Im VW Golf 1 GTI zum GTI-Treffen: Reportage GTI, viel Regen und 1500 Kilometer
1982 rief Erwin Neuwirth eines der erfolgreichsten Tuningtreffen der Welt ins Leben: das GTI-Treffen. Die AUTO ZEITUNG begab sich im VW Golf 1 GTI auf die 1500-Kilometer-Spurensuche des GTI-Mythos – von der Autostadt in Wolfsburg zum österreichischen Wörthersee!
Wir schreiben das Jahr 1983: Kleinwagen wie der Ford Fiesta und der Opel Corsa verkaufen sich nach der Ölkrise wie geschnitten Brot und verzeichnen Zulassungs-Zuwächse von bis zu 15 Prozent. Auch der Golf, dessen zweite Generation im selben Jahr präsentiert wurde, profitiert von diesem Boom. Schließlich war er es, der VW aus der Absatzkrise verhalf. Am 29. September 1983 verlässt ein goldfarbener VW Golf 1 GTI Pirelli das Werk in Wolfsburg. Einer aus der insgesamt rund 460.000 Stück zählenden Sonderserie, die den VW Golf 1 in die Rente verabschiedete. Fünf Hände durchläuft der Kompaktsportler, ehe er 2006 in die Sammlung der Autostadt aufgenommen wird und seine zweite Karriere als Ausstellungsstück startet. Mehr zum Thema: So kommt der VW Golf 8 GTI
Historie des VW Golf GTI im Video:
Im VW Golf 1 GTI zum GTI-Treffen
23. April 2019: Im Büro des Zeithaus-Chefs Andreas Hornig klingelt das Telefon. Die AUTO ZEITUNG hat sich in den Kopf gesetzt, zum GTI-Treffen am Wörthersee zu fahren. Mit einem Golf 1, als GTI natürlich. Sonst ist das Ganze ja irgendwie witzlos. Was Hornig glücklicherweise genauso sieht. Frisch aufbereitet, strahlt der goldene Golf mit der Sonne um die Wette, als Hornig uns mit einem wenig subtilen "Bitte bringt ihn an einem Stück zurück!" den Schlüssel übergibt. Ein verständlicher Hinweis, schließlich sind nach aktuellen Zahlen des Kraftfahrbundesamtes deutschlandweit nur 2347 Stück seiner Art zugelassen. Wir versprechen, artig zu sein, nehmen ausnahmsweise einmal im nicht schwarz-rot-kariertem Gestühl Platz. Den Innenraum umgibt ein typischer Geruch, der Erinnerungen aus der Kindheit wieder hochholt. Zumindest, wenn man der Zeit entsprungen ist. Hach ja, damals – die Beine zu kurz, um die Pedale zu erreichen, und der Respekt zu groß, um das Auto zu starten. Heute ist es anders: Nach einem kräftigen Schlüssel-Dreh springt der Zündfunke nicht nur sprichwörtlich über. Erst bei drei Zylindern, nach einem kurzen Gasstoß schließlich auch beim vierten Topf. Wir rollen vom Gelände der Autostadt, die 1500-Kilometer-Reise zum GTI-Treffen kann beginnen. Mehr zum Thema: Das ist der VW Golf 7 GTI TCR
40 Jahre Automobil gingen nicht spurlos vorüber
Schon auf den ersten Kilometern zeigt sich, dass die 40 Jahre weder beim Automobilbau noch beim VW Golf 1 GTI spurlos vorübergegangen sind. So braucht es schon einen … sagen wir … beherzten Tritt aufs Bremspedal, um die Bremsen zur Arbeit zu überreden. Erst dann kann mit einer nachlassenden Kraftaufwendung von "Dosierung der Bremse" gesprochen werden. Weitere Beispiele gefällig? Nun, eine Klimaanlage gibt’s nicht: Für einen kühlen Kopf sorgt das halbwegs kräftige Gebläse oder – wie in unserem Fall – ein Ventilator aus dem Zubehör, der an der Windschutzscheibe klebt. Ein nasser Rücken ist bei den sommerlichen Temperaturen trotzdem programmiert. Navigiert wird per Navi 1.0, so haben wir die Straßenkarte getauft. Und da, wo bei modernen Autos Stereo-Surround-Subwoofer-Super-Sound für Unterhaltung sorgt, durchdringt – sofern es das betagte Blaupunkt Bremen überhaupt zulässt – ein blecherner Kassetten-Sound den Ur-GTI. Über ganze drei Lautsprecher, wohlgemerkt. Und das auch nur bis Tempo 100, dann geben die Windgeräusche den Ton an. Ein malmendes Radlager vorne rechts und ein quietschender Keilriemen machen das Orchester an Fahrgeräuschen "perfekt". Mehr zum Thema: Der VW Golf 7 GTI TCR im Fahrbericht
GTI-Treffen 2019 im Video:
In den Alpen spielt der Ur-GTI seine Stärken aus
Auf den kurvenreichen Straßen in der österreichischen Alpenlandschaft, also dort, wo die Straßen enger, die Kurven spitzer und die Steigungen stärker werden – genau da spielte der VW Golf 1 GTI seine Qualitäten aus. Wie von der Tarantel gestochen, rauscht der Knirps von Kompaktsportler die Serpentinen rauf und runter, als könne er die physikalischen Gesetze aushebeln. Die schmalen Reifen auf den Pirelli-Felgen scheinen eine Symbiose mit dem Asphalt einzugehen – Regen hin oder her. Untersteuern ist, wie die Dämmung im Innenraum, ein Fremdwort. Das Gewicht ist – damals wie heute – Trumpf, schließlich wiegt der Pirelli GTI für heutige Verhältnisse lächerlich anmutende 885 Kilo. Auf die trifft ein äußerst drehwilliger 1,8-Liter-Einspritzer, der nicht von ungefähr erst bei 5800 Touren die maximalen 112 PS mobilisiert. Unter Ur-GTI-Fans ist der 1,6er beliebter, Gründe fallen uns dafür keine ein. Im Gegenteil: Turbo, E-Boost? Alles unnötiger Ballast, wirbt die Maschine für den frei atmenden Fahrspaß – und genehmigt sich trotz alledem faire sieben Liter im Durchschnitt. Mehr zum Thema: Das kostet der VW Golf 7 GTI
GTI-Faszination noch immer allgegenwärtig
Auch nach über 35 Jahren hat der VW Golf 1 GTI nichts von seiner Faszination verloren. Vielmehr erinnert der kleine, fast schon zart anmutende Wolfsburger daran, wie puristisch Autofahren sein und auch Spaß machen kann. Nicht nur uns scheint eine gewisse Wehmut an die – wie sagt man doch – gute alte Zeit anzuhaften. Das beweisen die zahlreichen Sympathiebekundungen, die dem Auto zuteilwerden. Hier mal ein gehobener Daumen, dort ein Fernfahrergruß und selbst unter der Masse der getunten VW auf dem GTI-Treffen sorgt der goldenen Ur-GTI für ungefilterte Begeisterung. Mehr zum Thema: Azubi-Golf beim GTI-Treffen 2019
von Max Sonnenburg & Alexander Koch
Technische Daten VW Golf 1 GTI Pirelli
VW Golf 1 GTI 1.8 "Pirelli" | |
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Technik | |
Zylinder | 4; Sauger |
Hubraum | 1781 cm³ |
Leistung | 82 kW/112 PS bei 5800/min |
Drehmoment | 150 Nm bei 3500/min |
Getriebe/Antrieb | 5-Gang Handschaltung/Vorderradantrieb |
Messwerte | |
Leergewicht (Werk) | 885 kg |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 187 km/h |
Verbrauch (gemessen) | 6,7 l S/100 km |
Preise | |
Neupreis | 20.300 DM (1983) |