Boschert B300: Mercedes 300 CE als Flügeltürer-Fiebertraum
Gerade in den 1980er-Jahren waren Tunern, Fahrzeugveredlern und Kleinserienherstellern keine Grenzen gesetzt, was sich in immer verrückteren Bodykits, Verspoilerungen, Turboaufladungen und Farbkombinationen materialisierte. Umso erstaunter musste das Publikum gewesen sein, als der Boschert B300 auf der IAA 1989 aufschlug. Selbst mit geöffneten Flügeltüren (Diese Tür-Varianten gibt es) strotzte das verkürzte C124er-Coupé vor Understatement, traf genau die nüchtern-mondäne Designsprache von Markenstilist Bruno Sacco und war doch keinesfalls eine Studie vom opulenten Mercedes-Stand.
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Worum handelte es sich also dann? Das damals nur Wenigen bekannte Unternehmen ging auf Industriedesigner Hartmut Boschert zurück, der offensichtlich Gefallen daran gefunden hatte, Mercedes-Modellen ein Stück ihrer Exklusivität zurückzugeben, die sie im Tausch gegen die finanziell verlockenden Skaleneffekte der Großserie verloren hatten. Dafür krempelte er nicht nur den Stern im Kühlergrill – auf augenzwinkernde Weise – komplett um, sondern gleich das ganze Auto. Für den B300 schnappte sich der Mann aus Emmendingen bei Freiburg einen Mercedes 300 CE (C124) und interpretierte das viersitzige Benz-Coupé völlig neu.
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Je länger man hinsieht, desto mehr hat der Boschert B300 zu bieten
Im Grunde blieb beim Boschert B300 optisch beinahe nur der Radstand unverändert. Spannend ist, dass viele der Modifikationen erst nach längerer Betrachtung so richtig ins Auge fallen. Zu den offensichtlichsten zählt natürlich die Frontmaske, die neben dem firmeneigenen Logo nun auch das Gesicht des im selben Jahr eingeführten Mercedes SL R129 trägt. Obwohl das einfach klingt, stecken doch unzählige Stunden Detailarbeit darin. So musste Boschert beispielsweise die Streben des Kühlergrills von Hand kürzen. Apropos kürzen: Das längliche 124er-Heck wurde drastisch eingekürzt und die C-Säule ganze 25 cm nach vorne versetzt, um das Ergebnis nicht stummelförmig wirken zu lassen. An den Karosseriearbeiten war unter anderem sogar der Outlaw der Designstudios, Zagato, beteiligt.

Den Innenraum schränkte der Eingriff kaum ein – im Grunde musste nur die damals noch heilige Hutablage dran glauben. Problematisch für die Rücksitze war eher nicht mehr nur die horizontale Enge, sondern auch der vertikale Restraum. Durch die auf Höhe der Sacco-Bretter ansetzenden Türschweller und der darüber lauernden C-Säule dürfte der Ein- und Ausstieg einer Showeinlage auf Lamborghini-Niveau gleichen. Dabei ergaben die kultigen und 1,66 m langen Flügeltüren mit elektrohydraulischer Betätigung und Zuzieh-Mechanik der S124-Kombi-Heckklappe nicht nur stilistisch Sinn: Die Verwindungssteifigkeit soll dank der verstärkten Holme sogar über der des Werkswagens gelegen haben.
Zwei Turbolader helfen dem Flügeltürer auf die Sprünge
Optimale Voraussetzungen, um auch dem Dreiliter-Sechszylinder eine der Optik des Boschert entsprechende Performance zu verpassen. Das Mittel der Wahl hieß natürlich "Turbolader" (So funktioniert ein Turbolader), allerdings als nicht ganz so hemdsärmelig wie in vielen anderen Sportlern der 80er. Scheinbar sah sein Schöpfer das mondäne Mercedes-Gefühl gefährdet, wenn er einfach einen riesigen Lader mit viel Bums und noch mehr Turboloch unter die Haube gepackt hätte. Stattdessen kamen im Boschert B300 zwei KKK-Turbos zum Einsatz, die ebenjenes Loch im Drehzahlkeller vermindern und gleichzeitig das Leistungsniveau der später vom Werk eingeführten V8-Modelle erreichen sollten. 283 PS (208 kW) lieferte das Tuning – immerhin 103 PS (76 kW) mehr als die Serie. Der 300-km/h-Tacho des Boschert war zwar leicht übertrieben, aber 258 Sachen soll der Flügeltürer schon erreicht haben.
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Eindrucksvoll mutet auch das Fahrwerk (Diese Fahrwerkstypen gibt es) des Boschert B300 an: An Bord befindet sich ein höhenverstellbares Sportfahrwerk, das die Firma gemeinsam mit Bilstein auf der Nürburgring-Nordschleife (Alles zu den Nürburgring-Touristenfahrten) verfeinert hatte. Die Person am Steuer wird in Kurven von den elektrisch verstellbaren SL-Sitzen gehalten, deren Gurtsystem wegen der fehlenden B-Säule notwendig geworden war. Mercedes-untypisch ist das eigens angefertigte Viergang-Getriebe (Das sind die No-Gos beim Schaltgetriebe), ebenso wie die fehlende Klimaanlage – eine gerade wegen der nicht herunterfahrbaren Seitenscheiben eher fragwürdige Entscheidung. Tatsächlich sollen sich die Fensterheber in der Entwicklung befunden haben, nur sollte es nie zur geplanten Kleinserienfertigung von 300 Exemplaren kommen.
Gut 100.000 Mark teurer als ein 300 CE von der Stange
185.000 Mark hatte Boschert für den B300 veranschlagt, damit war der Exoten-Benz doppelt so teuer wie ein Mercedes 300 SL (R129) und mehr als 100.000 Mark teurer als das Spenderfahrzeug Mercedes 300 CE. Der Hunger auf einen neuartigen Flügeltürer schien bei der Kundschaft nicht groß genug zu sein, immerhin hatte die Styling Garage wenige Jahre zuvor bereits zahlreichen Mercedes den ikonischen Türmechanismus verpasst. Das hier gezeigte und ebenfalls auf der IAA 1989 ausgestellte Fahrzeug blieb ein Einzelstück und machte seinen Sonderstatus bei einer RM Sotheby's Auktion im Jahr 2023 mit einem Preis von 455.000 Euro geltend.
Überraschenderweise konnte Boschert aber doch noch ein paar weitere Boschert B300er unters Volk bringen. Interessanterweise zwar nicht mit Flügeltüren, dafür aber mit der ansonsten unveränderter SWB-Optik und Vierventilmotoren, die mit Biturbo-Aufrüstung sogar 320 PS (235 kW) generierten. Danach verloren sich die Spuren von Hartmut Boscherts Firma jedoch endgültig.