Gran Turismo: Vier viersitzige Luxus-Sportwagen im Vergleich Der Weg ist das Ziel
Ein herrlicher Frühlingstag auf den Straßen rund um den Gardasee bringt die Wesenszüge der viersitzigen Highend-Sportler von Aston Martin, Bentley, Ferrari und Porsche ans Licht
Reisetaugliche Sportwagen – so genannte Gran Turismos – sind ein klassisches Thema, das in jüngster Zeit wieder stark an Reiz gewonnen hat. Der bildschöne Aston Martin Rapide, der neu aufgelegte Bentley Continental GT, der technisch hoch ambitionierte Ferrari FF und der limousinenartige Porsche Panamera setzen das Grundrezept ausgesprochen differenziert um.
Vordergründig betrachtet sind alle vier Autos viersitzig, sauschnell und sehr exklusiv – doch eine Tour rund um den Gardasee gibt uns Gelegenheit, ihre individuellen Charakterzüge kennen und lieben zu lernen. Der Bentley verkörpert die typischen Werte eines GT am offenkundigsten: Er trägt traditionelle Coupé-Couture, gibt sich betont reiselustig und ist mit sagen wir „ausreichend“ Leistung gesegnet: 575 PS.
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Entsprechend flott und entspannt spult er die rund 900 Kilometer lange Anreise von Köln über den Brenner bis nach Torbole am Nordufer des Gardasees ab. Der Zwölfzylinder grummelt kaum hörbar unter der gewaltigen Haube und lässt den mächtigen Briten bei Bedarf mit über 300 km/h in den Süden brausen.
Dabei fasziniert jedoch weniger der angezeigte Zahlenwert auf dem elegant gezeichneten Tacho als vielmehr die Beiläufigkeit, mit welcher der sechs Liter große W-Motor aus dem Drehzahlkeller heraus loszieht. Bei Vollgas hebt sich die Front des Bentley wie bei einem Powerboat an – ein herrliches Gefühl.
Bereits bei 1700 Touren liegt dank zweifacher Turboaufladung das maximale Drehmoment von üppigen 700 Nm an. Konsequenterweise verkneift sich die um Unauffälligkeit bemühte sechsstufige Automatik unnötige Schaltvorgänge. Ruhe und Souveränität bestimmen das Fahrgefühl an Bord des Bentley Continental GT, Hektik oder gar Nervosität sind dem leer bereits 2.245 Kilo schweren Wagen gänzlich fremd.
Selbst bei forciertem Tempo auf kurvigem Geläuf bleibt der Allradler stets die Ruhe selbst. Zwar erzielt er durchaus zügige Kurventempi, doch fühlt er sich in langen Autobahnbögen spürbar wohler als auf den winkligen Sträßchen rund um den See, wo ihm der stoische Geradeauslauf wenig Vorteile bringt. Seine Passion ist das gepflegte Gleiten. Trotz riesiger 21-Zoll-Räder schmeichelt der Bentley seinen Passagieren mit einem samtigen Abrollen und minimaler Geräuschbelästigung.
Wer jedoch in einer der unzähligen Galerien oder einem der aus dem Fels geschlagenen engen Tunnel zwischen Riva del Garda und Campione die doppelt verglasten Seitenscheiben versenkt und das Fahrpedal in den weichen Teppich drückt, darf sich an einem durchaus bulligen Sound ergötzen. Laut wird der Bentley aber dennoch nur, wenn das Naim- Audiosystem voll aufgedreht ist.
Der zweite Brite im Quartett ist der Aston Martin Rapide, der mit Coupé-artiger Silhouette und vier Schwanenflügeltüren eine stilistisch äußerst interessante Variation des GT-Mottos offeriert. Er ist weder der Luxuriöseste, noch der Schnellste oder gar der Geräumigste in dieser Reisegruppe, doch seine Kombination aus Ästhetik, Kraft und Kultur ergibt ein unverwechselbares Arrangement, das automobile Gourmets in Verzückung bringt.
Angefangen beim einzigartigen James-Bond-Feeling, jener leicht arroganten Coolness, die der fiktive Top-Agent scheinbar auf jeden Aston Martin überträgt, bis hin zur schieren Kraft des 477 PS starken V12 – der Rapide begeistert mit jedem Meter. Hinzu kommt die konstruktive Ausnahmestellung des Rapide, der als Zwitter aus Coupé und Limousine auf einem verlängerten DB9-Chassis basiert.
Die hinteren Sitze bilden intime Nischen, in die trotz des ungewöhnlichen Türkonzepts nur Gelenkige leidlich elegant hineingleiten können: Schon beim bloßen Berühren des Türöffners versinken die hinteren Seitenscheiben selbsttätig, und die Türflügel schwingen beim Öffnen auf und heben sich gleichzeitig seitlich an – daher die Bezeichnung „Schwanenflügel“.
Doch einmal in Position, stellt man überrascht fest, dass sich Bequemlichkeit nicht allein über Raumangebot definiert. Man wähnt sich vielmehr mit dem Auto verwachsen und erliegt so dem Rausch der (Kurven-)Geschwindigkeit selbst im Fond in einer ungekannten Direktheit. Außerdem sitzt man hinten dichter am Auspuff und genießt den kraftvoll röhrenden Unterton, der sich zwischen 3500 und 4500 Touren in den Vordergrund spielt, so intensiv wie möglich.
Zudem erweist sich der Aston in den kurvigen Passagen als ausgesprochen agiles Auto und beeindruckt mit einem hohen mechanischen Grip. Den Allrad seiner Kontrahenten vermisst man nicht. Die Traktion ist gut, die Lenkpräzision ebenfalls. Nur das Ansprechverhalten der Lenkung sowie die Reaktionsgeschwindigkeit der Automatik dürften noch schärfer sein.
Wie scharf ein GT im Ernstfall sein kann, demonstriert der Ferrari FF eindrucksvoll: Ungeachtet der optischen Dramatik, die der rassige Italiener aus jeder Perspektive ausstrahlt, flößt allein der heiser-rotzige Sound des infernalisch anreißenden V12 Respekt ein. Der FF ist kein Leisetreter, sondern ein Superstar, der bei jeder Gelegenheit sein Publikum sucht – und bedingungslos in seinen Bann zieht.
Der herzzerreißende Klang, die ungeheuerlichen Fahrleistungen und die Exklusivität eines Ferrari sind schwer zu toppen. Dabei ist der FF aber beileibe kein Blender, sondern ein substanziell äußerst ambitioniertes Fahrzeug. Der V12 kommt ohne Aufladung aus und entfacht dennoch furiose 660 PS sowie brachiale 683 Nm, wobei bereits 80 Prozent des Drehmoments ab 1750 Umdrehungen anliegen.
Andererseits dreht der 6,3 Liter große Zwölfender beinahe hysterisch hoch, hängt aggressiv am Gas und bildet zusammen mit dem F1- Doppelkupplungsgetriebe eine Antriebseinheit, die permanent zu neuen Rekordrunden anspornt. Doch der FF kann auch anders: Im Comfort-Setting filtert der Shootingbrake-Ferrari Stöße sorgsam heraus. Der variable Kofferraum packt bis zu 800 Liter Gepäck ein.
Auf den Rücksitzen bleibt genügend Raum, sodass selbst Erwachsene klaglos mitreisen können. Doch der eigentliche Clou des Ferrari Four – kurz FF – ist sein Allradantrieb: Ein zweistufiges Getriebe an der Vorderseite des längs montieren V12 treibt über zwei elektronisch geregelte nasse Karbonkupplungen bedarfsgerecht die Vorderräder an. Gegenüber konventionellen Systemen erzielen die Ferrari-Ingenieure so einen erheblich niedrigeren Schwerpunkt und reduzieren das Zusatzgewicht der Allrad-Komponenten auf lediglich 45 Kilo.
Doch das Beste am 4RM getauften System ist, dass man es kaum spürt. Es fungiert als Bestandteil der übrigen Fahrdynamikkomponenten, ohne den hecklastigen Charakter des Ferrari zu verwässern. Maximal ein Viertel der Antriebskraft gelangt nach vorn. Die Lenkung arbeitet punktgenau, spricht fast schon nervös an und setzt sämtliche Impulse unverzüglich um. Die aktive Momentenverteilung zwischen den einzelnen Rädern (Torque Vectoring) optimiert das Einlenkverhalten zusätzlich.
Sportlicher kann man nicht auf Tour gehen. Passt der Porsche Panamera GTS da überhaupt in die Reisegruppe? Schließlich bekennt er sich offenkundig zum Limousinenstatus und fällt mit seinem „nur“ 430 PS starken V8 leistungsmäßig klar ab. Denkste! Denn erstens gäbe es den Panamera auch mit bis zu 550 PS (Turbo S, 167.291 Euro), und zweitens definiert sich ein Porsche selten allein über die PS-Zahl.
So erstaunt auch der GTS mit einer Fahrdynamik, die sich in diesem Quartett nicht zu verstecken braucht. Außerhalb der Rennstrecke lässt sich der GTS selbst vom Ferrari nur schwer abschütteln – einzig im Topspeed hängt er merklich hinterher. Doch diese Kombination aus Luxuslimousine und Sportwagen ist einfach bestechend gut. Platz, Reichweite und Komfort setzen Bestmarken.
Hinzu kommt ein penibel abgestimmtes Fahrwerk, das den fast fünf Meter langen Viertürer betont leichtfüßig und behände fahren lässt. Die Lenkung vermittelt eine perfekte Mischung aus Rückmeldung, Spontaneität und Stabilität. Der Motor hängt begeisternd direkt am Gas, zelebriert seinen V8-Sound, ohne dabei aufdringlich zu werden, und hält sich sogar beim Verbrauch in absolut vertretbaren Sphären auf.
Imagemäßig kann der Deutsche vielleicht nicht mit den drei Exoten mithalten, doch technisch präsentiert er sich locker auf Augenhöhe: effizienter V8, serienmäßiges Doppelkupplungsgetriebe mit ebenso sensibler wie zackiger Schaltstrategie, vollvariabler Allradantrieb, adaptives Fahrwerk mit optionalem Wankausgleich und extrem standfeste Karbon-Keramik-Bremsen (Option) – alles da, alles hochfunktional.
Der konsequent auf Dynamik getrimmte GTS vermittelt mehr Porsche-Tugenden als jeder andere Panamera, ohne an Alltagstauglichkeit einzubüßen. Ein Thema, vier Variationen: Der Porsche Panamera GTS setzt auf Perfektion und Dynamik, der Ferrari FF inszeniert Technik mit dramatischen Elementen. Der coole Aston Martin Rapide wendet sich an Ästheten, und der bärenstarke Bentley Continental GT W12 ruht in sich selbst.
Martin Urbanke
Alle technischen Daten lesen Sie auf den nächsten Seiten
TECHNIK | ||
ASTON MARTIN RAPIDE | BENTLEY CONTINENTAL GT W12 | |
Motor | V12-Zylinder, 4-Ventiler | W12-Zylinder, 4-Ventiler, Bi-Turbo |
Nockenwellenantrieb | Kette | Kette |
Hubraum | 5935 cm3 | 5998 cm3 |
Leistung bei | 350 kW / 477 PS 6000 /min | 423 kW / 575 PS 6000 /min |
Max. Drehmoment bei | 600 Nm bei 5000 /min | 700 Nm bei 1700 /min |
Getriebe | 6-Stufen-Automatik | 6-Stufen-Automatik |
Antrieb | Hinterrad | Allrad, permanent |
Fahrwerk | rundum: Doppelquerlenker, Federn, adaptive Dämpfer, Stabilisatoren; DSC (ESP) | vorn: Doppelquerlenker; hinten: Mehrfachlenkerachse; rundum: Luftfederung, adaptive Dämpfer, Stabilisator; ESP |
Bremsen | rundum: innenbelüftete Scheiben; ABS, Bremsassistent | rundum: innenbelüftete, gelochte Karbon- Keramikscheiben; ABS, Bremsassistent |
Bereifung | v.: 245/40 ZR 20 h.: 295/35 ZR 20 | v.: 275/40 ZR 20 h.: 275/40 ZR 20 |
Felgen | v.: 8,5 x 20 h.: 11 x 20 | v.: 9,5 x 20 h.: 9,5 x 20 |
L/B/H | 5019/1929/1360 mm | 4806/1944/1404 mm |
Radstand | 2989 mm | 2745 mm |
Leergewicht / Zuladung | 1990 kg / 420 kg | 2245 kg/ 495 kg |
Tankvolumen/ Reichweite | 91 l / 607 km | 90 l/ 526 km |
Kofferraumvol. | 301 – 750 l | 358 l |
Abgasnorm | Euro 5 | Euro 5 |
Typklassen | individuell | individuell |
FAHRLEISTUNG / VERBRAUCH | ||
0-100 km/h | 5,2 s | 4,6 s |
Höchstgeschwindigkeit | 296 km/h | 318 km/h |
EU-Verbrauch | 14,9 l SP / 100 km | 16,5 l SP / 100 km |
Test-Verbrauch | 355 g/km | 384 g/km |
KOSTEN | ||
Grundpreis | ab 189.995 Euro | ab 183.974 Euro |
TECHNIK | ||
FERRARI FF | PORSCHE PANAMERA GTS | |
Motor | V12-Zylinder, 4-Ventiler, Benzin- Direkteinspritzung | V8-Zylinder, 4-Ventiler, Benzin- Direkteinspritzung |
Nockenwellenantrieb | Kette | Kette |
Hubraum | 6262 cm3 | 4806 cm3 |
Leistung bei | 485 kW / 660 PS 8000 /min | 316 kW / 430 PS 6700 /min |
Max. Drehmoment bei | 683 Nm bei 6000 /min | 520 Nm bei 3500 /min |
Getriebe | 7-Gang, Doppelkupplg. | 7-Gang, Doppelkupplg. |
Antrieb | Allrad, aut. zuschalt. | Allrad, permanent |
Fahrwerk | v.: Doppelquerlenker, Federn, adaptive Dämpfer, Stabilisator; h.: Mehrfachlenkerachse, Federn, adaptive Dämpfer, Stabilisator; CST (ESP) | vorn: Doppelquerlenker; hinten: Mehrfachlenkerachse; rundum: Luftfederung, adaptive Dämpfer, Stabilisator, Niveaulift; PSM (ESP) |
Bremsen | rundum: innenbelüftete, gelochte Karbon- Keramikscheiben; ABS, Bremsassisstent | rundum: innenbelüftete Scheiben; ABS, Bremsassistent |
Bereifung | v.: 245/35 ZR 20 h.: 295/35 ZR 20 | v.: 255/45 ZR 19 h.: 285/40 ZR 19 |
Felgen | v.: 8,5 x 20 h.: 10,5 x 20 | v.: 9 x 19 h.: 10 x 19 |
L/B/H | 4907/1953/1379 mm | 4970/1931/1408 mm |
Radstand | 2990 mm | 2920 mm |
Leergewicht / Zuladung | 1880 kg / 440 kg | 1920 kg/ 560 kg |
Tankvolumen/ Reichweite | 91 l / 591 km | 100 l/ 917 km |
Kofferraumvol. | 450 – 800 l | 445 – 1263 l |
Abgasnorm | Euro 5 | Euro 5 |
Typklassen | individuell | 20 HP/29 VK/29 TK |
FAHRLEISTUNG / VERBRAUCH | ||
0-100 km/h | 3,7 s | 4,5 s |
Höchstgeschwindigkeit | 335 km/h | 288 km/h |
EU-Verbrauch | 15,4 l SP / 100 km | 10,9 l SP / 100 km |
Test-Verbrauch | 360 g/km | 256 g/km |
KOSTEN | ||
Grundpreis | ab 258.200 Euro | ab 116.716 Euro |
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