Audi liefert jetzt die neue Generation des R8 LMS an seine Kunden. AUTO ZEITUNG-Redakteur Gregor Messer konnte den GT3-Boliden bereits exklusiv fahren.
Okay, so einen hole ich mir auch. Der muss einfach in die Garage. Oder besser gesagt: raus aus der Garage. Auf die Rennstrecke. Dort, wo er hingehört. Kurzer Rückblick: 2009 begann Audi mit seinem Kundensport-Programm. Der R8 LMS der ersten Generation trug noch den Nachnamen „ultra“. Darauf haben die haus-eigenen Marketingstrategen diesmal verzichtet. Aber wieso eigentlich – wo doch der neue GT3-Kundensportler so viel mehr Ultra-Mäßiges zu bieten hat als sein Vorgänger? Der Einstieg ist leicht, Platz gibt es reichlich. Schließlich ist der R8 LMS kein Auto, das man sich wie eine Zwangsjacke anzieht wie der Le Mans-Bomber R18 e-tron quattro. Außerdem: Im GT3-Sport muss ein Fahrerwechsel nach gut elf Sekunden reibungslos erledigt sein. Kaum im speziellen Audi-Sicherheitssitz zurechtgeräkelt, erwartet mich der erste Clou: Die Pedalerie – und nicht etwa der Sitz – lässt sich auf die Körpermaße des Fahrers einstellen. Per Knopfdruck schieben sich mir Brems- und Gaspedal entgegen. Im Vergleich zum Vorgänger sitzt der Fahrer jetzt deutlich flacher – nicht zuletzt, weil die Pedalerie rund zehn Zentimeter höher angeordnet ist. Das vermittelt deutlich mehr Rennwagen-Feeling.
Audi R8 LMS: Mit Vollspeed über den Nürburgring
Zündung an, Startknopf drücken – das Startprozedere erfordert keine Besonderheiten. Bei einer Leerlaufdrehzahl von 1100 /min tanzt sich der bärige Zehnzylinder warm. Jetzt flott den ersten Gang einlegen. Aber wie? Wie im Serien-R8 muss der Fahrer in der Rennversion auf das Kupplungspedal verzichten. "Dafür ist einfach kein Platz", sagt Audi-Kundensportleiter Romolo Liebchen. Dafür wird die Kupplung via Lenkrad bedient: Mit einer Hand ziehe ich den Kupplungshebel unten links hinter dem Kranz des Stummellenkers. Gleichzeitig ziehe ich an der rechten Schaltwippe – jetzt ist der Gang drin. Und dann lasse ich den Kupplungshebel einfach los – noch steht der R8. Doch mit nur wenig Gas rollt er an wie jedes Auto im Stadtverkehr. Das Spiel mit der Kupplung und das filigrane Suchen nach dem optimalen Schleifpunkt kann man vergessen: GT3-Rennen werden meistens fliegend gestartet. Nun geht’s zur Sache: Nach einer Runde intensiven Warmfahrens befinden sich Reifen und Stahlbremsen weitgehend auf Betriebstemperatur. Was allerdings sofort auffällt, ist ein unglaublich nervendes Geräusch bei jedem Hochschalten. Verursacher ist jener Kompressor, der die Pneumatik für die Schaltwechsel bedient. "Hört sich an wie ein blökendes Schaf", stellt Werksfahrer Markus Winkelhock fest, "aber mir fällt das schon gar nicht mehr auf."
Der Audi R8 LMS darf "nur" 585 PS leisten
Abgesehen davon vermittelt der R8 LMS von Beginn an ein sicheres Gefühl: Sofort spürt man, wie sehr der R8 mit viel mechanischem Grip für entsprechend gute Traktion sorgt. Die Agilität gerade aus engen Ecken heraus ist traumhaft: Aus der Kurzanbindung heraus kann ich ganz geschmeidig Vollgas geben – dank der neu abgestimmten Traktionskontrolle. Denn nunmehr steuert eine reinrassige Rennsport-Elektronik von Bosch (Typ MS6.4) den drehfreudigen und drehmomentstarken 5,2-Liter-V10, der freilich auch aus unteren Drehzahlbereichen kernig seine Leistung abgibt. Aber auch schnelle Biegungen wie der Hatzenbachbogen auf der GP-Strecke des Nürburgrings stellen keine Mutproben dar. Hier spürt man sofort, wie viel Weiterentwicklung (weit über 200 Stunden im Windkanal) Audi bei der Aerodynamik betrieben hat. Der R8 LMS wirkt härter, aber auch stabiler als sein Vorgänger. Er rollt nicht mehr so viel über die Mittel- und Hochachse, die Nickbewegungen wurden reduziert. Kein Wunder: Die Torsionssteifigkeit konnten die Techniker um 39 Prozent erhöhen. Alles wirkt brutal direkt. Die Gründe finden sich im Detail: So gibt es keine Motor-Aufhängungslager mehr. Die 5,2-Liter-Maschine ist direkt mit dem nur 200 kg leichten Spaceframe verschraubt. Das Triebwerk ist übrigens weitgehend identisch mit dem der Serie, liefert aber nicht jene 610 PS, die auf der Straße zur Verfügung stehen: Um das Kräfteverhältnis der Konkurrenz zu nivellieren, zwingt das technische Reglement via Balance of Performance (BoP) die Audi-Techniker, per Luftmengenbegrenzer die Motorleistung zu reduzieren. Was soll’s, auch 585 PS sorgen für faszinierenden Fahrspaß. Der R8 LMS ist das schnellste Auto, das Audi für seine Kunden bislang gebaut hat. "Der dürfte auf dem Niveau der DTM-Autos von vor zehn Jahren liegen", meint Winkelhock. 359.000 Euro müsste ich dafür locker machen, netto. "Wir rechnen mit 45 Bestellungen", verrät Liebchen. Einen davon hätte ich auch gern …