Corvette Cabrio/Porsche 911 Cabrio: Test Cabrios von Chevy und Porsche
Selbst bei minus zwölf Grad Celsius und geöffnetem Verdeck ist die Fahrt in Cabrios der 400-PS-Liga eine extrem heiße Angelegenheit – tiefgekühlte Ohren ausgeschlossen. Test Biturbo-Porsche 911 Carrera S gegen Chevrolet Corvette C7 mit Small-Block-V8.
"Ach, die Corvette", heißt es oftmals verächtlich, wenn es am Stammtisch um ernsthafte Gegner für die europäische Sportwagen-Phalanx geht. "Zu einfach, zu günstig, zu amerikanisch." Doch wenn es ein Ami wirklich mit diesen Rundstreckenhelden aufnehmen kann, dann ist das die Chevrolet Corvette. Denn der Gegner kommt diesmal aus Zuffenhausen und wurde jüngst überarbeitet: Die Facelift-Version der Porsche 991-Generation rollt als 911 Carrera Cabriolet in der S-Version mit 420 PS starkem Dreiliter-Biturbo-Boxer als Tester auf den Redaktions-Parkplatz – inklusive Doppelkupplungsgetriebe. Auch die Corvette C7 Stingray bedeckt uns mit Textil, unter der Haube unseres zweiten Testwagens arbeiten der 466-PS-V8 und eine Achtstufen-Automatik. Die schaltet verschliffen oder in den Sport-Modi auch zackig und sorgt für niedrige Drehzahlen: Bei Tempo 100 sind es in der höchsten Stufe bloß 1400 Touren, entspannte 2700 Kurbelwellenumdrehungen liegen bei 200 km/h an. So taugt der Flachmann Chevy Corvette auch für lange Etappen ohne Ohrensausen, der Tankstopp ist erst nach 560 Kilometern fällig. Zwar ist die Vette C7 trotz Zylinderabschaltung im Teillastbereich kein Kostverächter und genehmigt sich im Test 12,5 Liter Super auf 100 km. Allerdings liegt sie damit nur knapp über dem Prüfstandsverbrauch aus dem Prospekt. Außerdem wurde der Small-Block-V8 auch nicht zum Spritsparen konzipiert.
Bildergalerie: Corvette Stingray Cab vs. 911 Carrera S Cabrio
Corvette Stingray dem Porsche 911 dicht auf den Fersen
Der hinter der Vorderachse installierte Motor startet mit bassigem Gebrüll, und nach einer kurzen Aufwärmphase kommt der mit 11,5:1 recht hoch verdichtende V8 wieder zur Ruhe – jedoch nur kurz, denn wir erhöhen den Schalldruckpegel gleich wieder per Fingerdruck auf dem Touchscreen im Motorsound-Management-Menü. Klappenauspuff auf "Rennstrecke", und los geht’s. Im Stand gluckern die vier Endrohre des Testwagens wie eine alte Hafenbarkasse, in Fahrt aber entwickelt der V8-Zylinder mit der Zündfolge 1-8-7-2- 6-5-4-3 seinen unvergleichlichen Klang – von tiefrequentem Wummern bis zu sägendem Schreien. Der Antritt ist spontan, die Kraftentfaltung ziemlich linear, mit zunehmender Drehzahl heftiger. 4,4 Sekunden vergehen beim Standardsprint, bis 200 km/h sind es 14,3 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit der Corvette Stingray gibt Chevrolet mit 280 km/h an. Tempo 304 soll das neue Porsche Carrera S Cabriolet schaffen – und das glauben wir sofort, denn schon der Antritt des Biturbo-Boxers mit sechs Brennräumen ist fulminant. Mit PDK-Launch-Control und Sport-Chrono-Paket brennt der Hecktriebler im Test eine 3,8-Sekunden-Zeit in die Sprintbahn. Neuerdings schaltet das im Rahmen des Facelifts überarbeitete Getriebe beim Zug am Wählhebel hoch und beim Drücken wieder herunter – im Einklang mit der Massenträgheit. So gehört sich das für ein Fahrzeug, dass irgendwo zwischen Straßensport und Rennabteilung wandelt. Quasi ansatzlos reagiert das intern 9A2 genannte Aggregat mit den beiden Borg-Warner-Ladern auf den kleinsten Gaspedaldruck und macht die Zeiten vergessen, als man sich mit dem Sauger schon mal mit flinken Gangwechseln gegen die mit massig Drehmoment besattelte TDI-Truppe wehren musste. Trotz besserer Fahrleistungen und fulminanter Leistungsentfaltung: Ganz freiwillig hat Porsche den alten Sauger nicht pensioniert. Denn in Zeiten verschärfter CO2-Anforderungen musste eine Lösung her. Dass unser getestetes 911 Carrera S Cabriolet knapp einen Liter Super Plus mehr als das handgeschaltete Coupé aus der letzten Ausgabe benötigt, ist dem höheren Gewicht des Stoffdach-911, weniger Verkehr beim Vollgas-Anteil und den niedrigeren Temperaturen geschuldet. Trotz Sportabgasanlage mit Klappenauspuff (2606 Euro) kommt der Elfer klanglich nicht an die Saug-Aggregate der Vorgänger-Generationen heran, die das gesamte Spektrum von heiser bis schrill beherrschten.
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Corvette vs. 911: Begehrlichkeit vs. routinierte Perfektion
Wieder einmal hat Porsche alles in den Testwagen gepackt, was das Fahrdynamik-Regal hergibt – zum Beispiel Karbon-Keramik-Bremsen, aktive Motorlager oder die Hinterachslenkung. Doch die Corvette Stingray C7 ist dem Elfer dicht auf den Fersen, verliert auf dem Handlingkurs nur fünf Zehntelsekunden, wedelt durch die Slalomgasse im Schnitt nur 0,8 km/h langsamer. Spätestens die Bremsmessungen dürften alle Zweifler überzeugen: Auch hier ist der Abstand zum Porsche mit 33,9 und 32,0 Metern (kalt/warm) nur minimal. Die kleinen Test-Unterschiede zeigen sich erst subjektiv und im Grenzbereich, wenn der Porsche noch spontaner und direkter einlenkt, dem Fahrer mehr Rückmeldung und das Gefühl gibt, eine Spur fester mit dem Asphalt verbunden zu sein. Auch die Corvette reagiert ziemlich aufgeweckt auf jeden noch so kleinen Lenkimpuls – wahlweise in vier Modi mit unterschiedlich starken Lenkkräften. Jedoch ist der Kampf um die letzten Hundertstel mehr Arbeit, und am Kurvenausgang muss man bei deaktivierter Stabilitätskontrolle mit dem Gasfuß etwas sensibler agieren als im Porsche, damit die 285er-Michelin-Reifen nicht zu sehr schlupfen. Doch gerade dieser Kampf mit der Maschine ist es, der den Corvette-Charakter aus- und begehrenswert macht und die Perfektion des Elfers nach gewisser Zeit schon beinahe langweilig. Und weil der im Test-Trimm im Vergleich zum 911 Carrera S rund 60.000 Euro günstigere Stingray so verdammt schnell und ausgewogen fährt, gibt es kaum mehr einen Grund, die Chevrolet Corvette C7 aus fahrdynamischer Sicht nicht ernst zu nehmen. Auch der Federungskomfort stimmt, wenn man den Ami im Eco- oder Tour-Modus bewegt. Dann reagieren die adaptiven Dämpfer in Verbindung mit den quer zwischen den Rädern liegenden Blattfedern ausgesprochen sensibel, machen das keilörmige Corvette-C7-Coupé zum angenehmen Alltagsbegleiter – ohne Rückenschmerzen. Die Sitzflächen des amerikanischen Testwagens dürften allerdings etwas breiter ausfallen und die dazugehörigen Seitenwangen mehr Halt bieten. Die Lehne hingegen bietet dem Torso mehr als ausreichend Platz und dank einstellbarer Wangen sowie Lendenwirbelstütze auf Knopfdruck eine angenehme Position – egal ob für die Langstrecke oder den Rundkurs-Ritt. Mit zwei anderen Tasten kann man die Lederstühle übrigens lüften oder beheizen (beides Serie) – was uns bei dieser Fotoproduktion gewissermaßen den Hintern gerettet hat. Porsche verlangt für solche Annehmlichkeiten oder eine Lenkradheizung viel Geld, genauso wie für die variablen Sportsitze, die man per elektrischer Einstellung zum Maßanzug für fast jede Körperstatur formen kann. Allerdings hat bereits die Elfer-Standardbestuhlung im Test sehr gute Komfort- und Dynamik-Eigenschaften.
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Mehr Raum im Porsche als in der Corvette
Auch ohne seine beiden Notsitze würde der Porsche 911 Carrera S die Corvette C7 im Karosserie-Kapitel nach Punkten schlagen. Grund dafür sind vor allem das trotz der geringeren Innenbreite bessere Raumangebot vorn, die umfangreichere Sicherheitsausstattung (siehe PDF-Dokument) und der höhere Qualitätseindruck. Doch die Corvette Stingray hat im Vergleich zu den vergangenen Generationen aufgeholt: Weniger Kunststoffe im Innenraum, peniblere Verarbeitung und die höhere Steifigkeit der Karosserie mit Kunststoff-/Karbonteilen sowie Alu-Rahmen zeugen vom Anspruch der Amerikaner, in Europa dauerhaft Fuß fassen zu wollen. Dass Porsche für den Carrera S einen Cabrio-Aufschlag von rund 13.000 Euro verlangt, ist beinahe unverschämt. Bereits ohne Extras kostet der Stoffdach-Elfer fast 40.000 Euro mehr als die offene Corvette – für die Hightech-Zutaten des Testwagens sind noch einmal 20.000 Euro fällig. Für die Corvette C7 Stingray spricht obendrein, dass die Garantiezeiten auf Technik und Mobilität ein Jahr länger gelten und der Wertverlust in Euro niedriger ausällt. Allerdings langt der Fiskus für den 6,2-Liter-V8 ordentlich zu, und die Vollkaskoversicherung ist für den Chevy fast doppelt so teuer wie für das Porsche-Cabrio 911 Carrera S.
Technische Daten | Chevrolet Corvette Stingray | Porsche 911 Carrera S |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | V8/2 | B6/4; Biturbo |
Hubraum | 6162 cm³ | 2981 cm³ |
Leistung bei | 343 kW/466 PS 6000 /min | 309 kW/420 PS 6500 /min |
Max. Drehmoment bei | 630 Nm 4600 /min | 500 Nm 1700 - 5000 /min |
Getriebe | 8-Stufen-Automatik | 7-Gang, Doppelkupplung |
Antrieb | Hinterrad | Hinterrad |
Höchstgeschwindigkeit | 280 km/h | 304 km/h |
Testwagen-Preis | 87.300 Euro | 147.301 Euro |
Trotz extrem hoher Preise setzt sich das Porsche 911 Carrera S Cabrio durch. Ausschlaggebend für den Testsieg sind der exzellente sowie effiziente Antrieb und die atemberaubenden fahrdynamischen Eigenschaften, die – garniert mit allerlei Technik aus dem Rennsport – in dieser Klasse nach wie vor ihresgleichen suchen. Allerdings lässt sich die Chevrolet Corvette Stingray Cabriolet nicht so leicht abschütteln, ist im Handling ganz dicht dran am Deutschen, bremst auf höchstem Niveau, bietet viel Komfort. Und all das zu einem sagenhaft attraktiven Preis.