie schon etwas älter sind. Und dann kommen die Horrorstorys von den Spaßverderbenden. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Classic Cars-Ratgeber: So einen Citroën XM V6 kaufen
Die entscheidende Frage ist also: Wie viel ist dran an den abschreckenden Anekdoten zum Citroën XM? Beziehungsweise: Können die unbestrittenen Qualitäten die Defizite aufwiegen? Zuerst die Stärken des Citroën XM. Das Design gehört definitiv dazu, vorn mit einem tiefen, breiten Charaktergesicht aus geschlitzten Scheinwerfern, riesiger Frontscheibe und mit mutig vorspringender Seitenlinie, die in ein wuchtiges Heck samt Spoiler mündet. Trotzdem erhob sich wieder lautes Geschrei, als er in dieser Form Ende der Achtziger den CX ablöste. Aber das war ja eigentlich immer so bei einem Modellwechsel. Im Innenraum verwöhnt der XM mit Wohnzimmeratmosphäre. Sehr bequeme Sessel vorne wie hinten, für einen Citroën verblüffend schnell zu erlernende Bedienung und ein sensationelles Raumgefühl. Optional konnte man das Flaggschiff mit einer zweiten Heckscheibe ordern, die vor Zugluft schützt, wenn jemand den Laderaum öffnet.
Außerdem hatten die Ingenieur:innen die Hydropneumatik weiterentwickelt. Im Sportmodus kann der XM damit ohne Karosserieneigung durch die Kurven wetzen, weil ein Rechner mit Hilfe eines Ventils je eine zusätzliche Federkugel vorne und hinten wahlweise zu- oder abschaltet. Diese sogenannte Hydractive-Federung funktioniert in Modellen ab 1994 noch besser, weil ein dreimal so schneller Rechner zum Einsatz kommt. Leider waren die Verkaufszahlen zu diesem Zeitpunkt schon eingebrochen. Ursache waren Negativschlagzeilen auf Grund häufiger Defekte. Womit wir bei den Schwächen des Citroën XM wären. Schon ein perfekt funktionierendes Exemplar erfordert eine gewisse Gelassenheit. Anders ausgedrückt: Der XM ist kein Auto für Banküberfälle. Denn ehe man nach dem Ausrauben des Tresors fliehen kann, fordert die Wegfahrsperre zunächst die manuelle Eingabe eines vierstelligen Codes über verdeckte Tasten zwischen den Vordersitzen.
Auch interessant:
Dreiventil-Diesel des Turbo D12 anfällig
Hat man den weit verbreiteten und empfehlenswerten Dreiventil-Diesel des Turbo D12 unter der Haube, heißt es nun Vorglühen. Ist der Start erfolgt, vergehen weitere 30 s, bis der Druck in den Hydraulikleitungen die Insass:innen samt Geldsäcken auf Fahrniveau gehievt hat. Gut möglich, dass inzwischen die Polizei da ist. Wenn man Glück hat, schreibt sie nur ein Knöllchen, weil man unerlaubt mit roter Plakette in die Umweltzone gefahren ist. Noch so ein Problem: Auf grüne Plakette sind die Diesel des Citroën XM nicht mehr zu bringen, was sich aber schrittweise durch das H-Kennzeichen selbst erledigt. Wenn es dagegen richtig schlecht läuft, glückt die Flucht zwar zunächst, aber nach wenigen Kilometern Vollgasfahrt reißt die Steuerkette im Motor.
So geschehen nach bereits 3300 km mit dem Dauertest-XM V6 der AUTO ZEITUNG im Jahr 1991. Damals kam die Redaktion zu dem Schluss, Citroën habe die ersten 30.000 XM-Käufer:innen als Testfahrende genutzt, die das Material im Alltagsstress prüfen sollten. Fakt ist: Während der ersten zwei Jahre nach Modellstart der XM-Baureihe übermittelte der Hersteller nicht weniger als 21 Modifikationen an die Vertragswerkstätten. Sechs davon betrafen den V6. Am Dauertester gingen die Probleme auch mit einem Austauschmotor weiter: Der Rückwärtsgang ließ sich nicht einlegen, der Motor ruckelte im Schiebebetrieb oder wurde zu heiß, das 2065 Mark teure Clarion-Radio hatte keinen Empfang, und im Innenraum stank es nach Benzin. Lakonischer Kommentar der Kolleg:innen nach vielen Werkstattbesuchen: "Wenigstens wissen wir jetzt, wo es frischen Kaffee gibt."
Technische Daten des Citroën XM
CITROEN XM (Bj.: 1989-2000): technische Daten und Fakten |
Antrieb V6-Zylinder; vorn quer eingebaut; 2-Ventiler; je eine obenl. Nockenwelle pro Bank, Kettenantrieb; Gemischbildung: elektr. Benzineinspritzung; Bohrung x Hub: 93,0 x 73,0 mm; Hubraum: 2975 cm3; Verdichtung: 9,5:1; Leistung: 123 kW/167 PS bei 560/min; max. Drehmoment: 235 Nm bei 4600/min; Fünfgang-Getriebe; Mittelschaltung; Vorderradantrieb |
Aufbau und Fahrwerk Selbsttragende Ganzstahlkarosserie mit fünf Türen; Radaufhängung vorn: Querlenker, Stabi.; hinten: Schräglenker, Stabi.; v./h. hydropneumatische Federung, McPherson-Federbeine; Zahnstangenlenkung; Bremsen: rundum Scheiben, ABS; Reifen: 205/60 R 15; Alu-Räder: 6 x 15 |
Eckdaten L/B/H: 4708/1794/1393 mm; Radstand: 2850 mm; Spurweite v./h.: 1520/1447 mm; Leer-/Gesamtgewicht:1500/1910 kg; Tankinhalt: 80 l; Bauzeit: 1989 bis 2000; Stückzahl: 333.405; Preis (1989): 55.000 Mark |
Fahrleistungen1 Beschleunigung: 0 auf 100 km/h in 9,2 s; Höchstgeschwindigkeit: 224 km/h; Verbrauch: 11,5 l/100 km |
1 AZ Ausgabe 14/89
Der XM ist ein beeindruckend komfortables Auto für Individualist:innen, denen ein W124 oder ein Fünfer-BMW zu langweilig oder zu teuer ist. Auf den ersten Blick gibt es viele verlockende Angebote zum Spottpreis. Doch die Technik hat ihre Tücken, speziell im Alter. Wegen der vielen Kinderkrankheiten zu Baubeginn sollte man nach einem späten Modell der zweiten Generation ab 1994 Ausschau halten. Am sparsamsten ist man mit einem Diesel unterwegs, nur leider selten in der Umweltzone. Bei den Benzinern sind die V6 den Vierzylindern vorzuziehen: Sie bieten mehr Power fürs gleiche Geld.