Sportwagen für Brasilien: VW SP 2, Puma GT Spider und Ghia TC 145 VW do Brasil
Sportwagen aus Brasilien für Brasilien: Puma GT Spider, Karmann Ghia TC 145 und VW SP 2 waren schnittige Schönlinge für die Boulevards unterm Zuckerhut. Hätten sie auch in Europa Chancen gehabt?
Der freundliche ältere Herr steigt von seinem Fahrrad und schaut prüfend auf die drei Fahrzeuge, die wir an diesem schönen Sommermorgen am Ufer des Allersees in Wolfsburg fotografieren. "Die haben wir hier aber nicht gebaut“, meint er ganz richtig. Der Ex-VW-Fließbandarbeiter kennt sie noch, die Käfer und frühen Golf, hat sie Jahrzehnte lang zusammengesetzt und brennt noch heute für "sein VW-Werk“. Und so bleibt er eine Weile und lässt sich erzählen von der VW-Geschichte, die er nicht kennt, und die ihren Anfang nimmt in Baracken und Schuppen in Sao Paulo.
Es ist 1953. Volkswagen startet sein großes Südamerika-Abenteuer. In nur wenigen Jahren wird "VW do Brasil“ größter Autohersteller des Landes, produziert schon 1967 über 100.000 Fahrzeuge jährlich, setzt dabei umgerechnet 1,2 Milliarden Mark um - ein nicht unerheblicher Teil des weltweiten Umsatzes von VW. Grundlage dieses Erfolgs war der Käfer, der "Fusca“, wie ihn die Brasilieros kennen. Doch einfach das deutsche Produkt kopiert hat man unterm Zuckerhut nicht. Man setzte eigene Akzente, baute den Käfer zum Beispiel bis zum Schluss mit den kleineren hinteren Seitenfenstern oder gestaltete das Armaturenbrett neu.
EIN TEIL AM PUMA KENNT JEDER VW-FAN
Neben dem Fusca entstanden komplett eigenständige Autos, wie etwa der VW Gol, der wie eine Mischung aus Golf, Polo und Scirocco aussieht. Der Frontantriebswagen kam 1980 auf den Markt – anfangs sogar noch mit einem vorn eingebauten Käfer-Motor. Da der brasilianische Staat in viele Wirtschaftsbereiche regelnd eingriff, konnten noch ganz andere schöne Pflanzen unter warmer südlicher Sonne gedeihen. Auf importierte Sportwagen wurden beispielsweise hohe Strafzölle erhoben. Also waren schnelle Autos aus heimischer Produktion gefragt. Drei solche brasilianische Sportler stehen nun vor uns: der Puma GT Spider, der Karmann Ghia TC 145 und der VW SP 2.
Der weiße Puma ist im Grunde kein reinrassiger VW. Zwar nutzt der kleine Kunststoff-Flitzer komplett die bewährte VW-Technik und steht auf der Plattform des auch in Brasilien produzierten Karmann Typ 14 (und nach dessen Produktionseinstellung auf der Bodengruppe des VW Brasilia), doch schon bei der Länge des Rahmens gibt es Unterschiede. Die Arbeiter bei Puma kürzten das Fahrgestell um 27 Zentimeter - ähnlich machten es damals auch viele Buggy-Hersteller wie etwa Meyers in den USA beim berühmten Dünen-Hüpfer Manx.
Doch während die Buggy-Erbauer auf möglichst viel Bodenfreiheit achteten, ging man beim Puma den umgekehrten Weg: Die Brasilianer arbeiteten die Vorderachse um, sodass man die Torsionsfederpakete in den Achsrohren verdrehen konnte, um eine Absenkung des Vorderwagens zu erreichen - die Tieferlegungsachse war geboren, ein brasilianisches Produkt, das schnell in der gesamten Käferszene weltweit seinen Siegeszug antrat. Bis heute reden Käfer-Tuner gern von einer "Puma-Achse“, wenn sie die Tieferlegungsachse meinen.
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Die in Sao Paulo ansässige Firma "Puma Veiculos et Motores Ltd.“ hatte vor der VW-Karriere DKW-Umbauten realisiert. Firmengründer Rino Malzoni ist DKW-Fans deshalb bestens bekannt. Ab 1966 entwickelte er parallel zu den Malzoni-DKW das Kunststoffkleid für den VW, der ihm zukunftsweisender schien als der Zweitakter. Zunächst gab es ein Coupé, das etwa 1969 serienreif war, dann ab 1971 ein Cabrio. In Brasilien war vor allem das Coupé im Rennsport ein gern eingesetztes Fahrzeug: Klein und leicht fuhr er vielen großen Boliden auf und davon.
Nach Europa gelangten nur wenige Exemplare. Das weiße Puma Cabrio fährt sich wie ein typisches Kit Car: Alles wirkt ein wenig improvisiert. Man traut sich kaum, Kofferraumdeckel oder Motorhaube ins Schloss fallen zu lassen, weil sich alles so zerbrechlich anfasst. Der kurze Schaltknauf verlangt viel Nachdruck, der Aufbau ist nicht eben verwindungssteif, der Motor brüllt dazu im Heck. Aber er schiebt mächtig voran, der Puma - auch dank leistungssteigernder Maßnahmen.
Die 90 SAE-PS geben wenig Aufschluss über die wirkliche Leistung. Und so einfach umrechnen lassen sie sich nicht. Tatsache ist: Es fühlt sich nach viel an. Der kurze Radstand, die Sportdämpfer und die Tieferlegung vorn führen zu einem spontanen Kurvenverhalten des kleinen Wagens. Welch einen Kontrast dazu bietet der Karmann Ghia TC 145! Im Vergleich der drei Brasilianer ist er eindeutig der Oldtimer. Einiges an ihm erinnert an den Karmann Ghia Typ 14, wie er in Deutschland von 1955 bis 1974 und in Brasilien von Karmann do Brasil zwischen 1961 und 1972 gefertigt wurde. Der TC 145 folgte ihm nach und basierte auf der Technik des brasilianischen VW Typ 3.
Das Touring Coupé (TC) mit der großen Heckklappe macht einen soliden und schweren Eindruck. Dazu passen die behäbigen Fahrleistungen. Mit den 54 PS des Flachboxer-Motors im Heck lassen sich keine Bäume ausreißen bei über 900 Kilogramm Leergewicht. Im Innenraum erinnert das Design klar an den Karmann Typ 14. Außen aber setzt der TC stolz eigene Akzente und ist im Vergleich zum Typ 14 deutlich gestraffter und vor allem von hinten recht modern anzusehen.
DAS TOURING COUPÉ HAT SELTENHEITSWERT
Im Gegensatz zum Puma hat der TC 145 echte Alltagsqualitäten: In ihm können vier Personen sitzen. Und auch hinten herrscht durchaus genügend Kopffreiheit. Das konnte sein Vorgänger, der in Osnabrück gestylte kleine Karmann, nicht bieten. Das Reisegepäck schluckt der blaue Brasilianer ohne Murren, lässt sich zudem durch die große Heckklappe gut beladen.
Bis 1976 entstanden rund 18.000 Karmann Ghia TC 145 bei Karmann do Brasil. Nach Europa wurden sie nie offi ziell exportiert. Ähnlich wie der Puma GT Spider blieb also auch der TC eine in erster Linie südamerikanische Erscheinung. Beim Puma kann man sich durchaus eine Fan-Gemeinde unter europäischen Kit-Car-Freunden der 70er-Jahre vorstellen. Dem TC 145 wäre aber wohl kein großer Erfolg beschieden gewesen. „Das ist doch ein Karmann“, meint der Ex-VW-Werker mit dem Fahrrad und zeigt zielsicher auf den Blauen: "Anfang der 70er“, erinnert er sich "war der Karmann Ghia schon ein wirklich altes Auto.“ Nach über 20 Jahren der Produktion war seine Zeit vorbei. Und der TC wärein Form und Konzept zu nah dran gewesen an dem Sekretärinnen-Porsche aus Osnabrück.
"Aber der“, grinst der Radl-Rentner und nickt mit dem Kopf in Richtung VW SP 2, "der muss was mit Leiding zu tun haben. Der war doch damals der Chef in Brasilien.“ Der Mann weiß Bescheid! Richtig: Rudolf Leiding hatte als Verantwortlicher für VW do Brasil die Entwicklung des VW SP 2 angestoßen. Die markanten Doppelscheinwerfer mit den Masken drum herum zierten nicht nur den Sportwagen, sondern auch den Brasilia, den späten VW Typ 3 do Brasil und auch den deutschen VW 412, dem Leiding direkt nach seinem Wechsel an die Wolfsburger Konzernspitze ein Facelift verpasste. Man spricht in Fan-Kreisen von der "Leiding-Schnauze“ . Und das ist überhaupt nicht despektierlich gemeint, denn all diesen Autos hat das Facelift gut getan.
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Der SP 2 hatte das Vergnügen, gleich von Beginn an mit einem hübschen Gesicht durch die Gegend zu fahren. Präsentiert wurde er unter dem Namen "Coupé X“ auf der Industrieausstellung in Sao Paulo 1971. Ein Team junger Designer hatte seit dem Sommer 1970 daran gearbeitet. Auf Basis des VW Typ 3 do Brasil und auch mit dessen Motor zauberten sie einen nur 1,16 Meter fl achen Renner mit gestreckter Haube und einem atemberaubenden Hintern. Der kompromisslose Zweisitzer verfügt zudem schon über eine große Heckklappe, die an die des Jaguar E-Type Coupé erinnert und einen bequemen Zugang zum hinteren Gepäckabteil ermöglicht. Und da das "Coupé X“ auch noch vorn einen Kofferraum besitzt, ist seine Eignung für längere Touren zu zweit absolut gegeben.
Auch heute noch steigt man gern in diesen Schönling ein. Die langen Türen schwingen schwer und sicher auf, die Spaltmaße sind wie beim Ghia TC 145 nahezu untadelig. Der Einstieg gelingt trotz der geringen Bauhöhe des Coupés gut. Was dann folgt, ist ein Traum: Gut konturierte Sportsitze umfassen den Fahrer und geben ihm das Gefühl, der absolute Herr über 4,21 Meter Designer-Stahl zu sein. Das griffige Sportlenkrad mit kleinem Durchmesser und breitem Kranz trägt ebenfalls zu diesem guten Feeling bei. Dank des geringen Gewichts auf der Vorderachse halten sich die Lenkkräfte in Grenzen. Die trotz des Fahrzeugalters nur wenig verschlissene Schaltung liegt gut zur Hand und arbeitet recht exakt. Natürlich darf man bei einer so langen Schaltstange nicht mit Wundern rechnen. Doch wer häufig in alten Autos unterwegs ist, merkt schnell, dass die bewährte Viergang-Box, die schon Millionen von Käfern auf die Sprünge geholfen hat, ausgereift ist und solide ihren Dienst verrichtet.
DER VW SCIROCCO KONNTE ALLES BESSER
Ähnlich verhält es sich mit dem Fahrwerk. Anders als der deutsche Typ 3 mit seinen Federstäben über die ganze Achsenbreite hat der SP 2 im Prinzip noch die Käfer-Vorderachse mit Federpaketen, die mittig zentriert sind. Das führt zu einer im Vergleich härteren und auch unkomfortableren Federung. Hinten schwingt eine Pendelachse um einen Mitteldrehpunkt. Zwar gibt es eine Ausgleichsfeder, die ein Aufbäumen in Kurven verhindert, doch es bleibt ein schwammiges Fahrgefühl. Schade, dass der SP 2 nicht schon die Schräglenker Hinterachse hat, die sich mit wesentlich mehr Reserven in die Kurven stemmt. So bleibt auch im SP 2 nur die Erkenntnis, dass seine Fahreigenschaften auch Anfang der 70er-Jahre schon angestaubt waren - dieselben Probleme wie im TC 145 und, von der Konstruktion her, auch im Puma. Nur dass der Pluspunkte wegen seines geringeren Gewichts, der Tieferlegung vorn und der besseren Stoßdämpfer sammeln kann.
Die Kritik am SP 2 geht aber noch weiter. Die AUTO ZEITUNG Nr. 10 von 1971 bringt es auf den Punkt: "Unter der recht rasanten Karosserie fristet ein harmloser Boxermotor (...) sein Dasein: Die bewährte 1600-ccm-Maschine mit ihren 54 PS verleiht dem Coupé keine ergreifenden Fahrleistungen.“ Dennoch ging die Studie wenig später mit genau diesem Motor in Brasilien an den Start. SP 1 hieß sie nun, das SP steht dabei für Sao Paulo. Es folgte bald der SP 2 mit der gleichen Karosserie und Technik, allerdings nun mit einem auf 1648 cm³ vergrößerten Motor, der immerhin 65 DIN-PS mobilisierte.
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In so einem sitzen wir nun und freuen uns am zwar präsenten, aber doch angenehm dumpfen Sound des Boxer-Motors, dem zwar zwei Zylinder zum Porsche 911 fehlen, der dem zeitgenössischen Elfer aber im Klang nur wenig nachsteht. Dank der strömungsgünstigen Karosserie verbesserten sich Höchstgeschwindigkeit und auch das Beschleunigungsvermögen ein wenig, doch von den Fahrleistungen moderner Volkswagen, die damals in Europa frisch auf den Markt kamen, war der SP 2 weit entfernt.
Ein Scirocco mit 70 PS zog dem VW SP 2 locker davon, bot Platz für vier, war leichter, hatte das bessere Fahrverhalten und war zudem günstiger. 10.400 Mark musste man 1974 für ihn aufwenden. Der VW SP 2, wenn er denn je exportiert worden wäre, hätte etwa 12.000 Mark gekostet. Heute betrachtet man alles ein wenig verklärter. "Ach, das waren schon schöne Autos“, seufzt der VW-Rentner und radelt davon. Sechs Worte, die alles sagen über drei wirklich außergewöhnliche brasilianische Sportwagen.
FAZIT
Sie sind schön und fühlen sich schnell an, diese drei brasilianischen Sportler. Der immer etwas improvisiert wirkende Puma kommt nicht an die Solidität von TC 145 und SP 2 heran. Gerade Letzterer lässt uns mit wehmütigem Blick zurück: flach, perfekte Sitze, im Heck fast schon Porsche- Sound. Hätte er gegen den VW Scirocco antreten können? Was man durch die Fan-Brille mit einem "Ja“ beantwortet, muss man mit Blick auf die Situation in den 70ern klar verneinen: zu schwer, zu schwach motorisiert, Technik aus Käfer & Co. Was damals niemand mehr wollte, ist heute gesucht.
Thorsten Elbrigmann
AUTO ZEITUNG