Corvette C4/Porsche 928 S: Classic Cars
Corvette C4 trifft auf 928 S
Mann, da lacht einem das Testerherz in der Brust. Zwei Geräte wie die Chevrolet Corvette C4 und der Porsche 928 S stehen schließlich nicht alle Tage auf dem Classic Cars-Redaktionsparkplatz. Vergleich aus der AUTO ZEITUNG 08/1984!
Chevrolet Corvette C4 und Porsche 928 S rollen zum Vergleich an. Der eine in tiefem Schwarz mit knallrotem "Halbseiden"-Interieur. Der andere in dezentem Metallicblau und ebenso vornehm zurückhaltender Innenauskleidung. Womit wir schon bei der ersten Charakterleistung sind. Obwohl uns mehr oder minder wohlgesonnene Kritiker:innen für – vornehm formuliert – ein bisschen weltfremd erklärten, als das Testteam sich zum Vergleich der beiden Superstars anschickte, machten wir die Probe aufs Exempel. Denn die Kenndaten lassen einen Vergleich durchaus zu. So beflügelt beide Boliden ein V8-Motor mit sattem Hubraum. Der Porsche 928 S holt seine Leistung aus 4,7 Litern Hubraum, die Corvette kommt sogar auf 5,7 Liter.
Wer sich zum Kauf des einen oder anderen Stars entschließt, der sollte rund 100 Riesen locker auf den Tisch blättern können. Denn die Corvette C4 schlägt mit 98.500 DM zu Buche. Der 928 S kostet zwar nur 87.650 DM, bedient sich jedoch der:die Porsche-Interessent:in der Extras-Liste, wird die zu transferierende Summe schnell sechsstellig. Die Kontrahenten gerieten mit knapp 4,50 Metern Länge und rund 1,80 Metern Breite gleich ausladend. Sogar die Lebendgewichte differieren kaum. Erstaunlich jedoch, dass trotz identischer Ausmaße der Porsche 928 S weit bulliger als die Chevrolet Corvette C4 wirkt. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Corvette C4 & Porsche 928 S im Classic Cars-Vergleich
Dagegen präsentiert sich die Chevrolet Corvette C4 in ihrem Kunststoffkleid eleganter, fast ein wenig im Ferrari-Look. Kein Zweifel: Wer Wert auf äußere Erscheinung legt, wer mehr Café-Racing statt schnelle Fortbewegung schätzt, findet in der Corvette die Wunschpartnerin. Und wer darüber hinaus was für Ohrenschmaus übrig hat, kann sich in die seit 1983 produzierte Corvette vernarren. Wie der Achtzylinder losbullert, das macht an. Selbst niedrige Drehzahlen um 1500/min bescheren ein Sound-Erlebnis. Ob die zunehmend lärmempfindliche Umwelt das ebenso genießt, sei dahingestellt. Doch liegt die Musik des Amis in kaum nervenden Frequenzen. Wer dem V8-Konzert auch im Wageninneren lauschen will, kann dem Coupé mit wenigen Handgriffen – und zu lösenden Schrauben – das Targa-Dach abnehmen.
Porsches Superding spuckt nach außen hin weniger große Töne. Auch innen klingt der V8 wesentlich moderater. Aber dafür schwingt der Super-Porsche im Leerlauf in einer Frequenz, die Nachbarn an der Ampel mitschwingen lässt. Die Aufmerksamkeit, die der:die Corvette-Pilot:in auf sich zieht, wird dem 928 – leider, Gott sei Dank – nicht zuteil. Die nunmehr sieben Jahre alte 928-Silhouette reißt niemanden mehr vom Hocker. Zudem wirkt der Super-Porsche optisch eher dezent, das Interieur ebenfalls. Schöne, funktionelle Rundinstrumente, ein sachliches, gut beschriftetes Warnsystem, praktische Schalter – der Porsche 928 S strahlt schwäbische Wertarbeit aus. Nicht so praktisch hingegen sind die Notsitze des als 2+2-Sitzers ausgeschriebenen Porsches: Sie taugen kaum für Mitfahrer:innen und können eher als Ablage angesehen werden.
Corvette & Porsche mit V8-Motoren
Dagegen zogen die General-Motors-Stylist:innen bei der Gestaltung des Corvette-Interieurs alle Show-Register. Üppige Formen, aufreizende Farben, ein auf Effekte angelegtes Flüssigkristall-Cockpit, elektronisches Warnsystem — Corvette-Fahrenden strahlt es glitzernd und in Color entgegen. Die stilisierten Leistungs- und Geschwindigkeitskurven imponieren, zeigen aber im Gegensatz zu den vielen Ziffern wenig Sinnvolles an – sie erinnern mehr an ein Videospiel als an einen Sportwagen knapp unter der 100.000 DM-Marke. Über Sinn oder Unsinn derart potenter Fahrzeuge zu streiten erscheint müßig. Deshalb sind Vergleiche der Messwerte in erster Linie von akademischer Natur. So rennt der 310 PS (228 kW) starke Porsche 928 S mit Automatik 247 km/h schnell und schiebt den Stuttgarter mit brachialen 400 Newtonmeter über die Hinterräder voran. Im Stuttgarter arbeitet seit dem Modelljahr 1983 ein neuer Motor mit 10 PS Mehrleistung – zusammen mit der ebenfalls neuen Viergang-Automatikschaltung.
Er beschleunigt in 6,8 Sekunden auf Tempo 100. Die mit 201 PS (148 kW) trotz des über einem Liter größeren Hubraumes rund 100 Pferdestärken schwächere Corvette schafft dennoch beachtliche 233 km/h. Sie signalisiert mit serienmäßiger Automatik der Messapparatur einen 100-km/h-Wert von 7,4 Sekunden. Die immer noch ordentlichen 393 Newtonmeter Drehmoment des Chevrolet-Motors wirken allerdings neben denen des Porsches mager, reichen aber kurzzeitig für einen um eine halbe Sekunde schnelleren Sprint auf 40 km/h. Dank des serienmäßigen ABS-Bremssystems kommt der Porsche in Gefahrensituationen weit vor dem Amerikaner zum Stillstand. Die Corvette hat ebenfalls innen-belüftete Scheibenbremsen sowohl vorne als auch hinten, muss aber ohne einem elektronischen Bremskraftregler auskommen. Dass der Durst angesichts der leistungs- und hubraumstarken V8-Motoren nicht gering ist, war zu erwarten. Doch mit 16,7 Litern auf 100 Kilometern beim Porsche und satten 17,5 Litern bei der Corvette genehmigen sich die Boliden mehr als vermutet; vor allem der 928 S mit dem neuen Motor.
Unterschiede in der Fahrdynamik von C4 & 928 S
Der Porsche 928 S schüttelt in Sachen Fahrdynamik alles locker aus dem Ärmel, agiert souverän, fast wie eine perfekte Limousine. Die Chevrolet Corvette C4 gebärdet sich dagegen, als sei sie der teuerste Vibrator der Welt. Alles geht ruppiger zu, trotz der neuartigen Kunststoff-Blattfedern, die gegenüber der konventionellen Lösung langlebiger und günstiger sein sollen. Die Karosse schüttelt sich wie ein ungezähmtes Wildpferd. Auf topfebenen Pisten verhalten sich beide Superstars gutmütig. Reaktionen treten erst bei immens hoher Querbeschleunigung zutage.
Doch wehe, es kommen eine oder gleich mehrere Bodenwellen in die Quere. Da entwickelt die Corvette ein denkwürdiges Eigenleben. Der Porsche – übrigens mit 225/50 VR 16 identisch bereift wie der Amerikaner – quittiert solch Ungemach gelassener. Was auf beiden Seiten des Atlantiks gleichermaßen an Bedeutung gewinnt, ist der Leichtbau – die Umsetzung unterscheidet die Sportwagen. Während Porsche innen wie außen auf Leichtmetall setzt (Türen, Motorhaube und Kotflügel aus Aluminium, Motorblock und Zylinderköpfe aus Leichtmetall), verpackt die Corvette ihr Innenleben traditionell unter schwarz lackiertem Kunststoff. Abgesehen davon: Der 2+2-Sitzer von Porsche und die Corvette als purer Zweisitzer und Targa-Cabriolet haben auch keine gemeinsame Klientel.
Porsche 928 S mit technischer Perfektion
Der Ami im Europa-Look will anmachen, wie es im US-Showgeschäft guter Brauch ist. Er dürfte eine besondere Käuferschicht mit Sinn für Glanz und Glamour reizen. Er klingt besser, ist extravaganter gestylt und will nur auffallen. Im Vergleich zum zurückhaltenden Konkurrenten aus Stuttgart fehlt ihm allerdings der gewisse Feinschliff – egal ob bei Verarbeitung, Fahreigenschaften, Leistung oder Komfort. Der Amerikaner ist eben doch mehr Showcar als Sportwagen. Der 928 S hingegen fasziniert durch technische Perfektion, durch hohe Reisetauglichkeit, durch erstklassige Materialgüte – ein Limousinen-Ersatz von Porsche. Leider ist der Porsche zu wuchtig gezeichnet, wirkt dadurch weniger elegant und gleichzeitiger sperriger, als er in Wirklichkeit ist. Die Rundumsicht im 928 ist schlechter als die im Chevrolet mit aufgesetzter Glaskuppel auf dem Heck. Schlussendlich muss jede:r für sich entscheiden, in welchen Boliden er:sie 100.000 DM investiert. Denn vergleichen lassen sich die beiden Wagen trotz Ähnlichkeiten kaum. Beide bieten auf ihrem jeweiligen Gebiet ein gelungenes Fahrzeug – der eine als sportlicher Reisewagen, der andere als elegantes Showcar.
von Werner Müller
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