Kann das dicke SUV-Coupé BMW X6 M den flicken Kompaktsportler Audi RS 3 Sportback auf der Rennpiste in die Schranken weisen? Ein ungewöhnlicher Vergleich.
Von höherer Warte aus hat man bekanntlich immer einen besseren Überblick. Allerdings sieht man manche Details nicht mehr ganz so scharf. Darf man daraus schließen, dass es den auf ho?herer Ebene reisenden SUV-Besatzungen egal ist, was in den Niederungen passiert? Dass sie den Blick auf eben diese Details bewusst verweigern, weil ihnen dort ohnehin alles viel zu eingeengt und begrenzt vorkommt? An diesem Punkt müssen wir gedanklich etwas ausholen. Wie wir wissen, findet die große Freiheit zunächst im Kopf statt. Dort ist bei den meisten von uns ein automobiles Pflicht- und Unterhaltungsprogramm gespeichert, das dem eines normalen, bodenständigen Autofahrers in seiner Diversität weit übersteigt: nach Kompass den nördlichen Wendekreis entlang bis nach Wladiwostok fahren, mit der Großfamilie den hohen Atlas überqueren, Pferdeanhänger ziehen, Tempo-Attacken auf der Autobahn reiten, den entlegensten Skiort in den Alpen erklimmen, Eindruck vor dem Nobelhotel schinden und – last but not least – schnelle Runden auf dem Nürburgring drehen.
Der 575 PS starke BMW X6 M soll, so hört man, trotz seines rundlichen Buckels und ungeachtet seiner stämmigen Figur – wir reden hier von 2296 Kilogramm – über vorzügliche dynamische Anlagen verfügen, gerade auch was die Erfüllung des letzten Punktes angeht. Dieses breit angelegte SUV-Programm dürfte selbst den neuen Audi RS 3 Sportback, von der Form her unbestritten einer der praktikabelsten Sportwagen unter der Sonne, in seiner Variabilität und in seiner dynamischen Kompetenz doch etwas überfordern. Oder nicht? Aber immerhin verfügt auch der Audi über einen permanenten Allradantrieb. Er stellt bei umgelegter Rücksitzbank gleichfalls ein üppiges Ladevolumen von immerhin 1120 Litern zur Verfügung (X6 M: 1525 Liter) und bringt es, wie der X6 M, sogar auch auf eine Spitze von 280 km/h – mit "nur" 367 PS. Taucht man tiefer in das Zahlenwerk dieser beiden konzeptionell so unterschiedlichen Rivalen der Rennbahn ein, finden sich weitere frappante Ähnlichkeiten beim Audi RS 3 und dem BMW X6 M!
Angefangen beim Leistungsgewicht (4,0 kg/PS der BMW; 4,3 kg/PS der Audi) über das Beschleunigungsvermögen (BMW: 4,2 Sekunden bis 100 km/h: Audi: 4,4 Sekunden) bis hin zur Verzögerungsleistung von jeweils 11,7 m/s2. Aus Tempo 100 kommen beide bei warmer Bremse tatsächlich auf exakt gleicher Höhe nach nur 33 Metern zum Stehen. Und das trotz der extrem unterschiedlichen Größenverhältnisse und der um über 700 Kilogramm betragenen Gewichtsdifferenz. So bringt der Audi vergleichsweise bescheidene 1592 Kilo auf die Waage. Aber damit nicht genug: Der Riese X6 M überragt den neben ihm stehenden Zwerg RS 3 um nicht weniger als 278 Millimeter. Das muss in Summe – Stichwort: hohe Schwerpunktlage – doch zu dramatischen fahrdynamischen Differenzen führen, wenn nicht im Beschleunigungsvermo?gen oder beim Bremsen, so doch im Kurven-Fahrverhalten. Oder?
Ja, der Audi RS 3, ein wunderbarer, praktischer und vor allem durch den Fünfzylinder-Turbo begeisternder Kompaktsportler, ist schneller als das Schwergewicht BMW X6 M. Aber wie die Rundenzeiten vom Ring ausweisen, sind es gerade mal fünf Sekunden. Denn ungeachtet seiner Größe und Masse brennt das bayrische SUV-Coupé ein fahrdynamisches Feuerwerk ab, dass einem Hören und Sehen vergeht. Da beißt die Maus keinen Faden ab – die Vorstellungen von früher sind überholt. Merke: Es kommt nicht auf das Konzept an, sondern auf den, der dahintersteht.