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Die Autos der "Tatort"-Kommissar:innen: Diese Oldtimer sind dabei

Das sind die Marken der Kommissar:innen

Christian Steiger Freier Mitarbeiter
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Inhalt
  1. Mit Autos hat der "Tatort" zunächst wenig am Hut
  2. Kressin wechselt Sportwagen wie Frauen
  3. Die Autos müssen zum Charakter passen
  4. Anfangs fährt Schimanski noch Ford Granada
  5. Köln als "Tatort"-Hauptstadt straffälliger Oldtimer-Fans

Mord und Totschlag und kein Ende: Der größte Klassiker des deutschen Fernsehens ist fast 55 Jahre alt. Ein Rückblick auf die Geschichte des "Tatort" zeigt: Ohne Auto wären manche Ermittler so nackt gewesen wie Schimanski ohne Jacke.

Der Kerl trinkt, raucht wie ein Schlot, gibt einen Dreck auf Dienstvorschriften und ist auch sonst seiner Zeit voraus. Ein Typ wie Paul Trimmel könnte auch heute noch zum Team der kantigen "Tatort"-Kommissare gehören. Dabei ist er fast schon pensionsreif, als er am 29. November 1970 der erste "Tatort"- Kommissar wird. Sogar das Auto passt schon zur Filmfigur, von der eine große Tageszeitung schreibt, dass er Leben ausstrahle und nicht Literatur, vor allem aber den schalen Geschmack von Einheitslaufbahn und Gehaltsgruppe A 12: Trimmel fährt einen weißen Badewannen-Ford 17M. Der ist damals schon etwas aus der Mode und fügt sich deshalb perfekt ins Drehbuch des ersten "Tatort". In dem fährt Trimmel auf eigene Faust in die DDR, täuscht dort eine Panne vor, lässt die Badewanne stehen und steigt stattdessen ins Taxi nach Leipzig.
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Mit Autos hat der "Tatort" zunächst wenig am Hut

Es geht um ein Ost-West-Familiendrama, um ein totes Kind und die Kumpanei zwischen alten Kriminalbeamten, die sich aus Hitlers Reichssicherheitshauptamt kennen. Regionale Bezüge gehören von Anfang an in die "Tatort"-Drehbücher, aber auch aktuelle und gesellschaftskritische Stoffe. Bevor Trimmel 1982 endlich in den Ruhestand geht, kämpft er noch gegen palästinensische Attentäter, Flugzeugentführer, Organhändler und korrupte Bundesliga-Spieler. Mit Autos hat er weniger am Hut. Das erledigen in Zukunft seine Kolleg:innen und oft genug auch die Täter:innen – die wirklichen oder wahrscheinlichen, die sich durch die Wahl ihres Autos noch verdächtiger machen.

Der NSU Ro 80 gehört in den frühen "Tatort"-Folgen zum festen Inventar, wenn es darum geht, schillernde Figuren zu bewegen. Siegfried Rauch fährt ihn 1971 als mörderischer Schiffsmakler in "Kennwort Fähre", im selben Jahr auch der junge Götz George in "Blechschaden" als Provinz-Casanova einer norddeutschen Kleinstadt. Sein Gegenspieler, der Bauunternehmer, gespielt vom stimmgewaltigen Friedrich Schütter, fährt in der beigen Mercedes S-Klasse einen Jugendlichen zu Tode und flüchtet. Das findet aber erst Klaus Schwarzkopf als Kommissar Finke heraus, der in seinen sieben Dienstjahren nie einen Vornamen hat, aber fast immer einen Opel Rekord.

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Kressin wechselt Sportwagen wie Frauen

Fast alle frühen "Tatort"-Folgen laufen noch heute – nicht in der ARD-Mediathek, sondern auf YouTube. Es sind private Enthusiast:innen, die sie da in manchmal matschiger Bildqualität einstellen und den Blick auf die großen Unbekannten der "Tatort"-Frühzeit ermöglichen. Klar, Schimanski und sein Citroën CX sind unvergessen, aber wer kennt noch Kressin, gespielt von Sieghardt Rupp? Auch der gehört zur ersten Generation der "Tatort"- Kommissare, gedacht als deutscher James Bond mit Hang zu wechselnden Frauen und Sportwagen. Nein, als Beamter fährt er keinen 911, aber für ein weißes Porsche 356 C Cabriolet reichts, auch für einen Triumph TR 4A, MG MGB oder gar Sunbeam Tiger.

Dass er gar kein Kriminalbeamter ist, sondern Kölner Zollfahnder, stört damals keine Einschaltquote. Im Gegenteil: Wenn es Kressin krachen lässt, kostet ein "Tatort" 700.000 Mark – und beim Zoll machen sie Überstunden, weil so viele Bewerbungen kommen. Und doch ist der frühe "Tatort" ein Zufallsprodukt, auf dessen Zukunft die eigenen Macher:innen nicht wetten wollen. "So zwei Jahre hätten wir uns vorgestellt", meint der Programmdirektor des Süddeutschen Rundfunks auf der ersten, schlecht besuchten Pressekonferenz.

 

Die Autos müssen zum Charakter passen

"Taxi nach Leipzig" ist fertig produziert und eigentlich nicht als Serienauftakt gedacht, als der junge WDR-Dramaturg Gunther Witte den Auftrag bekommt, eine Konkurrenz zur ZDF-Serie "Der Kommissar" zu entwickeln. Es passiert, weil der philosophierende und kettenrauchende Erik Ode dem ARD immer mehr Zuschauer abnimmt. Dabei hatte das Erste in den 50ern den schnittigen Fernsehkrimi nach US-Manier erfunden. Auch bei "Stahlnetz" wechselten schon mit jeder Folge die Städte und die Kommissare. Und Autos waren fast immer dabei: Nächtliche Verfolgungsjagden mit nassem Asphalt und schweren Jungs im Opel Kapitän gehörten zu den "Stahlnetz"-Spezialitäten. Blöd nur, dass die Serie kurz vor dem "Kommissar" den 68ern zum Opfer fiel: Drehbuchautor Wolfgang Menge hatte fristlos gekündigt, weil er das Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten für "widerwärtig und abscheulich" hielt. Witte nimmt für den "Tatort", was er fertig im Filmschrank findet und scheut danach kein Experiment.

"Tote Taube in der Beethovenstraße" ist so ein Fall: Die Folge von 1972 ist ein greller Actionthriller, der in Amerika sogar im Kino läuft. Das genaue Gegenteil ist die autolastige Folge "Ein ganz gewöhnlicher Mord", den der junge Regisseur Dieter Wedel für Radio Bremen 1973 im lakonischen Stil einer Reportage inszeniert. Er vergisst nicht einmal das Püppchen am Rückspiegel des Mercedes 230.6, mit dem ein spießiger Textilvertreter, gespielt von Günter Strack, seinem Ende entgegenfährt. Vorher erzählt er seinen Mördern noch auf Hessisch, dass er "den Schlidde" günstig als Vorführwagen geschossen hat. Eine der Schlussszenen zeigt seine attraktive Frau, die ins Auto ihres neuen Partners steigt. Der ist jung, dynamisch und fährt einen BMW 02.

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Schon damals gilt: Die Autos müssen zum Charakter passen. Und: Die Hersteller dürfen dem "Tatort" zwar ihre Autos ausleihen, aber kein Geld dafür bezahlen. Denn das verbietet der Rundfunkstaatsvertrag: "Schleichwerbung, Produkt- und Themenplatzierung sind unzulässig", heißt es in dessen Paragraf 7. Das ändert nichts daran, dass Hansjörg Felmy der populärste Promi ist, der in den 70er-Jahren aus einem Audi steigt. Der bayrische Grantel-Kommissar Melchior Veigel, gespielt von Gustl Bayrhammer, fährt damals zwar auch BMW, aber er wechselt ständig die Modelle, was nicht im Gedächtnis bleibt. Der Essener Ermittler Haferkamp sitzt immer im monacoblauen Audi 80 L mit vier Türen, dessen Kennzeichen E-MJ 957 auch dann dasselbe bleibt, als die Urversion gegen das Facelift-Modell von 1976 ausgetauscht ist.

 

Anfangs fährt Schimanski noch Ford Granada

Haferkamp sieht aus wie ein Spießer, aber natürlich raucht er und trinkt und gibt einen Dreck auf Dienstvorschriften. Wenn er einsam ist, schläft er auch noch mit seiner geschiedenen Frau. Heute würden ihn die "Tatort"-Regisseure in einen Youngtimer setzen, einen Saab 900 etwa wie den Dortmunder Kripo-Kaputtnik Peter Faber oder einen Citroën XM wie Kommissar Falke aus Hamburg-Billstedt. In den 70ern geht das noch nicht, weil ältere Gebrauchtwagen beim Normalzuschauer nicht für Charakterstärke stehen, sondern für Finanzschwäche. Sie bleiben daher den "Tatort"- Figuren aus dem Proll-Milieu vorbehalten. Dort fühlt sich erst Haferkamps Nachfolger Horst Schimanski wohl, weshalb er 1981 noch keinen Citroën CX fährt, sondern – als Privatwagen – einen abgerockten Ford 20M P7. Schimmis früher Dienstwagen ist ein Ford Granada 2.0 in magerer Behörden-Ausstattung, der erst viel später als Youngtimer cool wird. Doch der CX ist es, der den bis heute wirksamen Schimanski-Effekt auslöst: kein Kommissar ohne Klassiker mit Charisma. 

Nach Duisburg entdecken sie das in Ludwigshafen, wo Lena Odenthal 1989 als junge Polizeibeamtin nicht aus dem üblichen Fiat Panda oder VW Polo steigt, sondern Citroën GSA fährt. Später kommt ihr Kollege und Freund Mario Kopper dazu, der Deutsch-Italiener mit der Automacke. Aber schon 2002 landet seine dunkelrote Alfa Romeo Giulia Super 1300 aus Versehen in der Schrottpresse – laut Drehbuch drei Tage bevor Kopper das H-Kennzeichen dranschrauben kann. Als er nach 21 Jahren den Dienst quittiert, erwischts in einer Crashszene auch den metallicgrauen Fiat 130, den er als Giulia-Nachfolger durch die pfälzische BASF-Metropole fährt. Ein Oldtimerfan rettet das ramponierte Requisit und restauriert es.

Der Fiat 130 statisch von hinten fotografiert.
Foto: dpa

Der "Tatort" lässt pro Folge bis zu 50 Menschen sterben ("Im Schmerz geboren", 2014), in Wahrheit aber keine Oldtimer mehr. Zwar erlöst der Kieler Kommissar Borowski, gespielt von Axel Milberg, seinen 1984er VW Passat CL Variant in "Borowski und der stille Gast" per Gnadenschuss, dennoch lebt das Auto in den Händen eines Sammlers weiter. Einzige Änderung zum Filmzustand: Mit Typschildern des VW Taro hat er ihn zum TATORT-PASSAT veredelt. Borowski fährt seitdem im Volvo 760 GLE weiter. Es ist schon der Zweite, der im "Tatort" zu sehen ist, aber das bemerkt der Zuschauer nicht: Weil der schwedische Leihgeber die rote Limousine nicht verkaufen will, sucht der Requisiteur ein anderes Pendant. Als er nirgendwo ein rotes Exemplar findet, nimmt er ein weißes und lässt es umlackieren. Auch in Münster greifen die Autobeschaffenden zu einem Trick und bauen einen Mercedes 200 Benziner von 1986 zum Taxi für den Hippie-Vater von Kommissar Frank Thiel um. Einen Diesel können sie für die Dreharbeiten nicht gebrauchen, weil sein Motor die Dialoge übernageln würde.

 

Köln als "Tatort"-Hauptstadt straffälliger Oldtimer-Fans

So viel Aufwand betreiben sie beim Kölner "Tatort" nicht: Die Kommissare Ballauf und Schenk, gespielt von Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär, wechseln die Oldtimer mit jeder Folge, weil Opel Rekord C, Lincoln Continental, Mercedes SLC und Chevrolet Corvette angeblich aus der Asservatenkammer kommen. Köln müsste damit die Stadt mit den weltweit meisten straffälligen Oldtimer-Besitzenden sein. Andererseits: "Mit dem üppigen Körper Schenks korrespondieren die nicht minder üppigen amerikanischen Wagen", argumentiert Professor Rolf Parr, Medienwissenschaftler der Universität Duisburg/Essen, in einem Vortrag. Und doch ist es noch glaubhafter, wie die Wiener "Tatort"-Kommissarin Bibi Fellner in ihren 1994er-Pontiac Firebird kommt: Sie hütet die "Schlampenschleuder" für "Inkasso- Heinzi", ihren Freund aus dem Milieu.

Der Pontiac Firebird statisch mit geöffneten Türen von vorne fotografiert.
Foto: AUTO ZEITUNG Archiv

Selbst der alte Dauerverdächtige NSU Ro 80 ist inzwischen bei den Ermittlern angekommen. "Eigentlich ist dieses Auto kein Auto, sondern eine charmante Ingenieursidee, die nie wirklich funktioniert hat", philosophiert Ulrich Tukur zu seinem "Tatort"-Debüt als Wiesbadener Kommissar Felix Murot. Mitten im Film tauscht er seinen Mercedes spontan gegen den silbernen NSU. Murot ist ein Feingeist, nicht nur das Auto unterscheidet ihn von Trimmel. Und doch: Murot trinkt und raucht wie ein Schlot. Und auch er gibt einen Dreck auf Dienstvorschriften … 

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