In 25 Jahren hat der Audi TT Kultstatus erreicht, die Marke mit den vier Ringen definiert und sogar ein kleines Drama ausgelöst. Das Ende seiner Karriere feiern wir in artgerechter Haltung: auf geschichtsträchtigem Boden.
25 Jahre Audi TT feiern wir am Comer See
Mit sanftem Gasfuß das Drehmoment des Motors absurfen, mit präzisen Impulsen am Lenkrad die stetig öffnenden und schließenden Kurven am Ufer des Comer Sees einhegen – wie wir so im Audi TT von Lecco nach Bellagio schlängeln, gibt es einiges zu verarbeiten. Schließlich ist das hier unsere letzte Fahrt im TT – nach 25 Jahren Karriere in drei Modellgenerationen ist das kleine Fahrfreude-Coupé demnächst nur noch ein Fall für den Gebrauchtwagenmarkt oder gar fürs Museum. 1998 darf das Audi-Image noch als eher bodenständig-gutbürgerlich umschrieben werden. Man hatte zwar bereits "quattro" erfunden und aerodynamische Karosserien, aber selbst das spätere Durchstarten der TDI-Technik per Pumpe-Düse-Einspritzung noch nicht. Das Audi-Selbstbewusstsein war also weit entfernt von jeglicher Hybris, es muss enorme Visions-Energie und Überzeugungskraft gekostet haben, den Audi TT einer um Identität ringenden Marke als zukünftigen Design-Leuchtturm unterzuschieben. Der amerikanische Audi-Designer Freeman Thomas ließ sich die vom deutschen Bauhaus-Design inspirierten Linien des TT einfallen, das ein Vierteljahrhundert später immer noch modern wirkende Interieur stammte aus der Feder von Romulus Rost. Und Cheftrainer dieser hart nach vorn spielenden Truppe war seinerzeit Audi-Chefdesigner Peter Schreyer. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Der Audi RS 7 Sportback performance (2023) im Fahrbericht (Video):
Dass ein hingerissenes Publikum dem Audi TT-Konzeptauto ganze Blumensträuße zuwarf, mag Audi-intern die Entscheidung für eine Serieneinführung deutlich leichter gemacht haben. Die Konsequenz, mit der der TT dann aber als Coupé und Roadster – letzterer samt Ledersitzen mit Baseball-Handschuh-Design! – ganz dicht am ursprünglichen Design-Entwurf in Serie ging, reicht auch heute noch, um respektvoll den Hut zu ziehen. Dass die harten Fakten des TT – Fahrwerk und Motoren – aus dem VW-Konzern-Regal übernommen werden konnten, dürfte in jeder Hinsicht aber sein eigentliches Erfolgsmoment gewesen sein bei Kosten, Produktion, Wartung und Kundenzufriedenheit. Die kernig und schmucklos anreißenden 1,8-Liter-Vierzylinder-Turbos passten zum TT der ersten Generation charakterlich perfekt, den später angebotenen 3,2-Liter-VR6 musste man nicht haben, der machte den Audi TT kaum schneller, aber etwas kopflastig. Auch das Fahrwerk gab es in Teilen bereits bei VW und Audi, es musste nur in Sneaker schlüpfen und etwas sportlicher abgestimmt werden …
Erst der TT bringt Audi auf die Idee, man könne eine coole Marke sein
Aber Moment mal: Weil im Audi TT mit seinem kurzen Radstand und der in Sachen Anpressdruck unterentwickelten Karosserie plötzlich euphorisiert angasendes Publikum saß, wurde der Hoffnungsträger auf einen Schlag zur Skandalnudel: In Fahrsituationen, in denen schwere Gasfüße auf Kurven für Fortgeschrittene trafen, neigte der Wagen zu herben Heckschwenks. Erst eine kleine Spoilerlippe am Heck und ein rigoros eingreifendes ESP machten den TT zu jenem problemlosen Fahrfreude-Generator, als der er gedacht war. Dass der Name TT an die rabiaten Renntourenwagen auf Basis des NSU Prinz erinnern sollte, kann als gesetzt gelten: Ein fahraktives Coupé, das sich auf Rundstrecken mit größeren, renommierten Gegnern anlegt und dabei auf braven Alltagshelden basiert, ist schließlich eine ungemein mitreißende Geschichte. Und ein klein wenig auch das Profil des Audi TT: untendrunter Großserientechnik, arrangiert als feuchtfröhliche Jedermann-Fahrspaßparty, garniert mit dem gewissen Etwas. Ein TT eben.
Dass hinter dem namensgebenden NSU TT aber auch die Rennsiege der ehemaligen Auto Union-Motorradmarken NSU und DKW stecken, die bei der "Tourist Trophy" eisern mitmischten, wissen vermutlich nur Insider mit Zweirad-Faible. Deshalb für den Rest: Die Tourist Trophy auf der Isle of Man in der irischen See ist das älteste Motorradrennen der Welt, man fuhr auf Achse hin – daher der "Tourist" –, prügelte sich dann mit anderen Vollgas-Fans um eine "Trophy" und fuhr hinterher wieder brav nach Hause. Wenn es noch ging, denn die TT war und ist ein Schlachtfest und heute eines der gefährlichsten Rennen der Welt.
Wir buchstabieren TT auf Italienisch – am Circuito del Lario
Mit dem Audi TT hat das freilich nichts mehr zu tun. Und deshalb sagen wir auch nicht mit einer Ausfahrt zur Isle of Man Adieu, sondern bei einem wirklichen Besuch im Gestern. Unten am Comer See im Dreieck zwischen Lecco, Bellagio und Como gab es in den 1920er und 30ern eine der vielen anderen TTs: Auf dem "Circuito del Lario" rannte die italienische Motorrad-Elite, darunter Menschen, die auch Automobil-Geschichte schreiben sollten. Wir finden, der Audi TT passt hierhin besser und rollen deshalb über die Alpen im TT-Doppelpack – mit der ersten und der letzten Generation dieses einzigartigen Sportwagens zwischen leichter Unterhaltung und tiefgründiger Abenteuerlust.
Das Wiedersehen mit dem Typ 8N von 1998 ist herrlich, als wäre es gestern gewesen und nicht 25 Jahre her. Wir staunen über die Konsequenz, mit der Audi damals den TT durchgezogen hat: mit einem Schalthebel im runden Gummibalg, runden Tasten, runden Ausströmern im Cockpit, Haltenetze in den Türen. Und natürlich wie ewig jung dieses Auto immer noch aussieht. Vor allem aber, wie frisch und energisch es fährt: ganz der Alte, ganz vogelwild und unkompliziert. Mit saftigem Turbo-Bumms nach sanftem Turboloch im Drehzahlkeller, mit keck klackendem Schaltgetriebe, flüssigem Handling ohne übertriebene Schärfe – eine Taschenrakete mit Wellness-Freundlichkeit.
25 Jahre Evolution – der Audi TT ist ein bleibender Charakter
Man muss es ganz klar sagen: Für eine Strecke wie das enge Geschlängel am Seeufer des Lago di Como, die Serpentinen in Aussichtslage darüber und die Waldwinkel auf dem Bergrücken ist der alte Audi TT wie gemacht. Hier kannst du nur mit dem Motorrad wirklich schnell fahren, weil dann eine flüssige Linie zwischen die Leitplanken, Mauern und Hecken passt. Mit dem Auto bist du einfach zu breit und sperrig und ab einem bestimmten Tempo nur damit beschäftigt, auf der letzten Rille haarsträubend zuziehende Ecken zu kriegen. Deshalb: laufen lassen – ganz sachte und gefühlvoll. Die Tempo-Brechstange bleibt eingepackt. Und genau hier, weit südlich des Grenzbereichs, fühlt sich der alte TT am wohlsten, fährt rund und energisch, präsent und wuselig.
Mit breitem Lächeln geht es dann in die aktuelle Generation – und auch die hat uns längst zu Fans gemacht. Im "Sportwagen des Jahres"-Wettbewerb lief der 400 PS starke Audi TT RS bei der AUTO ZEITUNG bereits wesentlich teureren, exklusiveren und stärkeren Supersportlern den Rang ab, weil er so unkompliziert ist und trotzdem mächtig und explosiv vorangeht wie ein Feuerzeug. Gerade wenn es eng wird, gerade wenn die Linienführung verkrampft, ist er ein ideales Lockerungsmittel, mit dem man allradgrippend, Fünfzylinder-knurrend und dreckig anreißend das Rätsel jeder noch so kniffligen Kurve löst. Wenn wir beim alten TT gerade den moderaten, aber satt anziehenden Vierzylinder als Idealmotorisierung ausgerufen haben, ist es bei der letzten Generation der begnadete Biturbo-Fünfzylinder, der an und für sich ein Klassiker ist.
Irgendwann surfen wir über die Serpentinen hinter Visino hinunter ans Seeufer bei Onno und stellen uns kopfschüttelnd und mit trockenem Mund vor, wie hier die alten Motorrad-Recken auf staubiger Strecke beherzt hinuntergebraten sind. Dann landen wir in der Sonne, stranden bei einem späten Cappuccino und frühen Panini, bevor es auf die nächste Runde geht. Früher wurde die Strecke sechsmal hintereinander gefahren, 220 Kilometer weit also. Wir werden heute dasselbe tun, sicher ankommen und den ganzen Fahrspaß ernten – die TT eben. Touristen-Trophy.
Technische Daten von Audi TT 1.8 T (1998) & Audi TT RS (2023)
AUTO ZEITUNG 14/2023 | Audi TT 1.8 T (1998) | Audi TT RS (2023) |
Technische Daten | ||
Motor | 1,8-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner | 2,5-Liter-Fünfzylinder-Biturbobenziner |
Getriebe/Antrieb | 5-Gang,manuell; manuell/Vorderrad | 7-Gang, Doppelkupplung/Allrad |
Leistung | 132 kW/180 PS bei 5500 /min | 294 kW/400 PS bei 5850-7000 /min |
Max. Drehmoment | 235 Nm bei 1950 /min | 480 Nm bei 2250-5850 /min |
Karosserie | ||
Außenmaße (L/B/H) | 4041/1764/1346 mm | 4191/1832/1344 mm |
Leergewicht | 1355 kg | 1550 kg |
Fahrleistungen (Werksangaben) | ||
Beschleunigung (0-100 km/h) | 7,5 s | 3,7 s |
Höchstgeschwindigkeit | 228 km/h | 250 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 8,1 l S | 9,2 l SP |
Kaufinformationen | ||
Basispreis (Testwagen) | 52.800 Mark (1998) | 72.500 € |