Citroën 2CV/Fiat 500/Renault 4: Classic Cars
Zwischen Uni und Demo mit 2CV, Fiat 500 und Renault 4
- Citroën 2CV, Fiat 500 & Renault 4 im Classic Cars-Vergleich
- Entschleunigung mit dem Citroën 2CV
- Passüberquerung mit dem Fiat 500
- Die Kompaktheit des Fiat 500
- Der Fiat 500 und die "68er-Bewegung"
- Der Renault 4 nicht nur mit Transport-Talenten
- Für und Wider des Renault 4
- Citroën 2CV, Fiat 500 und Renault 4 weiter in Action
- Technische Daten Citroën 2CV, Fiat 500 & Renault 4
- Fazit
Ob zur Vorlesung, zur Demo oder ins Grüne – die Fortbewegungsmittel des akademischen Nachwuchses von einst sollten nicht viel kosten, durften aber gern Charakter haben. Der Classic Cars-Vergleich bietet einen Blick in den Rückspiegel auf Citroën 2CV, Fiat 500 und Renault 4.
Es liegt in der Natur der Sache: Damals wie heute hungern die Geister der gemeinen Studiosi nach Erkenntnisgewinn. Doch auch die Sinne verlangen stets nach Horizonterweiterung – und zwar jenseits schmuckloser Hörsäle und einschläfernder Vorlesungen. Dazu dienten dem akademischen Nachwuchs in den vergangenen Jahrzehnten Mobile wie Citroën 2CV, Fiat 500 oder Renault 4 – sie waren kostengünstig und mehr oder weniger praktisch. Mit ihnen lässt sich die Welt sogar in der Gegenwart noch bereisen, wenn auch in viel gemächlicherem Tempo als heute üblich. Unsere Fotomodelle haben zusammen bereits 144 Lenze auf dem Blech. Dennoch sind sie mit ihrer Art der Fortbewegung für alle, die der Penetranz von Effizienz-Junkies, Selbstoptimier:innen und des sich immer schneller drehenden Hamsterrads überdrüssig sind, auf der Höhe der Zeit: Stichwort Entschleunigung. Nehmen auch Sie sich doch einmal die Muße, ganz tief durchzuatmen und kommen Sie mit auf unsere Zeitreise mit dem Mini-Trio Citroën 2CV, Fiat 500 und Renault 4! Mehr zum Thema: Unsere Produkttipps auf Amazon
Der Fiat 500 (2020) im Video:
Citroën 2CV, Fiat 500 & Renault 4 im Classic Cars-Vergleich
Jahrzehntelang war die "Ente", wie der Volksmund den Citroën 2CV nannte, auf den Universitätsparkplätzen eine feste Größe – lange bevor Elektroroller und Lastenfahrräder begannen, ein neues Zeitalter der Mobilität zu beschwören. Aus jener Zeit hat Britta Becker ein besonders seltenes Exemplar mitgebracht: einen 2CV AZAM aus dem Jahr 1965, der nur in Belgien produziert und verkauft wurde. AZAM steht für eine besonders luxuriöse Ausführung. "Chromkeder im Fenstergummi, Stoßstangenbügel und eine durchgehende Sitzbank werten dieses Modell auf", erklärt die stolze Besitzerin und verweist auf eine weitere Besonderheit: "Die Form des dritten Seitenfensters gab es so nur bei der AZAM-Ente." Trotzdem bleibt der Charme des Puristischen erhalten. Der Mini-Tacho, eine einstellige Zahl an Schaltern und Hebeln sowie Belüftungsklappen unter der Windschutzscheibe, die ein elektrisches Gebläse erübrigen sollen, dokumentieren den Minimalismus des "Döschwo" auch in der Luxusvariante. Der findet sich obendrein unter der Haube des Citroën 2CV. Hier versammeln sich gerade mal 16 Pferdestärken, mit denen man es seeeehr gemächlich angehen lassen muss – ein ähnlicher Wert wie im Fiat 500, aber nur etwa die Hälfte vom Renault 4.
Entschleunigung mit dem Citroën 2CV
Um es vorwegzunehmen: Hektisches Hantieren mit der Revolverschaltung hat beim Citroën 2CV keine beflügelnde Wirkung. Das blecherne Federvieh bleibt bei verhaltenem Temperament. Der schnatternde, luftgekühlte Zweizylinder-Boxer gibt dir zu verstehen, dass ER sein Ding macht und DU sie alle ziehen lassen sollst: moderne Kleinwagen, Handwerkerpritschen, Renault 4, ja selbst die unbeladenen Scania. Orientiere dich an Rentner:innen auf Zweitaktrollern mit Einkaufstüten am Lenker. DAS sind deine Gegner – oder auch nicht, denn nach wenigen Kilometern arrangierst du dich, findest deinen inneren Frieden und freust dich über die Sonne, die durch das geöffnete Faltdach den Innenraum wärmt. Du nimmst die abenteuerliche, aber ungefährliche Seitenneigung in Kurven als gottgegeben und die Schaukelei auf Bodenwellen mit einem Lächeln. 425 Kubikzentimeter – etwas weniger als beim Fiat 500 – können durchaus beruhigen. Ruhe herrschte Mitte der 60er-Jahre auch noch an den meisten Universitäten. Studierende siezten sich vielfach und ließen den Muff unter den Talaren von den "Magnifizenzen" und "Spektabilitäten", wie das Führungspersonal der Universitäten hieß, wabern. Doch es brodelte bereits auf den unbequemen Hörsaalbänken und in den Citroën 2CV. Alt-Nazis waren oft wieder in hohe Ämter gelangt, und unter die dunkle Vergangenheit wollte das Establishment am liebsten einen Schlussstrich ziehen, was die zunehmend politisch interessierte Studentenschaft wenig später auf die Straßen und die Barrikaden brachte.
Passüberquerung mit dem Fiat 500
Auf dem innerstädtischen Asphalt war auch der Fiat 500 – als Nachfolger des Topolino – schon seit 1957 unterwegs und dort ob seiner Wendigkeit bestens aufgehoben. Christina Beidenassels Nuova 500 stammt aus der Serie F, die von 1965 bis 1972 vom Band lief. Perfekt restauriert erstrahlt er in kräftigem Rot und hebt sich somit vom abgelichteten Citroën 2CV und Renault 4 ab. "Ich habe mir damit einen Traum erfüllt", begründet sie den Kauf. "Meine Mutter hat oft von ihrer Reise zusammen mit meiner Urgroßmutter in einem Fiat 500 nach Italien über den Reschenpass geschwärmt." Die Erzählung war unverkennbar prägend für ihre spätere und bis heute andauernde Liebe zu Italien, denn inzwischen besitzt Christina auch noch eine Ape. Mit seinen 18 Pferden aus 500 Kubikzentimetern rangiert der Fiat auf ähnlichem Leistungsniveau wie die Ente – selbstredend bei deutlich geringeren Abmessungen. Im Innenraum haben 1,80-Meter-Menschen des Öfteren Kopfkontakt mit dem Dach. Das Fahrerlebnis startet beim Fiat 500 mit dem Zug am Starterhebel zwischen den Vordersitzen.
Die Kompaktheit des Fiat 500
Vorsicht, das Getriebe des Fiat 500 ist nicht synchronisiert. Der Umgang mit dem Schalthebel des Viergang-Getriebes und die rechte Dosierung von Zwischengas will ein wenig geübt sein. Subjektiv fühlt sich der Fiat-Parallel-Twin im Heck recht kräftig an, auch wenn er in freier Wildbahn nur mit Anlauf auf seine 100 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit kommt und sich damit zwischen dem Citroën 2CV und dem Renault 4 einordnet. Sein Revier ist eher die City, in der er mit ausgeprägten Nickschwingungen an der Vorderachse über die innerstädtischen Lebensadern wippt und beim Kolonnenspringen mächtig Spaß bereitet. Währenddessen agiert der Fahrer oder die Fahrerin, auf Tuchfühlung mit dem Beifahrer oder der Beifahrerin sitzend, auf Augenhöhe von Lkw-Radmuttern. Unschlagbar ist die Parkplatz-Tauglichkeit, was bei gerade mal 2,97 Metern Außenlänge nicht verwundert. Abmessungen und Leergewicht (590 Kilogramm) luden seit jeher auch zu Schabernack ein. So erinnert sich der Verfasser dieser Zeilen, wie er in einem Anfall von jugendlichem Übermut zusammen mit zahlreichen anderen kräftigen Händen den Fiat 500 eines Querulanten-Nachbarn in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in dessen Vorgarten hob. Was für ein Spaß, den Choleriker am nächsten Morgen vor Wut schäumend und Rumpelstilzchengleich durch den Garten springen zu sehen.
Der Fiat 500 und die "68er-Bewegung"
Christinas Fiat 500 stammt aus dem Jahr 1967. Zu dieser Zeit wurde aus dem spaßigen Studentenleben blutiger Ernst. Am zweiten Juni des Jahres tötete der Polizist Karl Heinz Kurras während einer Demonstration gegen den Besuch des persischen Schahs Mohammad Reza Pahlavi den unbewaffneten Studenten Benno Ohnesorg mit einem Schuss in den Hinterkopf. Dies verlieh nicht nur der APO, die sich als Reaktion auf die erste große Koalition ein Jahr zuvor formierte, großen Auftrieb. Fortan radikalisierte sich die Studentenbewegung und schreckte auch vor Gewalt nicht zurück. Straßenschlachten samt Einsatz von Wasserwerfern waren an der Tagesordnung. Die rebellierende Studentenschaft, später als "68er-Bewegung" bezeichnet, lehnte sich gegen den Vietnamkrieg und das kapitalistische Gesellschaftssystem auf. Zu dieser Zeit hatte sich der Dritte unseres Trios, der Renault 4, längst als praktisches und günstiges Studentenauto etabliert und der Citroën 2CV war bereits seit knapp zwei Jahrzehnten auf dem Markt. Seit 1961 auf den Straßen unterwegs, bewährte sich der aus heutiger Sicht etwas kauzige Renault 4 TL mit seiner Kombikarosserie und der umklappbaren Rücksitzbank tausendfach als Personen- und sogar als Sperrgut-Transporter.
Der Renault 4 nicht nur mit Transport-Talenten
Und weil die Studentenbewegung nicht nur ernste Themen im Fokus hatte, sondern auch die freie Liebe propagierte, ließ sich der Renault 4 – kurz R4 – außerdem für Dinge nutzen, die den Augen und Ohren der genussfeindlichen, erzkonservativen Zimmerwirtin verborgen bleiben sollten. Der R4 TL von Holger Pfefferle ist ein relativ später Vertreter seiner Baureihe, die von 1961 bis 1992 von den Bändern lief. Er stammt aus dem Jahr 1981. Der Farbton „Stahlblaumetallic“ kostete damals 250 Mark extra und hätte auch problemlos zu früheren Baujahren gepasst. „Ich habe ihn quasi vor der Schrottpresse gerettet“, beschreibt Pfefferle seinen Weg zum R4. Einmal ein bisschen am Chassis geschweißt und teillackiert – das genügte, um den ehemaligen Daily Driver wieder nahezu makellos dastehen zu lassen. Im Jahr 2009 war der kleine Renault ursprünglich als "Abwrackprämien"-Auto vorgesehen gewesen. Ein weiterer Beleg für den mehr als zweifelhaften Umweltnutzen dieser Subventionsmaßnahme. "Befeuert" von einem 34-Pferdestärken-Aggregat mit 845 Kubikzentimetern Hubraum, das ab 1968 im Programm war, ist er nicht nur der kräftiger als Citroën 2CV und Fiat 500, sondern auch moderner, was man beim Fahren spürt. Die Federung des Renault 4 sorgt auch heute noch für ordentlichen Reisekomfort, und die Pistolenschaltung funktioniert wie am ersten Tag.
Für und Wider des Renault 4
Beim Beschleunigen reißt der Renault 4 zwar keine Bäume aus, sondern bestenfalls Sträucher, was aber flott genug ist, um gut im Überlandverkehr mitschwimmen zu können. Auch auf die Autobahn traut sich Pfefferle. "Ein Reisetempo von 115 Kilometern pro Stunde ist problemlos möglich." Die vier Trommelbremsen verlangen zwar einen beherzten Tritt, verzögern dann aber wirkungsvoll. Der Clou: Als "später" Vertreter verfügt der Renault 4 schon über den Plastikgrill in der Front, der allerdings nicht bei allen Renault-Fans Wertschätzung erfährt. Dafür behielten seine Scheinwerfer aber die per Hebel einstellbare Leuchtweitenregulierung des Vorgängers, mit der sich der Lichtkegel des Fahrlichts an die Beladung anpassen lässt. Und die Studentenschaft in dieser Zeit? Die hatte 1981 längst neue Themen besetzt. Großdemonstrationen, an denen inzwischen nicht mehr nur Studenten teilnahmen, richteten sich gegen die Gefahren der Atomenergie und das Kernkraftwerk Brokdorf. Und auch die erstarkende Friedensbewegung war ein großes Thema auf dem Campus. Der Nato-Doppelbeschluss, der die Stationierung neuer Mittelstrecken-Atomraketen und Marschflugkörper in Westeuropa als Antwort auf die Aufrüstung des Warschauer-Pakts erlaubte, trieb etwa am 10. Oktober 1981 in Bonn 300.000 Menschen zur Gegendemonstration auf die Straße.
Citroën 2CV, Fiat 500 und Renault 4 weiter in Action
Im Rückblick waren das sehr bewegte Zeiten, die Citroën 2CV, Fiat 500 und Renault 4 zigtausendfach begleiteten. In Bewegung bleiben sollen die drei nach dem Willen ihrer Eigner übrigens weiterhin. Holger Pfefferle und Britta Becker wollen ihre Autos nach wie vor auf gemütlichen Ausfahrten genießen. Christina Breidenassel hat dagegen mit ihrem kleinen Fiat 500 Großes vor: "Mein Plan ist es, mit meinem 500 per Autoreisezug nach Verona zu fahren und auf den Spuren meiner Mutter und Urgroßmutter von dort über den Reschenpass zurückzukehren." Auch wenn eine solche Aktion wohl etliche Urlaubstage benötigen dürfte: Die große, weite Welt in kleinen Autos zu entdecken, hat bis heute nichts von ihrem Reiz verloren.
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Technische Daten Citroën 2CV, Fiat 500 & Renault 4
Classic Cars 04/2022 | Citroën 2CV AZAM | Fiat Nouva 500 | Renault 4 TL |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 2/2 | 2/2 | 4/2 |
Hubraum | 425 cm³ | 499,5 cm³ | 845 cm³ |
Leistung | 12 kW/16 PS | 13 kW/18 PS | 25 kW/34 PS |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 29 Nm 3500/min | 30 Nm 2200/min | 58 Nm 2500/min |
Getriebe | Viergang-Schaltgetriebe | Viergang-Schaltgetriebe | Viergang-Schaltgetriebe |
Antrieb | Vorderrad | Hinterrad | Vorderrad |
L/B/H | 3820/1480/1600 mm | 2970/1320/1405 mm | 3668/1485/1550 mm |
Leergewicht | 535 kg | 590 kg | 695 kg |
Bauzeit | 1949-1990 | 1957-1975 | 1961-1992 |
Stückzahl | 5.063.221 | 3.893.294 | 8.135.424 |
Höchstgeschwindigkeit | 95 km/h¹ | 100 km/h¹ | 116 km/h² |
Verbrauch | 6-7 l/100 km¹ | 5,5 l/100 km¹ | 7,3 l/100 km² |
Grundpreis (Jahr) | 4490 Mark (1965) | 3390 Mark (1967) | 9290 Mark (1981) |
¹Werksangaben, ²AZ Ausgabe 18/1981
Mit günstigen Anschaffungs- und Unterhaltskosten fuhren sich Citroën 2CV, Fiat 500 und Renault 4 über die Jahrzehnte in die Herzen nicht nur mobilitätsbedürftiger Student:innen. Die "Ente" überzeugte als entschleunigendes Nonkonformisten-Mobil, der Fiat als platzsparendes City-Auto und der R4 mit seiner Transportkapazität. Obwohl in der Mehrzahl verbraucht und entsorgt, sind sie auch heute noch ein Stück liebenswerter Automobilgeschichte.