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Die Geschichte von Bugatti: Von Ettore bis Tourbillon

Bugatti, die schillerndste Automarke der Welt

Tim Neumann Redakteur
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Bugatti-Modelle stehen vor dem Chateau Saint Jean
Das Chateau Saint Jean in Molsheim (Frankreich) ist seit 1928 in Firmenbesitz und dient heute als Unternehmenszentrale. Foto: Bugatti
Inhalt
  1. Die Geschichte Ettore Bugattis beginnt in Italien
  2. Bugatti-Modelle siegen in Monaco und Le Mans
  3. Kreative Lösungen in der Weltwirtschaftskrise
  4. Der Anfang vom Ende: Jean Bugatti verunfallt tödlich
  5. Bugatti kehrt zu seinen italienischen Wurzeln zurück
  6. Die Ära Veyron und Chiron: VW holt Bugatti zurück nach Molsheim

Keine Automarke vereint Geschwindigkeit, Stil und Luxus derart verdichtet wie Bugatti. Wir blicken auf ihre Geschichte: Von Ettores Rennwagenschmiede bis hin zur Entstehung des Hypersportlers Chiron!

Bugatti ist womöglich das beste Beispiel für die Wirkung eines über 100 Jahre geschmiedeten Markenimages: Seit jeher umschwirrt den Autohersteller ein Hauch von Legenden, Sagen und Mythen. Vor unserem geistigen Auge sehen wir das von nebligem Morgendunst verschleierten Chateau Saint Jean im französischen Molsheim. Irgendwo dahinter durchbricht ein dröhnender Vorkriegs-Achtzylinder die gespenstische Stille. Oder ist es doch der brandneue V16 des Tourbillon, der im gut 100 m entfernten Atelier in die Fußstapfen des Chiron tritt?

Das verschlafene Städtchen im Elsass ist zwar heute wie vor gut 100 Jahren Dreh- und Angelpunkt von Bugatti, doch durch und durch französisch kann man das Unternehmen beileibe nicht nennen. Ettore Arco Isidoro Bugatti wird nämlich am 15. September 1881 in Mailand als waschechter Italiener geboren. Im Nachhinein erscheint es geradezu offensichtlich, dass der technisch hochbegabte, aus einer angesehenen Künstlerfamilie stammende Ettore einmal die schnellsten und schönsten Automobile seiner Ära verantworten wird.
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Die Geschichte Ettore Bugattis beginnt in Italien

Bereits mit 17 Jahren konstruiert Bugatti ein motorisiertes Dreirad, mit 19 folgt das erste selbst gebaute Auto Type 2 – auf dem er sogar ein Rennen gewinnt. 1902 lockt der Eisenbahnfabrikant De Dietrich den jungen Italiener ins Elsass, um als technischer Leiter die Automobilproduktion auszubauen. Nach nur zwei Jahren überwirft er sich mit seinem Chef und muss gehen. Das gleiche Schicksal erfährt Bugatti auch bei seinem nächsten Job. Dennoch gelingt es ihm 1907 bei der Deutz AG in Köln als Automobilkonstrukteur Fuß zu fassen. In Köln-Gremberghoven erinnert bis heute die Ettore-Bugatti-Straße an sein zweijähriges Intermezzo in der Domstadt, wo auch sein Sohn Jean Bugatti geboren wird.

Auch der große Motorenkonzern hat bald genug vom Eigensinn Ettore Bugattis und entlässt ihn. Mit einer horrenden Abfindung und einer jungen Familie im Gepäck zieht es den mittlerweile 28 Jahre alten Ingenieur zurück ins Elsass, wo er am 1. Januar 1910 in Molsheim seine eigene Automarke aus der Taufe hebt. Ganz nebenbei bemerkt: Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918 ist die Region Teil des Deutschen Reichs. Erst danach wird die von einem Italiener mit Kölner Geld gegründete Firma französisch. Weitere italienische und deutsche Kapitel sollten Jahrzehnte danach folgen. Dazu später mehr.

 

Bugatti-Modelle siegen in Monaco und Le Mans

In den Folgejahren kann sich Bugatti einen Namen unter den besten Rennwagen-Konstrukteuren der Welt machen. Endlich muss sich Ettore seine Entwicklungen nicht mehr vor Erlös-orientierten Chefs verteidigen. Bestes Beispiel: sein erstes Serienmodell, der Type 13, den er bereits in seinem Keller in Köln aufgebaut hat. Dessen Vierzylinder soll nicht nur dynamischen, sondern auch ästhetischen Ansprüchen gerecht werden. Und im Gegensatz zu den großen, schweren Bentleys fallen die Boliden aus Molsheim klein, wendig und filigran aus. Type 13, 35 und 51 dominieren in den 1910er-, 20er- und 30er-Jahren das Renngeschehen Europas und holen den Sieg beim allerersten Monaco Grand Prix.

Dass Bugatti auch ganz anders kann, zeigt sich 1928 mit dem Type 41 Royale: Der sechs Meter lange, etwa zwei Meter breite und gut drei Tonnen schwere Luxusliner stellt mit seinem 12,8-l-Achtzylinder alles bisher Dagewesene in den Schatten. Dessen Konstruktion geht auf Bugattis Sohn Jean zurück, den Ettore bereits im jungen Alter als seinen künftigen Nachfolger aufgebaut hat. Jean Bugatti gilt damals als mindestens ebenso talentiert wie sein Vater und zeichnet auch für Bugattis legendäre Entwürfe aus den 30er-Jahren wie dem Type 57 verantwortlich, der bis heute zu den am höchsten gehandelten Klassikern überhaupt gehört.

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Kreative Lösungen in der Weltwirtschaftskrise

Ettore und Jean Bugatti in einem Bugatti sitzend
Ettore und sein damals 15-jähriger Sohn Jean Bugatti 1924. Foto: Bugatti

Sein alter Herr muss indes mit den Banken um Kredite feilschen. Die Weltwirtschaftskrise 1929 hat Bugatti hart erwischt. So hat Ettore das Chateau Saint Jean in Molsheim als Empfang für seine erlesene Kundschaft erstanden und voller Optimismus knapp 100 Motoren für den extrem teuren Royale fertigen lassen, aber nur vier Autos absetzen können – in neun Jahren. In einer Mischung aus cleverem Geschäftssinn und hohem Einfallsreichtum wird er die vielen Reihenachtzylinder 1935 doch noch los: Neben dem Rennwagen-Geschäft hat sich die Marke ein zweites Standbein mit der Herstellung von Hochgeschwindigkeitszügen für die französische Staatsbahn aufgebaut. In den Triebwagen passen zwei bis vier der Royale-Motoren, die den Zug auf bis zu 192 km/h beschleunigen.

Auch Rennboote und sogar ein Flugzeug finden sich zwischen den unzähligen Konstruktionszeichnungen in Molsheim – doch der Fokus bleibt weiterhin auf der luxuriösen und vor allem ultraschnellen Fortbewegung auf vier Rädern. Das bekräftigt auch Jean Bugatti, der nach dem Generalstreik Frankreichs 1936 die Zügel des Unternehmens in die Hand nimmt. 1937 siegt Bugatti erstmals bei den 24h von Le Mans mit dem Type 57G "Tank", dessen Spitzname an die Stromlinienkarosserie angelehnt ist, die entfernt an einen Panzer erinnert. Zwei Jahre später gelingt die Wiederholungssieg, auf den nur ein Tag später die größte Tragödie der Unternehmensgeschichte folgt: Bei einer Testfahrt mit ebenjenem Bugatti Tank prallt Jean unweit von Molsheim gegen einen Baum, nachdem er einem Fahrradfahrer ausweichen musste.

 

Der Anfang vom Ende: Jean Bugatti verunfallt tödlich

Das von Ettore Bugatti auferlegte Verbot, keine Rennen fahren zu dürfen, sollte nicht reichen. Jean stirbt mit 30 Jahren noch am Unfallort. Dunkle Wolken ziehen über dem Unternehmen auf, die mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs drei Wochen später zu einem schwarzen Loch mutieren, das die Firma vollends zu verschlucken droht. Der deutsche Blitzkrieg zwingt Bugatti wenige Wochen später zur Evakuierung des Geländes.

Als man sechs Jahre später ins Elsass zurückkehrt, ist die Welt eine andere: Die klassischen Sportwagen-Fahrgestelle mit opulenten Karosserien sind aus der Mode gekommen und für echte Neuentwicklungen fehlt das Geld. Zu allem Übel verstirbt auch Ettore Bugatti am 21. August 1947 im Alter von 65 Jahren, sein gerade einmal 25-jähriger Sohn Roland übernimmt die bröckelnde Marke mehr schlecht als recht. Bugatti hält sich noch bis 1963 mit Reparaturen der Vorkriegsmodelle über Wasser, dann gehen in Molsheim endgültig die Lichter aus.

 

Bugatti kehrt zu seinen italienischen Wurzeln zurück

1987, fast ein Vierteljahrhundert später, übernimmt der italienische Unternehmer und Bugatti-Sammler Romano Artioli die Marke und richtet ihr in Campogalliano, wenige Kilometer der Ferrari-Hauptstadt Maranello, eine neue Heimat ein. Der Umzug von Frankreich nach Italien ist ein wagemutiger, aber cleverer Schachzug. Im "Terra dei Motori" sind zahlreiche Sportwagen-Manufakturen angesiedelt, deren Mitarbeitende Artioli abwirbt, um den Supersportwagen Bugatti EB110 zu fertigen. Mit vierfach aufgeladenem V12 und Allradantrieb fegt er den Staub vom Markenlogo und krönt sich mit gut 350 km/h Höchstgeschwindigkeit zum schnellsten Serienauto der Welt.

Doch die Geschichte wiederholt sich: Auch der EB110 sucht in der finanziell angeschlagenen Weltwirtschaft vergebens nach Kundschaft. Nur gut 130 Exemplare entstehen, bis auch das italienische Intermezzo 1995 mit dem Bankrott der Firma endet. Dieses Mal währt der Dornröschenschlaf aber nur kurz: VW-Boss Ferdinand Piëch ersteht auf seiner Luxusmarken-Einkaufstour neben Bentley und Lamborghini 1998 auch Bugatti. Mit VW-Geldern darf die Firma wieder zu ihren Ursprüngen in Molsheim zurückkehren. Wenige Meter neben dem historischen Chateau errichtet man das Bugatti-Atelier in Form des Bugatti-Logos, wo ab 2005 der Veyron in unfassbar aufwendiger Handarbeit entsteht.

 

Die Ära Veyron und Chiron: VW holt Bugatti zurück nach Molsheim

Das Bugatti Atelier im Sonnenschein
Seit 2005 rollen aus dem neu gebauten Atelier Bugatti-Modelle der VW-Ära. Foto: Bugatti

Dank seines W16-Motors fährt das Hypercar einen Geschwindigkeits-Weltrekord nach dem Nächsten ein. Seine Nachfolge übernimmt der Chiron 2016, der über die Jahre in vielen verschiedenen Versionen für Millionensummen aus der Bugatti-Fabrik in Richtung Kundschaft rollt. Auch die Zahl an Sondermodellen nimmt zu: 2018 folgt der auf mehr Querdynamik ausgelegte Divo. Ein Jahr später zollt die Marke dem Type 57 SC Atlantic mit dem Einzelstück Bugatti La Voiture Noire Respekt. 2022 folgt der Centodieci, der an die Artioli-Ära erinnern soll. Die letzte Ausbaustufe des Hypercars mit W16-Motor markiert der Mistral – das erste Cabrio seit dem Veyron Grand Sport.

Für die Zukunft hat sich das Unternehmen 2021 neu positioniert. Gemeinsam mit der kroatischen Elektro-Supersportler-Schmiede Rimac hat man das Joint-Venture Bugatti-Rimac gegründet, dessen Vorsitz Rimac-Gründer Mate Rimac innehat. 45 Prozent der Anteile gehören Porsche, der Rest ist in kroatischer Hand. So sollen Hypercar-Synergien geschaffen werden, die wir erstmals am neuen Tourbillon zu spüren bekommen. Die Legendenbildung Bugattis macht also so schnell keine Pause mehr.

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