Bridgestone-Chef Mühlhäuser: Interview
"Nachhaltigkeit ist kein neuer Begriff"
Beim Ortstermin in der neuen Bridgestone-Firmenzentrale in Frankfurt spricht Managing Director Christian Mühlhäuser mit der AUTO ZEITUNG darüber, welchen Stellenwert das Thema Nachhaltigkeit für den Reifen-Giganten besitzt.
Herr Mühlhäuser, ist Nachhaltigkeit für Bridgestone ein relevantes Thema?
Es ist fest in unserer DNA verankert und genießt höchste Priorität. Wir sind uns bewusst, dass nur der achtsame Umgang mit der Natur und den Ressourcen die Grundlage für eine lebenswerte Zukunft kommender Generationen schafft. Mobilität und Logistik spielen in diesem Kontext wichtige Rollen, deshalb treiben wir den Wandel hin zu nachhaltigeren Lösungen über alle Bereiche im Unternehmen sehr engagiert voran. Als übergeordnete Leitlinie dient uns dabei das Bridgestone E8 Commitment, an dessen nachhaltigen Werten¹ wir alle strategischen Entscheidungen im Unternehmen orientieren. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Was passiert beim Reifentest? (Video)
Bridgestone-Geschäftsführer Christian Mühlhäuser im AUTO ZEITUNG-Interview
Was bedeutet "nachhaltig" für Sie persönlich?
Es bedeutet für mich genauso wie für unser Unternehmen, Verantwortung für die Umwelt und kommende Generationen zu übernehmen. Für mich ist Nachhaltigkeit ein ganzheitliches Konzept, das ökologische, soziale und wirtschaftliche Belange in Einklang bringt. Neben Umweltaspekten beinhaltet es auch, fair und respektvoll mit unseren Mitarbeitenden, Partnern und Kunden umzugehen. Es gilt zu jeder Zeit die Prämisse, langfristigen Wert für die Gesellschaft zu schaffen.
Würden Sie sagen, Nachhaltigkeit ist modern?
Nachhaltigkeit ist kein neuer Begriff, er beschreibt in der Forstwirtschaft das vernünftige und langfristig angelegte Nutzen einer Ressource, ohne dass diese zu Schaden kommt. Bei Bridgestone sind wir uns der begrenzten Ressourcen unseres Planeten bewusst und setzen uns dafür ein, mit diesen möglichst klug und verantwortungsvoll umzugehen. Das ist ein ständiger Prozess des Lernens und Optimierens. Es ist unser Ziel, bis spätestens 2050 eine wirklich nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu etablieren und in allen Bereichen klimaneutral zu agieren.
Wie gut kommen Sie auf diesem Weg voran?
Unsere Zwischenziele, die CO2-Emissionen gegenüber 2011 um 50 Prozent zu reduzieren und den Anteil von recycelten sowie erneuerbaren Materialien bis 2030 auf 40 Prozent zu erhöhen, haben wir teilweise heute schon erreicht.
Gilt das Bridgestone Reifen-Portfolio heute auch schon als "nachhaltig"?
Wir sind Innovationsführer, und unsere exklusiven Technologien sind zukunftsweisend. Ein Beispiel sind unsere Enliten-Reifentechnologien, die Nachhaltigkeit und Performance auf ideale Weise vereinen. Enliten ermöglicht herausragende Sicherheit und Leistung, während gleichzeitig CO2-Emissionen reduziert und Ressourcen effizienter genutzt werden. Unsere neuesten Reifen, der Bridgestone Turanza 6 und der Turanza All Season 6, sind die ersten Premiumreifen für den Ersatzmarkt, die mit diesen Technologien ausgestattet sind. Das alles geht nicht über Nacht, aber wir sind auf einem guten Weg und realisieren kontinuierlich Verbesserungen.
Verursachen nachhaltige Produkte in der Entwicklung höhere Kosten? Ist nachhaltiger immer auch teurer?
Nein. Man muss vielmehr gut darüber nachdenken und heute schon überlegen, wie man sich auf zukünftige Themen vorbereitet – auch das ist nachhaltig. Wer das nicht berücksichtigt, vergisst womöglich Komponenten und bekommt später Probleme. Man muss die Nachhaltigkeitsaspekte immer in einer guten Balance halten. Dabei hilft uns der E8-Wertekompass, der uns anhält, Dinge aus verschiedenen Richtungen zu betrachten. Das führt zu einem 360-Grad-Denken und fördert einen technologieoffenen Ansatz.
Welche Herausforderungen und Chancen birgt Nachhaltigkeit für Bridgestone?
Die Herausforderungen sind im Detail vielfältig. Elementar ist, nachhaltige Produkte zu entwickeln, die gleichzeitig zuverlässig höchste Performance und Sicherheit im täglichen Straßenverkehr liefern. Unsere große Chance sind unser technologisches Know-how und unsere traditionelle Innovationsstärke. Deshalb sind wir optimistisch, die Herausforderungen zu meistern und dabei ökologische und wirtschaftliche Aspekte in Einklang zu bringen.
Gehört dazu nicht auch, dass nachhaltige Reifen länger halten?
Nachhaltiger meint auch langlebiger, aber Sicherheit und Performance stehen für uns immer an erster Stelle. Doch wir optimieren zusammen mit unseren Partnern in der Autoindustrie zugleich kontinuierlich die Laufleistung.
Welche technischen Ansätze können die Nachhaltigkeit von Reifen steigern?
Neben der Enliten-Technologie sind etwa unsere luftlosen Konzeptreifen oder alternative Rohstoffe wie Guayule-Kautschuk weitere Beispiele für technische Innovationen zur Steigerung der Nachhaltigkeit. Die Entwicklung schreitet stetig voran, und die Möglichkeiten werden vielfältiger, deshalb investieren wir kontinuierlich in Forschung und Entwicklung. Es muss nicht nur eine Lösung geben, auch eine Vielzahl ist möglich.
Was hat es mit Guayule-Kautschuk auf sich?
Als Hightech-Unternehmen gehen wir die Aufgabenstellungen technologieoffen an. Wir analysieren und testen auch alternative Rohstoffquellen – wie Guayule-Naturkautschuk. Unsere Firestone Firehawk-Rennreifen für die US-Indycar-Serie zum Beispiel weisen bereits Seitenwände aus diesem Material auf. Dieser nachhaltige Rohstoff wächst in den kargen Wüstengebieten Amerikas, die Guayule-Sträucher sind hitzetolerant und trockenheitsresistent. Das ermöglicht den Farmern dort ein wirtschaftliches Arbeiten. Zuletzt haben wir Demoreifen entwickelt, die zu 75 Prozent aus recycelten und erneuerbaren Materialien bestehen, bis 2050 wollen wir zu 100 Prozent nachhaltige Materialien nutzen. Noch ist die Industrialisierung von Guayule-Kautschuk nicht umgesetzt, aber wir arbeiten bereits daran und entwickeln diese Reifen nicht nur für die Galerie.
Wie bereitet sich Bridgestone auf die strengen Vorgaben zur Feinstaub-Emission im Zuge der EU-7-Normierung vor?
Wir arbeiten aktiv an Prüfmethoden für den Reifenabrieb und engagieren uns unter anderem im Tire Industry Project des WBSCD (World Business Council for Sustainable Development). Unser Ziel ist es, die Umweltauswirkungen unserer Produkte weiter zu minimieren und nachhaltige Materialien zu erforschen.
Baut Bridgestone spezielle Reifen für E-Autos?
Ja, für die Erstausrüstung. Aber Bridgestone besitzt für den Ersatzmarkt im Bereich Pkw- und Transporterreifen ein durchgängig für Elektro-Fahrzeuge kompatibles Portfolio. Enliten stellt hier die nächste Entwicklungsstufe dar und steht für ein Technologie-Set, das es uns ermöglicht, hohe Nachhaltigkeits- und Performanceziele zu erreichen.
Spielt Nachhaltigkeit für Bridgestone über den Reifen hinaus eine Rolle?
Absolut. Wir haben uns verpflichtet, kontinuierlich auf eine umfassende Nachhaltigkeit hinzuarbeiten – mit Integrität und in Einheit mit unseren Kunden, Partnern und der Gesellschaft. Wir glauben, dass es unsere Rolle und Verantwortung als führendes Unternehmen in der Reifen- und Kautschukindustrie ist, Nachhaltigkeitsinitiativen entlang der gesamten Wertschöpfungskette voranzutreiben.
¹: Das Bridgestone E8 Commitment umfasst die Leitbegriffe Energy, Ecology, Efficiency, Extension, Economy, Emotion, Ease und Empowerment